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news/APA/Mittwoch, 05.02.25, 11:31:52

Trump beansprucht Gaza – Breiter internationaler Widerstand

US-Präsident Donald Trump schockt mit einem neuen Vorstoß zum Nahost-Konflikt. "Die USA werden den Gazastreifen übernehmen", sagte Trump nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu im Weißen Haus in Washington. Die PLO lehnt eine Umsiedlung der palästinensischen Bevölkerung ab. Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas wies die Ankündigung von Trump zur Übernahme der Kontrolle im Gazastreifen als "rassistisch" zurück.
APA/APA/AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

„Wir werden ihn besitzen“, betonte Trump in Hinblick auf den Gazastreifen – und schloss nicht aus, zur Absicherung dieser Pläne im Zweifel auch US-Truppen dorthin zu schicken. Aus dem Gazastreifen könne so eine „Riviera des Nahen Ostens“ werden.

„Die palästinensische Führung bekräftigt ihre feste Position, dass die Zweistaatenlösung im Einklang mit internationaler Legitimität und dem Völkerrecht die Garantie für Sicherheit, Stabilität und Frieden ist“, erklärte der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation, Hussein al-Sheikh, auf X. Die PLO ist international als Vertretung des palästinensischen Volkes anerkannt. Sie wird von der gemäßigteren Fatah-Partei geführt, zu deren Rivalin sich die Hamas im Gazastreifen entwickelt hat.

Die „rassistische Haltung der Amerikaner“ decke sich „mit der Position der israelischen extremen Rechten“, die das palästinensische Volk vertreiben und die palästinensischen Anliegen beseitigen wolle, sagte Hamas-Sprecher Abdel Latif al-Kanu am Mittwoch.

Der türkische Außenminister Hakan Fidan bezeichnete die Äußerungen von Trump über die Übernahme des Gazastreifens als „inakzeptabel“. Es werde nur weitere Konflikte geben, wenn man die Palästinenser nicht in den Plänen mitdenke, sagt er der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Sollte Israel das Töten von Palästinensern beenden und deren Lebensbedingungen verbessern, könnte die Türkei über eine Korrektur des Abbruchs des Handels und der Abberufung des Botschafters aus Israel nachdenken.

Der Nahost-Konflikt ist nach Ansicht Russlands nur durch eine Zweistaatenlösung machbar. Der einzige Weg zur Lösung des Konflikts sei die Schaffung eines palästinensischen Staates neben Israel, sagte der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow. „Das ist die These, die in der entsprechenden Resolution des UN-Sicherheitsrates verankert ist.“ Dies sei auch die Ansicht der überwiegenden Mehrheit der in den Konflikt verwickelten Länder. Trumps Umsiedlungsidee sei zudem in den wichtigsten arabischen Hauptstädten auf Ablehnung gestoßen.

Auch China spricht sich gegen eine zwangsweise Umsiedelung der Bevölkerung des Gazastreifens aus. China hoffe, dass die Waffenruhe als Chance genutzt wird, die Lösung der palästinensische Frage auf den richtigen Weg zu bringen auf Grundlage einer Zweistaatenlösung, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking.

Die rund zwei Millionen Palästinenser, für die der Gazastreifen ihre Heimat ist, sollen nach Trumps Willen künftig in anderen arabischen Staaten der Region leben. Diesen Vorschlag vertritt der Republikaner bereits seit einer Weile und stößt damit auf viel Kritik. Dass er dies nun zu einer Geschäftsidee weiterdreht, dürfte große Proteste auslösen. Ebenso wie die Drohung, im Zweifel auch das Militär einzuschalten. Auf die Frage, ob er US-Truppen in den Küstenstreifen entsenden würde, um das Sicherheitsvakuum zu füllen, sagte Trump: „Wenn es notwendig ist, werden wir das tun.“

Der Gazastreifen ist ein 365 Quadratkilometer großes Gebiet am Mittelmeer zwischen Israel und Ägypten. Das abgeriegelte Küstengebiet, in dem schon vorher äußerst schwierige Lebensbedingungen für die Zivilbevölkerung herrschten, wurde im Krieg zwischen Israel und der Hamas in ein Trümmerfeld verwandelt. Auslöser des Krieges war ein verheerendes Massaker der Hamas, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israels Armee reagierte mit Angriffen auf die Terrorgruppe, die den Gazastreifen in Schutt und Asche legten.

