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news/APA/Sonntag, 15.09.24, 09:02:01

Niederösterreich zu Katastrophengebiet erklärt

Aufgrund der starken Niederschläge ist Sonntagfrüh ganz Niederösterreich zum Katastrophengebiet erklärt worden. "Die Lage spitzt sich aufgrund der massiven Regenfälle im gesamten Land weiter zu", teilte Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) der APA mit. Bewohner mussten aus Häusern gerettet werden. In der Nacht wurde der Zugverkehr auf der Weststrecke zwischen Amstetten und St. Valentin eingestellt. Die Reisewarnung der ÖBB wurde bis Montagabend verlängert.
APA/APA/ÖBB

„In den nächsten Stunden werden bis zu 50 Millimeter weitere Niederschläge prognostiziert“, sagte Pernkopf. „Zusätzliche Feuerwehr-Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern und ein Assistenzeinsatz des Bundesheers werden angefordert und über den Landesführungsstab koordiniert“, teilte der Landesvize mit. Zahlreiche Verkehrswege waren blockiert oder gesperrt. Mit den anhaltenden Niederschlägen „kommt es jetzt schon und wird es weiter zu massiven Überflutungen im ganzen Land kommen“, sagte Pernkopf: „Vermeiden Sie unnötige Fahrten und Wege! Damit gefährden Sie sich und möglicherweise auch die Einsatzkräfte.“

Durch die extrem intensiven Niederschläge seien in den vergangenen Stunden speziell im ländlichen Bereich durch Hang- und Oberflächenwässer gefährliche Bereiche entstanden, hieß es vonseiten des Landes. Vor allem im Zentralraum (Bezirke Melk, St. Pölten, Tulln) sind zahlreiche Straßen aufgrund der Überflutungen unpassierbar. „Diese überschwemmten Bereiche sind für Autofahrer in der Dunkelheit schwer erkennbar und gefährlich. Weiters ist davon auszugehen, dass zahlreiche Ortschaften in den nächsten Stunden auf dem Landweg nur mehr erschwert oder nicht mehr erreichbar sein werden“, hieß es vonseiten des Landes.

Über Nacht waren in Niederösterreich 1.159 Feuerwehren mit 2.168 Fahrzeugen bei 4.490 Einsätzen gefordert. Die Lage in den Bezirken St. Pölten und Tulln spitze sich zu, zum Teil gebe es Evakuierungen, berichtete Klaus Stebal, Sprecher des Landeskommandos. Die Situation am Kamp sei „sehr angespannt“.

Im Bezirk St. Pölten wurde in den Gemeinden Hofstetten, Gablitz, Pyhra, Perersdorf, Haunoldstein, Wilhelmsburg, Purkersdorf und Tullnerbach die Zivilschutzwarnung ausgelöst, in Böheimkirchen, Markersdorf-Haindorf und Kapelln Zivilschutzalarm. Der Anzbach, Wienfluss, Gablitzbach, Michelbach, Nadelbach und die Perschling seien bereits über die Ufer getreten, informierte das Bezirkskommando. „Die Feuerwehren sind vorrangig mit Menschenrettungen aus Gebäuden oder Fahrzeugen befasst“, u.a. auch mit Booten bzw. Zillen, hieß es. Zudem kam es zu Stromausfällen. In mehreren Häusern waren Bewohner eingeschlossen. In Markersdorf wurden vier Personen aus einem Gebäude gerettet.

In Pielachberg, einem Teil von Melk, wurde ebenfalls Zivilschutzalarm ausgelöst. „Es droht die Pielach in die Siedlung zu laufen“, teilte die Stadtgemeinde am Sonntag in den frühen Morgenstunden mit. Anrainer in drei Straßen wurden ersucht, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Ein Notquartier wurde in der Mittelschule eingerichtet. Aufgrund von plötzlich stark steigendem Wasser eines Baches wurden laut FF Melk fünf Personen und ein Hund aus zwei Einfamilienhäusern gerettet, zwei Bewohner davon wurden durch die Wasserrettung St. Pölten mit einem Schlauchboot in Sicherheit gebracht.

Im Bezirk Waidhofen an der Thaya war die Lage in den Gemeinden Windigsteig, Waidhofen an der Thaya, Waidhofen an der Thaya-Land, Raabs an der Thaya und Vitis laut Bezirkskommando „weiterhin sehr kritisch“. Zahlreiche Evakuierungen und Sicherungsarbeiten waren notwendig. In Waidhofen an der Thaya-Land wurde ein Wohnhaus sowie das örtliche Feuerwehrhaus überflutet. Bewohner wurden evakuiert, die Einsatzkräfte mit einem Boot in Sicherheit gebracht. In Teilen der Bezirkshauptstadt musste der Strom abgeschaltet werden, weil Trafostationen unter Wasser stehen. In der Badgasse in Waidhofen wurde der Wert eines 100-jährlichen Hochwassers überschritten.

Im Bereich des Kamps werde laut aktuellen Prognosen und Berechnungen der EVN die Speicherkapazität in Ottenstein am Sonntagvormittag ausgeschöpft sein. Derzeit kann die Abflussmenge durch die Speicherkette gedämpft werden. Unterhalb der Speicherkette waren in den frühen Morgenstunden Abflüsse eines 30-jährlichen Hochwassers zu verzeichnen. „Nach Ausschöpfen der Speicherkapazität in Ottenstein ist im Verlauf des Sonntags mit einem deutlichen Anstieg im Unterlauf zu rechnen“, wurde mitgeteilt.

