Gazprom habe immer wieder zugesagtes Gas nicht geliefert, um Druck auf Österreich dahingehend auszuüben, die Sanktionspolitik innerhalb der EU gegen die russische Föderation zurückzunehmen, sagte der Bundeskanzler. Österreichs Gasspeicher seien aber zu 93 Prozent gefüllt. Mit der strategischen Gasreserve seien in den Speichern 94,5 Terawattstunden Gas. „Das ist mehr als ein Jahresbedarf für ganz Österreich. Dieser lag 2023 bei 75,6 Terawattstunden.“
„Wir lassen uns von niemandem erpressen. Auch nicht vom russischen Präsidenten“, sagte Nehammer. „Wir lassen uns von der putinschen Regierung, von Putin selbst nicht in die Knie zwingen.
Schon ab morgen, Samstag, 6 Uhr Früh, soll kein Gas mehr zur OMV nach Österreich kommen, hatte zunächst die Plattform Central European Gas Hub (CEGH Remit) Freitagnachmittag berichtet. Von Gazprom selbst war dafür auf Anfrage der APA zunächst keine Bestätigung zu bekommen. Österreichs Öl- und Gaskonzern OMV hatte davor angekündigt, die Zahlungen an die Gazprom einzustellen, um sich eine in einem Schiedsverfahren zugesprochene Millionensumme zurückzuholen. Am Mittwoch waren dem teilstaatlichen Unternehmen im Streit mit dem russischen Gaslieferanten mehr als 230 Mio. Euro Schadensersatz unter den Regeln der Internationalen Handelskammer für ausgebliebene Gaslieferungen in Deutschland zugesprochen worden – die OMV will den Anspruch mit Zahlungsverpflichtungen an den russischen Gaslieferanten, der bisher 178 GWh pro Tag lieferte, aufrechnen.
Auswirkungen auf den Gaspreis seien nicht zu erwarten, sagte Nehammer, weil die Gasspeicher gefüllt seien und Österreichs Verbrauch gemessen an der gesamten EU nicht marktrelevant sei. Man werde aber auch gegenüber Spekulation wachsam sein.
Allerdings ging laut der Finanznachrichtenagentur „Bloomberg“ der Preis gleich nach der heutigen Ankündigung seitens der Gazprom steil nach oben. In Österreich haben einige Haushaltskundinnen und -kunden sogenannte Floater-Tarife, die sich an den aktuellen Marktpreisen orientieren, wie ein Marktteilnehmer mitteilte. Aber auch für Industriekunden könnte es teurer werden: Diese zahlten oft den aktuellen Marktpreis.
Der europäische Gaspreis kletterte jedenfalls am Freitagabend in die Höhe – der richtungweisende Terminkontrakt TTF zur Auslieferung in einem Monat legte an der Börse in Amsterdam auf über 46 Euro je Megawattstunde (MWh) zu. Das entspricht dem höchsten Stand seit gut einem Jahr.
Die Auswirkungen für die österreichische Gasversorgung sollen sich jedenfalls in Grenzen halten, wie OMV-Chef Alfred Stern erst am Donnerstag gegenüber der APA versichert hatte. Denn der Konzern bereite sich seit drei Jahren auf dieses Szenario vor. Das alternative Gas komme aus Norwegen, aus eigener Produktion oder in Form von Flüssigerdgas per Schiff über Deutschland oder Italien. Und die Gasspeicher würden mit 95 Terawattstunden den heimischen Bedarf für mehrere Monate decken.
Auch ohne die Entscheidung des Schiedsgerichtes wäre die seit über 56 Jahren bestehende Kooperation wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres beendet worden: Denn Ende 2024 wäre der Transitvertrag zur Lieferung von russischem Erdgas über die Pipeline durch die Ukraine und die Slowakei nach aktuellem Stand ausgelaufen.
Durch alternative Bezugsquellen sei die Gasversorgung jedenfalls sichergestellt, bestätigte auch die E-Control in einer Aussendung Freitagabend. Die Versorgungslage werde von den zuständigen Stellen engmaschig beobachtet, ergänzte die Behörde.
Auch der niederösterreichische Versorger EVN beruhigt seine Kundinnen und Kunden. Nicht nur, dass die Speicher gut gefüllt seien, die EVN habe sich ebenfalls auf einen Lieferstopp seitens der Gazprom vorbereitet, teilte ein Sprecher des Versorgers der APA am Freitagabend mit. Ab 1. Jänner nächsten Jahres beziehe die EVN „ausschließlich zu 100 Prozent zertifiziertes Erdgas aus Österreich“.
Die Energie AG Oberösterreich sieht wegen des angekündigten Gaslieferstopps ebenfalls keinen Grund zur Beunruhigung, wie eine Unternehmenssprecherin der APA am Abend mitteilte. Die Gasspeicher seien „zu 95 Prozent voll“ und für die Haushaltskundinnen und -kunden seien auch „genug Reserven aufgebaut worden“. Für diese Heizperiode – bis April/Mai 2025 – „ist die Versorgungssicherheit gegeben“, erklärte sie.
„Wir wissen seit über zwei Jahren, wie fragil die Energiemärkte und die Versorgung mit russischem Gas sind“, sagte Wiens Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) laut Aussendung. „Daher habe ich Wien Energie den Auftrag gegeben, so rasch als möglich aus russischem Gas aus- und auf andere Quellen umzusteigen. Jetzt zeigt sich, dass wir mit dieser Voraussicht goldrichtig lagen.“ Denn Wien Energie habe bereits frühzeitig begonnen, die Gasversorgung zu diversifizieren. Und im September seien mit mehreren europäischen Handelspartnern entsprechende Verträge abgeschlossen worden.
Das Burgenland sei ebenfalls auf den Lieferstopp vorbereitet, teilten der Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Stephan Sharma, Chef der Burgenland Energie, in einer gemeinsamen Aussendung mit. „Es war ein zu erwartendes Szenario“, merkten beide an. Der Versorger habe bereits zu Jahresbeginn eine Gas-Taskforce eingerichtet, mit dem Ziel, die burgenländische Gasversorgung für diesen Winter zu sichern, so Sharma. Und das Land werde weiterhin den Wärmepreisdeckel beibehalten, um hohe Heizkosten abzufedern, ergänzte Doskozil.
„Das Vorgehen der russischen Gazprom beweist heute einmal mehr: Russland ist kein Partner“, teilte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einer ersten Stellungnahme mit. „Mit dem morgigen Tag endet aber auch eine Gefahr. Wenn wir keine russischen Lieferungen mehr beziehen, sind wir nicht mehr erpressbar“, ergänzte die Ministerin.
„Es ist genau das passiert, wovor wir Freiheitliche seit über einem Jahr warnen“, meinte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Stellungnahme. Bundeskanzler Nehammer freue sich, dass die Gasspeicher gefüllt sind. „Aber was kommt danach?“, fragt Hafenecker. „Die Regierung muss langfristige Energiesicherheit herstellen.“ Konkret bedeute dies „nicht nur, dass die Österreicher für ihre Wohnungen und Häuser, sondern auch die klein- und mittelständischen Betriebe sowie die Industrie eine gesicherte Energieversorgung zu einem leistbaren Preis vorfinden“.