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news/APA/Dienstag, 03.12.24, 19:32:23

Südkoreas Parlament stimmt für Aufhebung des Kriegsrechts

Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol hat erstmals seit über 40 Jahren das Kriegsrecht ausgerufen. Er warf der Opposition vor, Handlanger des kommunistischen Nordens zu sein. Um die freie und verfassungsmäßige Ordnung zu schützen, habe er keine andere Wahl als das Kriegsrecht auszurufen, sagte der Politiker der konservativen Volksmacht-Partei (PPP) in einer TV-Ansprache am späten Dienstagabend (Ortszeit). Das Parlament selbst stimmte umgehend für eine Aufhebung des Kriegsrechts.
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Der Vorsitzende des Parlaments erklärte den Schritt Yoons für ungültig. Sowohl Oppositionsführer Lee Jae-myung als auch der Chef von Yoons eigener Partei, Han Dong-hoon, erklärten das Kriegsrecht für verfassungswidrig.

Der Präsident warf der Opposition vor, den parlamentarischen Prozess in Geiselhaft genommen zu haben, um das Land in eine Krise zu stürzen. Er erkläre das Kriegsrecht, um Südkorea „vor der Bedrohung durch nordkoreanische kommunistische Kräfte zu schützen und die verabscheuungswürdigen pro-nordkoreanischen, anti-staatlichen Kräfte auszurotten“. Konkrete Bedrohungen durch Nordkorea führte er nicht auf. Er erläuterte auch nicht, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Das Militär erklärte, dass die Arbeit des Parlaments und von Parteien verboten seien. Medien und Verlage würden der Kontrolle des Kriegsrechtskommandos unterstellt. Zuletzt wurde in Südkorea 1980 das Kriegsrecht verhängt.

Kurz nach Yoons Ansprache versammelten sich mehrere Menschen vor dem Parlamentsgebäude. Einige riefen „Zieh das Kriegsrecht zurück“, andere „Verhaftet Yoon Suk-yeol“. In Live-Berichterstattungen im Fernsehen war zu sehen, wie Soldaten sich bemühten, in das Parlamentsgebäude vorzudringen. Mitarbeiter versuchten sie aufzuhalten, unter anderem mit dem Versprühen von Feuerlöschern.

Yoons Vorgänger von der Demokratischen Partei, Moon Jae-in, warnte vor einer Gefahr für die Demokratie. Er setze auf schnelles Handeln des Parlaments, um die Demokratie vor dem Zerfall zu wahren. „Ich fordere das Volk auf, seine Kräfte zu bündeln, um die Demokratie zu schützen und zu retten und dazu beizutragen, dass die Nationalversammlung normal funktionieren kann“, schrieb er auf der Plattform X.

Die Opposition verfügt im Parlament über die Mehrheit. Die Demokratische Partei (DP) konnte bei der Wahl im April ihre Position festigen, womit sich die Lage für Yoon deutlich verschlechterte. Seine Möglichkeiten in der ihm verbliebenen Amtszeit bis 2027 Gesetze durchzusetzen, sind begrenzt. Für Unruhe sorgte in dieser Woche die Beantragung der DP, einige der ranghöchsten Staatsanwälte des Landes des Amtes zu entheben. Zudem forderte sie die Ablehnung eines Haushaltsentwurfs der Regierung. Das Budget müsse um mehr als vier Billionen Won (2,65 Milliarden Euro) reduziert werden. Yoon erklärte, dies untergrabe die grundlegende Funktionsfähigkeit der Regierung.

Nach der Verhängung des Kriegsrechts verlor die Landeswährung Won gegenüber dem Dollar stark an Wert. Ein Vertreter der Zentralbank kündigte Maßnahmen an, um den Markt bei Bedarf zu stabilisieren. Finanzminister Choi Sang-mok habe eine Krisensitzung der höchsten Wirtschaftsvertreter einberufen, teilte sein Sprecher per SMS mit.

Die USA äußerten sich besorgt über die Vorgänge in Südkorea. Vize-Außenminister Kurt Campbell äußerte die Erwartung, dass etwaige politische Streitigkeiten friedlich und im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit gelöst würden. Präsident Joe Biden, Sicherheitsberater Jake Sullivan und Außenminister Antony Blinken würden über die Entwicklung auf dem Laufenden gehalten. Die Beziehung zu Südkorea habe Bestand, die USA stünden dem Land zur Seite.

In Südkorea sind 28.500 US-Soldaten stationiert, um den Verbündeten gegen die Atommacht Nordkorea zu beschützen. Der Korea-Krieg auf der Halbinsel dauerte von 1950 bis 1953 und endete mit einem Waffenstillstand. Faktisch befinden sich die beiden koreanischen Staaten noch im Kriegszustand. In seiner frühen Phase hatte Südkorea zwar eine Reihe autoritärer Regierungen, seit den 1980er Jahren gilt es jedoch als demokratisch.