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news/APA/Sonntag, 19.01.25, 14:07:19

Waffenruhe im Gaza-Krieg beginnt mit Verzögerung

Im Gazastreifen hat die Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas mit Stunden Verspätung begonnen. Sie trete um 10.15 Uhr MEZ in Kraft, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mitteilte. Die Hamas habe die Liste mit den Namen von drei noch heute freizulassenden Geiseln übermittelt. Eigentlich hätte die Feuerpause schon um 7.30 Uhr MEZ beginnen sollen. Die Hamas hatte Israel jedoch bis dahin die Namen der Geiseln nicht mitgeteilt.
APA/APA/AFP (Themenbild)/EYAD BABA

Israel und die Hamas hatten sich unter Vermittlung Katars, Ägyptens und den USA auf eine Waffenruhe von zunächst 42 Tagen geeinigt. In der Zeit sollen 33 der 97 im Gazastreifen verbliebenen israelischen Geiseln gegen 1.904 inhaftierte Palästinenser ausgetauscht werden. Die erste Phase des Abkommens sieht auch eine schnelle Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln für die mehr als zwei Millionen Bewohner in Gaza vor, von denen nach UN-Angaben 90 Prozent unter Hunger leiden. Zudem muss sich die israelische Armee aus Bevölkerungszentren im Gazastreifen zurückziehen.

In Israel wird davon ausgegangen, dass 34 der Entführten vermutlich tot sind. Laut Israels Regierung ist die Freilassung der ersten drei Geiseln heute um 15.00 Uhr MEZ geplant. Dabei handelt es sich um die Zivilistinnen Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31), wie die Angehörigen der drei Geiseln bestätigten.

Es wird erwartet, dass die Hamas die drei Geiseln dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz übergibt, das sie dann zu einer Spezialeinheit der Armee im Gazastreifen bringt. Von dort sollen die Frauen für eine erste Untersuchung zu einer Armeeeinrichtung nach Israel in Gaza-Grenznähe und schließlich in eine Klinik gebracht werden. Im Krankenhaus sollen sie dann ihre Familien treffen.

Etwa zur gleichen Zeit sollen in Israel die ersten rund 90 palästinensischen Häftlinge freigelassen und von Sicherheitskräften entweder ins besetzte Westjordanland oder nach Gaza gebracht werden. Ob es wegen des verzögerten Beginns der Waffenruhe bei dem Zeitplan bleibt, blieb unklar.

Aus Protest gegen die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas erklärte Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir nach Medienberichten seinen Rücktritt. Damit verlasse auch seine Partei Otzma Yehudit, die über sechs von 120 Sitzen in der Knesset verfügt, die Regierungskoalition. Die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu verliert damit aber nicht ihre Mehrheit im Parlament. Sie hat weiterhin 62 der 120 Sitze in der Knesset.

Nach Inkrafttreten der Waffenruhe im Gazastreifen trafen dort nach Angaben örtlicher Sicherheitskräfte erste Hilfslieferungen ein. Außerdem teilte das UN-Welternährungsprogramm WFP mit, Hilfe sei sowohl über den Grenzübergang Kerem Shalom im Süden als auch über Zikim im Norden in den Gazastreifen gebracht worden.

Arabischen Medienberichten zufolge waren knapp 200 Lastwagen auf dem Weg in das Palästinensergebiet. Auf Fernsehbildern waren bereits leere Lastwagen zu sehen, die nach Ägypten zurückkehrten, nachdem sie ihre Ladung im Transitbereich abgeladen hatten.

Die humanitäre Lage war in Gaza schon vor Kriegsbeginn im Oktober 2023 schlecht und hat sich durch Israels massive Bombardierungen dramatisch verschärft. Mehr als 90 Prozent der gut zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens leiden nach UN-Angaben starken Hunger. Es fehlt demnach zudem an Trinkwasser, Notunterkünften und Arzneimitteln.

Das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen UNRWA bereitete nach eigenen Angaben 4.000 Lastwagenlieferungen an Hilfsgütern für den Gazastreifen vor. Die Hälfte davon seien mit Lebensmitteln und Mehl beladen.

Die Unterstützung der Zivilbevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen mit lebenswichtigen Gütern gestaltete sich zuletzt schwierig. Neben Sicherheitsbedenken Israels und aufwendigen Überprüfungen der Ladung waren vor allem Plünderungen durch Bewaffnete im Gazastreifen ein großes Problem.

Während Israel auf die Liste mit den Namen der drei Geiseln wartete, setze die Armee ihre Angriffe fort. Artillerie und Luftwaffe hätten eine Reihe von „Terrorzielen“ im Norden und Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens attackiert, teilte die Armee mit. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes kamen im gesamten Küstenstreifen 19 Menschen ums Leben. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Armee äußerte sich zunächst nicht dazu.

Auslöser des Krieges war das Hamas-Massaker, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israel reagierte mit Angriffen auf die Hamas, bei denen nach palästinensischen Angaben mehr als 46.700 Menschen getötet wurden. Die unabhängig nicht prüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. Netanyahu hatte am Vorabend der Waffenruhe bekräftigt, Israel werde bei einem Scheitern des Abkommens die Kämpfe wiederaufnehmen und alle Kriegsziele durchsetzen, darunter die völlige Zerschlagung der Hamas.

Papst Franziskus hat sich für eine dauerhafte Waffenruhe in Nahost ausgesprochen. Die Waffenruhe solle respektiert werden, sagte er beim Angelus-Gebet am Sonntag. „Ich spreche allen Vermittlern meinen Dank aus: Das ist eine gute Arbeit, zu vermitteln, damit Frieden geschaffen werden kann“, so der Pontifex.

Der italienische Außenminister Antonio Tajani reist unterdessen am Montag nach Israel und nach Ramallah im Westjordanland. Die Waffenruhe sei noch „sehr zerbrechlich“ und müsse in „Frieden verwandelt“ werden, so Tajani laut Medienangaben. „Italien möchte ein Protagonist in diesem Friedensaufbau sein, so wie es das in der Vergangenheit auch war“, sagte Italiens Vize-Regierungschef weiter.