Nach UN-Angaben wurden dort während des Krieges rund zwei Drittel aller Gebäude zerstört oder beschädigt. 90 Prozent der rund 2,1 Millionen Menschen im Gazastreifen wurden zu Binnenflüchtlingen. Nach palästinensischen Angaben, die von den Vereinten Nationen als glaubhaft eingestuft werden, wurden mehr als 47.000 Menschen getötet.

Nun schwärmt der US-Präsident und ehemalige Immobilienunternehmer Trump öffentlich, dass ausgerechnet dieses Gebiet immenses Potenzial für Wirtschafts- und Immobilienentwicklung habe. „Ich denke, das Potenzial des Gazastreifens ist unglaublich“, sagte er. Dort könnten künftig Menschen aus aller Welt leben. Das Ganze könne einfach „phänomenal“ und „großartig“ werden – und auch „für die Palästinenser wunderbar“.

Man werde sich darum kümmern, „alle gefährlichen nicht explodierten Bomben und andere Waffen auf dem Gelände zu beseitigen“ und es „einebnen“, um es dann wieder aufzubauen, führte Trump aus. Auf diese Weise sollten „eine unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet“ geschaffen werden.

Trump spricht sich schon länger dafür aus, den Gazastreifen komplett zu räumen und die dort lebenden Palästinenser in arabische Länder „umzusiedeln“: etwa nach Ägypten oder Jordanien. Die Umsiedlung von Menschen gegen ihren Willen wird als Zwangsumsiedlung oder Vertreibung bezeichnet.

Trump bemüht sich, es so darzustellen, als sorge er sich allein um das Wohlbefinden der Palästinenser. Er beschreibt das Küstengebiet als schlicht unbewohnbar. Alles dort sei zerstört. „Es ist unsicher, es ist unhygienisch. Es ist kein Ort, an dem Menschen leben wollen.“ Alles gleiche einem „Abrissgebiet“, sagte er. „Diese Gaza-Sache hat nie funktioniert.“ Der Gazastreifen sei nach gut 15 Monaten Krieg ein „elendes Loch“.

US-Außenminister Marco Rubio erklärte unterdessen auf X, der Gazastreifen müsse von Hamas befreit werden. Die USA stünden bereit, „um die Führung zu übernehmen und um den Gazastreifen wieder wunderschön zu machen“. Rubio verwendet dabei wörtlich die Formulierung „Make Gaza Beautiful Again“, eine Anspielung auf Trumps Wahlslogan „Make America Great Again“.

Der demokratische Senator Chris Van Hollen wertete den Plan als Ankündigung eines schweren Völkerrechtsbruchs. „Ich denke, wir müssen wiederholen, was der Präsident gerade gesagt hat“, sagte Van Hollen beim US-Sender MSNBC. „Er hat gerade gesagt, dass es die Politik der USA sein wird, zwei Millionen Palästinenser gewaltsam aus dem Gazastreifen zu vertreiben – so etwas nennt sich auch ethnische Säuberung.“ Trump eskaliere die angespannte Lage im Nahen Osten: „Was der Präsident hier tut, ist im Grunde, ein Streichholz in eine bereits äußerst volatile Region zu werfen“, sagte Van Hollen, der dem außenpolitischen Ausschuss des US-Senats angehört.

Die Idee einer Zwangsumsiedlung der Palästinenser sorgte bereits vor der denkwürdigen Pressekonferenz für viel Empörung. Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoß ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten. Die islamistische Hamas, die 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hatte, warf Trump „Rassismus“ vor und einen unverhohlenen Versuch, den Palästinensern ihre unveräußerlichen nationalen Rechte zu verweigern.

