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news/APA/Sonntag, 26.01.25, 11:30:51

Tödlich-fulminanter Ballettabend: Das „KaiserRequiem“

Mozarts "Requiem" für die Toten traf gestern Abend in der Wiener Volksoper auf Viktor Ullmanns "Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung", eine bitter-sarkastische Einakter-Oper, die der österreichische Komponist im KZ Theresienstadt komponierte. Andreas Heise erweiterte den Abend um den Faktor Tanz. Die das "KaiserRequiem" getaufte Vermählung von Omer Meir Wellber erwies sich als eine gelungene Komposition aus strengem Ballett und Brecht'schem Puppentheater.
APA/APA/Wiener Staatsballett/Taylor/Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Ein ebenso absurder wie tröstender Gedanke setzte den gestrigen musikdramatischen Ballettabend in Gang: Der Tod streikt! Viktor Ullmann, ein österreichischer Jude, der die kurzweilige Oper nach einem Libretto des Dichters Peter Kien schrieb, träumte im Konzentrationslager davon, dass der Tod seinen Dienst quittiert (er wurde später in Auschwitz ermordet). Das Premierenpublikum, das beinahe mit religiöser Ehrfurcht lauschte, träumte achtzig Jahre nach Entstehung vielleicht von ähnlichen Dingen. Natürlich ohne Hitler und die Nazis, aber gegen einen populistischen Geist, der noch immer da ist.

Die Klangfläche des Prologs bereitet die Bühne, auf der mit dem markanten Trompetenmotiv die Oper mit dem „Teufel in der Musik“ beginnt, einem Tritonus, der sich leitmotivisch durch das Stück zieht. Der Saal ist noch dunkel, der Vorhang zu. „Hallo, hallo!“ ertönt es aus dem Lautsprecher. Es ist „der Sprecher, den man nicht sehen, sondern nur hören kann“. Die Stimme stellt die Figuren vor, die an diesem Abend immer auch von getanzten Alter Egos des Wiener Staatsballetts wie Schatten umgarnt werden.

Wir sind an keinem bestimmten Ort gelandet, aber das Bühnenbild und auch die modernen, grauschattierten Kostüme (beides von Sascha Thomsen) erinnern unweigerlich an Gefangenschaft – von den grünen Neonstreifen einmal abgesehen. Auf der Bühne der Volksoper steht eine Wand aus grauem Beton. Beginnend mit den mutlosen Bässen singt der von Roger Díaz-Cajamarca einstudierte Chor „Requiem aeternam dona eis, Domine“ – „Gib ihnen ewige Ruhe, oh Gott.“ Dann ein flüchtiger Moment musikalischer Hoffnung. In einer Vertonung der Phrase „Et lux perpetua luceat eis“ – „Und möge ewiges Licht auf sie scheinen“.

Für die Volksoper hat der charismatische Dirigent Omer Meir Wellber eine ungewöhnliche Verschränkung von Ullmanns knapp sechzigminütiger Kammeroper mit Wolfgang Amadeus Mozarts „Requiem d-Moll“ unternommen. Aus dem Graben fliegen an diesem Abend dann auch immer wieder heftig die Hände in die Luft. Der ehemalige Musikdirektor der Volksoper, der im Sommer die Musikagenden an der Hamburgischen Staatsoper übernimmt, hat die beiden Kompositionen so perfekt verschmolzen, dass Mozart und Ullmann fast wie Zeitgenossen wirken.

Daniel Schmutzhard, ein ausgezeichneter Kaiser Overall mit Bassbariton, wird eigentlich nur von seinem tanzenden Gefährten Gabriele Aime übertroffen. Der Tyrann lässt den „Krieg aller gegen alle“ ausrufen. Da ekelt sich sogar der in Schwarz gehüllte, sonore Tod von Josef Wagner (großartig gefühlvoll auch sein Alter Ego Martin Winter), der wohl nicht zufällig wie der Rächer aus Alan Moores Comic „V“ aussieht, ein Anarchist, der sich im Alleingang gegen den Faschismus auflehnt. Sein Streik löst Chaos aus, und der Kaiser verliert seine Macht. Die Mezzosopranistin Wallis Giunta ist ein wunderbarer „Trommler“. Tenor Seiyoung Kim ist der Harlekin, „der weiß, wie man unter Tränen lacht“. JunHo You ist „ein Soldat“ und dann gibt es noch ein Mädchen (Rebecca Nelsen), einfach nur „Bubikopf“ genannt.

Der Tanz des Wiener Staatsballetts, besonders der Solisten und Solistinnen, ist so mitreißend und plastisch, dass sich die Gefühle und die Geschichte klar vor den Augen der Zuschauer entspinnen. Es gibt eine sehr klare, harte und eckige Bewegungssprache, die für das Kaiserregime steht. Die Bewegungen sind linear, streng, und sehen fast wie Ticks aus. Choreograf und Regisseur Andreas Heise setzt oft den Spitzenschuh ein und lässt auch die Männer auf Spitze tänzeln.

Auch musikalisch gibt es viel zu entdecken hier: ein verfremdetes Deutschlandlied, ein Spiel mit Schönbergs Zwölftontechnik, Kurt Weill’sche Melodien, Trommelwirbel, und Elemente von Jazz und George Gershwin. Vieles wird in Erinnerung bleiben, aber der männliche „Pas de deux“ zwischen Tod und Leben gehört zu den poetischsten Dingen des Abends. Denn, so die Moral der Geschichte: Wir brauchen den Tod. Der Tod, der lauert und sich „auf den schmerzhaften Spuren“ einnistet, weil er zugleich „das größte Fest der Freiheit“ ist. Schmutzhards Kaiser, jetzt fast nackt, gibt auf, um die Ordnung des Lebens wiederherzustellen, bevor der Chor ein letztes Mal zum Lacrimosa ansetzt. „Schenke ihnen Ruhe.“ Amen.

(Von Marietta Steinhart/APA)

(S E R V I C E – „Das Kaiserrequiem“ von Omer Meir Wellber in der Volksoper, Wien 18. Musikalische Fassung: Omer Meir Wellber, Musikalische Leitung: Omer Meir Wellber / Keren Kagarlitsky, Regie & Choreographie: Andreas Heise, Bühne & Kostüme: Sascha Thomsen, Licht: Johannes Schadl, Soundinstallation & Szenische Assistenz: Kian Jazdi, Choreinstudierung: Roger Díaz-Cajamarca, Dramaturgie: Anne do Paço. Weitere Vorstellungen am 27.1., 2.2., 5.2., 8.2., 19.2., 26.2., 3.3. und am 5.3. )