„Ich glaube nicht, dass wir unmittelbar vor einem Anschlag waren. Aus meiner Sicht war es ein Auseinandersetzen mit dem Gedankengut des IS und eine Fantasie, die aber im Bereich der Fantasie geblieben ist“, sagte Anna Mair, die Verteidigerin des 14-Jährigen, im Gespräch mit der APA. Bezogen auf das dem Jugendlichen unterstellte beabsichtigte Umsetzen eines Terror-Akts meinte Mair, der 14-Jährige hätte „Gedanken darüber“ gehabt und „diese Gedanken aufgezeichnet“. Bei einer Hausdurchsuchung sei „eine Kinderzeichnung“ sichergestellt worden. Diese zeige „Züge, Geleise, kleine Männchen und die U6-Station am Westbahnhof“, sagte die Anwältin. „Aufgrund meines Eindrucks glaube ich aber, dass das eine Fantasie war. Wir sind weit weg von einer konkreten Umsetzung“, legte Mair dar.
Auf den 14-Jährigen war man nach APA-Informationen aufgrund eines Hinweises des deutschen Bundeskriminalamts gekommen. Die deutschen Ermittler hatten ein Besorgnis erregendes TikTok-Profil mit radikalislamistischen Inhalten entdeckt. Dieses Profil konnte dem 14-Jährigen zugeordnet werden. Daraufhin wurde die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) informiert, die weiter gegen den Verdächtigen ermittelte.
Der 14-Jährige wuchs in einem intakten Elternhaus auf und besuchte zum Zeitpunkt seiner Festnahme das letzte Pflichtschuljahr. Er hätte im kommenden Herbst eine Lehre beginnen wollen. Die Eltern – sie haben türkischen Wurzeln – seien „bestens integriert“ und „liberal eingestellt“, erklärte Verteidigerin Mair. Den Radikalisierungsprozess ihre Sohnes hätten sie nicht mitbekommen.
Dieser dürfte sich – ähnlich wie der Villach-Attentäter – ausschließlich online abgespielt und ebenfalls vorrangig über die Plattform TikTok stattgefunden haben. Im Anlassbericht der DSN heißt es, der 14-Jährige hätte sich im August 2024 zu radikalisieren begonnen. Dass er Moscheen besucht hätte oder in Kontakt mit anderen IS-Anhängern war, ist derzeit nicht bekannt. Allerdings bleiben diesbezüglich die Auswertungen des Handys des Schülers abzuwarten, das – neben anderen Geräten – sichergestellt wurde.
Der 14-Jährige befindet sich seit 12. Februar wegen Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr in U-Haft. Das teilte die Sprecherin der Landesgerichts, Christina Salzborn, auf APA-Anfrage mit. Der U-Haft-Beschluss ist rechtswirksam. Der 14-Jährige machte vor der Haftrichterin keine Angaben. Nächster Haftprüfungstermin ist der 26. Februar.
Die Festnahme erfolgte in Wien-Währing aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien. Gegen den 14-Jährigen – ein österreichischer Staatsbürger mit türkischen Wurzeln, so das Innenministerium – besteht demnach der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bzw. in einer kriminellen Organisation.
Ausgangspunkt waren Hinweise seitens des deutschen Bundeskriminalamts an die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), dass ein zunächst unbekannter Anhänger einer terroristischen Vereinigung auf mehreren TikTok-Profilen Stories und Videos mit islamistischem Gedankengut verbreitet hatte. Die Natur dieser Postings deutete darauf hin, dass es sich um einen Anhänger des IS handelt. Weitere Ermittlungen führten die DSN zur Identität des Posters. Die Staatsanwaltschaft ordnete daraufhin seine Festnahme an.
Bei der Festnahme hatte der 14-Jährige ein Messer mit einer Säge und einer fünf Zentimeter langen Klinge in seiner Hosentasche, so das Innenministerium. Neben der Festnahme ordnete die Anklagebehörde auch eine Hausdurchsuchung an. Die Ermittler fanden zahlreiche islamistische Bücher, handschriftliche Skizzen von Anschlägen mit Messern und Macheten auf einem Bahnhof und auf Polizisten. Weiters wurde eine handschriftliche Anleitung zur Herstellung von explosivem Material entdeckt, das als Zünder für eine Bombe dienen sollte, die ebenfalls noch herzustellen war.
Darüber hinaus fanden die DSN-Beamten im Kellerabteil der Wohnung Aluminiumrohre und Tischbeine sowie Panzertape in einem Versteck. Dieses Material hätte laut Innenministerium zum Bombenbau verwendet werden sollen. In einer Tasche wurden ein Kampfmesser mit 16,5 Zentimeter langer Klinge, ein weiteres Klappmesser mit einer Sieben-Zentimeter-Klinge und eine Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis entdeckt. Der 14-Jährige verweigerte bei der Erstvernehmung die Aussage.
Dass der Jugendliche den Westbahnhof im Visier hatte, geht aus den von ihm angefertigten Skizzen hervor, hatte das Innenministerium auf Anfrage der APA bestätigt. Wann der Anschlag geplant war, blieb noch unklar. Keine Angaben gab es auch, ob – und wenn ja, welche – der Jugendliche Kontakte in die organisierte Jihadistenszene hatte. „Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen“, sagte ein Sprecher von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) auf Anfrage der APA.
Das Innenministerium wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass die Verbreitung radikal-islamistischer Propaganda im digitalen Raum zunehme und „als Inspirationsquelle für terroristisch motivierte Taten“ diene. „Besonders gefährdet sind Jugendliche und junge Erwachsene, die über soziale Medien und geschlossene Online-Kanäle mit extremistischen Ideologien in Kontakt kommen“, hieß es in einer Aussendung des Ressorts. Auch sogenannte „Influencer Preacher“ würden mit Online-Auftritten ein breites Publikum erreichen – auch in Österreich -, die Täter agieren aber aus dem Ausland.
Zur gezielten Indoktrination nutzen Terrororganisationen „zunehmend eigene Computerspiele und Apps“, teilte das Ministerium mit. „Gleichzeitig erschweren verschlüsselte Kommunikationskanäle und rechtliche Hürden die Arbeit der Sicherheitsbehörden, die erst nach Sicherstellung eines Geräts auf relevante Inhalte zugreifen können.“ Die wachsende digitale Radikalisierung stelle somit „eine ernst zu nehmende Herausforderung für die innere Sicherheit in Österreich dar“, hieß es.
„Dieser Erfolg des Verfassungsschutzes zeigt die Wichtigkeit einer funktionierenden Terrorismusbekämpfung“, kommentierte der Direktor der DSN, Omar Haijawi-Pirchner, den verhinderten Anschlag. „Die Ermittlungsmethoden der Sicherheitsbehörden müssen aber ständig an die fortschreitende Digitalisierung angepasst werden, um weiterhin effizient arbeiten zu können.“