Vor allem aber die Menschen im Gazastreifen reagierten wütend auf Trumps Ansinnen, sie von dort zu vertreiben. Abdel Aziz Hana, ein Palästinenser aus Gaza, sagte: „15 Monate lang habe ich die Bombardierungen und Zerstörungen in Gaza-Stadt ertragen.“ Er habe Dutzende Verwandte und geliebte Menschen verloren, weil sie den Gazastreifen nicht hätten verlassen dürfen, erzählte der 49-jährige Vater von sieben Kindern, der in einem Zelt neben den Trümmern seines Hauses lebt. „Also wie kann so ein dummer Mann denken, dass wir unser Land verlassen werden?“

Ein anderer Einwohner namens Abu Mahmoud sagte, wenn Trump glaube, dass die Palästinenser ihr Land verließen, dann habe er Wahnvorstellungen. „Sie müssen uns erst umbringen“, sagte er, „weder unsere Füße noch unsere Herzen werden Gaza verlassen, selbst wenn wir darin getötet werden“. Die Wut dieser Männer war schon groß, bevor Trump seine Idee weitertrieb und Gaza öffentlich quasi als Badeort der Zukunft anpries. Nun dürfte sie noch wachsen.

Trumps Vorstoß erinnert an eine Äußerung seines Schwiegersohnes Jared Kushner, der das Küstengebiet des Gazastreifens vor einem Jahr als „sehr wertvoll“ bezeichnete. Der Ehemann Ivanka Trumps schlug vor, palästinensische Zivilisten vorübergehend umzusiedeln, um dort „aufzuräumen“. Kushner war während Trumps erster Amtszeit dessen Nahost-Berater und knüpfte enge Bünde zu wichtigen Akteuren in der Region. Kritiker weisen darauf hin, dass Kushner, der in der Immobilienbranche tätig ist, wirtschaftliche Ambitionen im Nahen Osten hat – und zugleich weiter eine einflussreiche Stimme in Trumps Umfeld ist.

Unterstützung für seine Gaza-Pläne bekommt Trump vom israelischen Premier. „Er sieht eine andere Zukunft für dieses Stück Land, das der Ursprung von so viel Terrorismus war“, sagte Netanyahu bei dem gemeinsamen Auftritt mit Trump. „Das ist etwas, das die Geschichte verändern könnte.“ Netanyahu schwärmte generell über Trumps Abkehr von „konventionellen Denkweisen“ und dessen „frische Ideen“.

Für Netanyahu, der wegen der Kriegsführung im Gazastreifen international stark in die Kritik geriet, ist Trumps Rückkehr ein Segen. Der Republikaner empfing ihn als ersten ausländischen Gast seit seinem Amtsantritt. Eine solche Einladung direkt zu Beginn der Amtszeit ist eine starke Geste der Unterstützung für den rechten Ministerpräsidenten, der auf nationaler und internationaler Ebene in den vergangenen Monaten sehr in Bedrängnis geraten ist.

Der frühere israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, forderte Netanyahu auf, die von Trump vorgeschlagene Räumung des Gazastreifens umgehend umzusetzen. Das sei die einzige Lösung, schreibt der ultrarechte Politiker auf X. Ben Gvirs Partei Jüdische Kraft setzt sich für jüdische Siedlungen im Gazastreifen ein. Er und zwei weitere Minister seiner ultranationalistischen Partei hatten im Jänner die Regierung aus Protest über die Vereinbarung für eine Waffenruhe mit der Hamas verlassen.

Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels. Trumps Vorgänger Joe Biden hatte zwar trotz der zunehmenden Kritik am Vorgehen in Gaza zu Israel gehalten, gegenüber Netanyahus Regierung aber deutlich schärfere Töne angeschlagen. Das Verhältnis zwischen Biden und Netanyahu war angespannt und der demokratische US-Präsident ging zeitweise auffallend auf Distanz zu dem Israeli. Trump dagegen ist als enger Verbündeter Netanyahus bekannt.

Bereits in seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) hatte Trump eine Reihe einseitig proisraelischer Entscheidungen getroffen und damit die Palästinenser gegen sich aufgebracht. Seine Positionierung in der Nahost-Politik war bisher also recht vorhersehbar. Doch Trumps neuen Vorstoß haben wohl selbst seine größten Kritiker nicht kommen sehen.