Inzwischen wird für den Kamp bei Stiefern, einem Teil von Schönberg am Kamp (Bezirk Krems-Land), bereits ein Wasserstand von 5,63 Metern am Sonntag prognostiziert. 2002 lag der Spitzenwert am 8. August bei 6,81 und am 13. August bei 5,75 Metern. An der Donau werden bei Kienstock in der Wachau 9,29 Meter und bei Korneuburg 7,24 Meter erwartet.

Die Prognose für den Zentralraum sage weiterhin intensive Niederschläge voraus, hieß es weiter vom Land Niederösterreich. „Die Gemeinden lösen selbstständig Zivilschutzsignale aus, sofern die Gefährdung für die Bevölkerung gegeben ist“, wurde festgehalten. Am Samstag wurden bereits 42 Gemeinden bzw. Katastralgemeinden zum Katastrophengebiet erklärt, am Sonntag kamen die Bezirke St. Pölten und Tulln dazu. Das bedeutet, dass die Katastrophenschutzbehörden auf Grundlage des NÖ Katastrophenhilfegesetztes erweiterte Kompetenzen und Anordnungsbefugnisse erhalten.

Der Zugverkehr wurde auf dem betroffenen Streckenabschnitt aufgrund von Hochwasser um 1.15 Uhr eingestellt. Ab Sonntagfrüh fahren laut ÖBB stündlich Züge zwischen Wien Hbf. und Amstetten (ÖBB PV AG – Planabfahrt Minute 55), Wien Westbahnhof und Amstetten (WESTbahn GmbH – Minute 38) bzw. Salzburg und St. Valentin (ÖBB PV AG – Planabfahrt Minute 11, WESTbahn GmbH – Planabfahrt Minute 52). Ein Schienenersatzverkehr mit Bussen fährt ab 6.00 Uhr im Pendelverkehr zwischen Amstetten und St. Valentin. Kundenlenker sind im Einsatz. Der Bahnhof Melk werde wegen Hochwasser aktuell nicht angefahren, zudem werde von nicht dringenden Reisen abgeraten.

Eine Prognose über die Dauer der Streckenunterbrechung könne frühestens Sonntagnachmittag abgegeben werden. Fahrgäste werden den Angaben zufolge gebeten, sich vor Fahrtantritt auf ÖBB SCOTTY, oebb.at oder beim ÖBB Kund:innenservice unter 05-17 17 zu informieren. Während der Streckenunterbrechung können Fahrgäste mit einem ÖBB PV AG-Ticket zwischen Wien und Salzburg auch Züge der WESTbahn GmbH nutzen, Fahrgäste mit WESTbahn GmbH-Ticket können auch Züge der ÖBB PV AG nutzen. Güterzüge der ÖBB Rail Cargo Group warten die Unterbrechung ab oder werden großräumig umgeleitet.

In der Nacht gab es in Niederösterreich weiterhin intensiven Niederschlag, welcher sich vor allem auf den Zentralraum des Bundeslandes konzentrierte, sagte ein Sprecher der Landeswarnzentrale Niederösterreich der APA kurz nach 3.00 Uhr auf Nachfrage. Außerdem gebe es wegen vieler Überflutungen zahlreiche Feuerwehreinsätze. Laut Bezirksführungsstab St. Pölten standen 95 Feuerwehren vor allem wegen Auspumparbeiten und Sturmschäden im Einsatz. In Kirchberg an der Pielach wurde eine Person in ihrem Auto von den Wassermassen der Pielach eingeschlossen, sie wurde von den Einsatzkräften gerettet, berichtete die örtliche Feuerwehr.

Die Wiener Linien teilten am Sonntag um 7.30 Uhr mit, dass wegen kritischen Pegelstandes des Wienflusses und des Donaukanals eingeschränkter Betrieb auf den Linien U3, U4 und U6 herrsche. Die betroffenen U-Bahn-Trassen würden mit Dammbalken und Sandsäcken vor dem eindringenden Wasser geschützt. Die U3 muss laut Mitteilung zwischen Schlachthausgasse und Simmering eingestellt werden. Im Gegenzug wurde die Straßenbahnlinie 71 verlängert und verkehrt nun zwischen Schlachthausgasse und Simmering. Die U4 kann aktuell nur zwischen Heiligenstadt und Friedensbrücke fahren. Ein Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Hütteldorf und Karlsplatz wurde eingerichtet. Die U6 wird den Angaben zufolge derzeit nur zwischen Floridsdorf und Westbahnhof sowie Bahnhof Meidling und Siebenhirten geführt. Zudem werde die Straßenbahnlinie 62 derzeit nur eingeschränkt geführt. Ein Störungsende sei derzeit nicht absehbar, so die Wiener Linien.

(S E R V I C E – Mitteilung der ÖBB: Die Zugbindung bei allen nationalen, internationalen und Nachtzugtickets mit Kaufdatum bis 12.9.2024 für den Zeitraum von 13.9.2024 bis 16.9.2024 ist aufgehoben. Diese sind ab sofort bis inkl. 18.9.2024 gültig. ÖBB Tickets für jene Züge, die von der Reisewarnung betroffen sind, können auch erstattet werden. Es gelten dafür die oben angeführten Zeiträume. Die ÖBB bitten um Verständnis, dass es aufgrund des aktuellen erhöhten Aufkommens beim Kund:innenservice zu längeren Wartezeiten kommen kann.)