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news/APA/Dienstag, 11.02.25, 15:57:18

Rätselraten um Koalitionsgespräche nach scharfer ÖVP-Kritik

Die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sind am Dienstag im Parlament fortgesetzt worden. Kritische Stimmen aus den Reihen der ÖVP ließen den Tag über vermehrt Zweifel an einem erfolgreichen Abschluss aufkommen. Offiziell herrschte am Nachmittag Stillschweigen. Am Nachmittag werden FPÖ-Chef Herbert Kickl und ÖVP-Obmann Christian Stocker in der Hofburg erwartet.
APA/ROLAND SCHLAGER

Laut „Profil“ sollen die beiden Parteichefs einen Termin bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen haben. Aus der Hofburg gab es dazu auf APA-Anfrage keine Bestätigung. Am Nachmittag waren die Pressesprecher beider Parteien auf Tauchstation. Auch die Frage, ob die gegen Mittag begonnene Gesprächsrunde überhaupt noch andauerte, blieb unbeantwortet.

Beim Eintreffen im Parlament hatten sich die Chefverhandler jedenfalls versöhnlich gezeigt. Die Verhandlungen gingen selbstverständlich weiter, meinte ÖVP-Chef Christian Stocker. FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach von „fünf guten Jahren“, die man bescheren wolle.

Weder Kickl noch Stocker ließen sich vor Beginn der Runde in die Karten schauen. Das Innenministerium sei „ein wichtiges Ressort“ und eine freiheitliche Kernkompetenz, „mit dieser Einstellung gehen wir in die Verhandlungen“, sagte Kickl auf die Frage, ob seine Partei auf dem von beiden Seiten beanspruchten Ministerium beharren werde. Es gehe um die inhaltliche Basis, daraus würden sich auch die Ressortverantwortlichkeiten ableiten, meinte sein Verhandlungsgegenüber von der ÖVP Stocker. Kickl erinnerte daran, dass man seit drei Monaten höre „nicht weiter wie bisher“ und genau an dem orientiere er sich.

Scharfe Töne kamen am Dienstag von WKÖ-Präsident Harald Mahrer und ÖVP-EU-Mandatar Reinhold Lopatka. Wirtschaftskammer-Chef Mahrer als einer der maßgeblichen ÖVP-Verhandler stellte der FPÖ noch vor Gesprächsbeginn die Rute ins Fenster: „Wer nicht konsensbereit ist, und sich nur im Machtrausch befindet, der ist möglicherweise nicht regierungsfit“, wurde er in der „Krone“ zitiert. In der FPÖ wollte man das auf APA-Anfrage nicht kommentieren.

Kritik kam auch vom Obmann der Wiener Volkspartei, Karl Mahrer. „Meine kritische Haltung zu Herbert Kickl hat sich zuletzt erneut bestätigt“, sagt er zum „Standard“. „Kickl will offenbar keine stabile und handlungsfähige Regierung – er setzt auf totale Kontrolle und Macht. Wir setzen auf Verantwortung. Herbert Kickl muss sich endlich klar werden, was er möchte – sonst scheitert er.“ ÖVP-EU-Delegationsleiter Lopatka hält einen Einigung auf eine Koalition mittlerweile für „sehr, sehr unwahrscheinlich“, sagte er gegenüber der „Kleinen Zeitung“. Er sieht seitens der FPÖ keine Bereitschaft für einen pro-europäischen Richtungswechsel: „Da hat es wenig Sinn, noch weiter zu tun.“

Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner wandte sich am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz in St. Pölten an Kickl. „Wenn ich Bundeskanzler dieser Republik werden will, dann ist das auch eine ganz große Verantwortung. Mit dieser Verantwortung verbunden ist natürlich auch die Kompromissfähigkeit und vor allem auch die Fähigkeit, Brücken zu bauen, um Kompromisse und gemeinsame Zugänge zu schaffen.“ Die SPÖ wiederum habe „retrosozialistische Forderungen“ erhoben und ÖVP und NEOS bei den Dreierkoalitions-Gesprächen „vom Verhandlungstisch gedrängt“. Dass man nun vorgebe, die Hand sei ausgestreckt, „das scheint mir unglaubwürdig zu sein“, befand Mikl-Leitner. Eine von den NEOS aufs Tapet gebrachte Option einer Minderheitsregierung stelle sich aktuell aufgrund der laufenden Regierungsverhandlungen nicht.

Der Kärntner ÖVP-Landesparteiobmann Martin Gruber betonte gegenüber dem ORF, dass niemand vom Verhandlungstisch aufgestanden sei: „Es gibt ganz klare rote Linien vonseiten der ÖVP – wenn es Bewegung gibt von der FPÖ, dann ist eine Zusammenarbeit möglich.“

Am Vorabend hatten sich die Chefverhandler nach tagelangen Querelen erstmals wieder zusammengesetzt. Die ÖVP übergab dabei der FPÖ ein zweiseitiges Papier mit „Grundlinien“, die außer Streit gestellt werden sollten, etwa eine klare europäische Positionierung. Ob der Termin Fortschritte bei den strittigen Fragen – allen voran die Besetzung des Innenministeriums – gebracht hat, blieb offen.

Nach dem rund 90 Minuten langen Treffen am Montagabend hatten die Chefverhandler den Besprechungsraum im Parlament ohne Kommentar für die wartenden Journalisten durch den Hinterausgang verlassen. Dem Vernehmen nach soll die Stimmung bei der kurzen Sitzung besser gewesen sein als zuletzt, auch wenn von einem Durchbruch zumindest noch keine Rede war. Die ÖVP war dem Vernehmen nach zuletzt vor allem wegen inhaltlicher Differenzen äußerst skeptisch.

In dem von der ÖVP an den Verhandlungspartner übermittelten Papier mit dem Titel „Gemeinsame Grundlinien außer Streit stellen“, das auch der APA vorliegt, werden für die ÖVP zentrale Punkte erörtert. Diese Themenbereiche und Positionen seien für „jede österreichische Bundesregierung – unabhängig von Partei und Ideologie – wesentlich“, heißt es darin.

Eine „klare proeuropäische Positionierung und internationale Zusammenarbeit“ wird darin als „Grundlage der Bundesregierung“ genannt. Um mit „einer Stimme in Europa“ zu sprechen, müssen die Positionen Österreichs innerhalb der Bundesregierung „gemeinsam koordiniert“ und dann entsprechend in den EU-Gremien umgesetzt werden, heißt es darin.

Als weitere „Grundlinie“ wird unter anderem eine Verurteilung des russischen Angriffskriegs genannt. Die Bundesregierung „sieht Russland als Bedrohung, besonders für Europa“. Auch müsse die Regierung auf internationale Kooperationsmöglichkeiten setzen sowie auf eine „Stärkung der Resilienz Österreichs“ gegen die Einflussnahme aus dem Ausland. Dies betreffe insbesondere Spionage, Desinformation und Einflussnahme auf demokratische Wahlen.

Auch die „Rechtsstaatlichkeit“ wird betont. Grundlage sei die Rechtsordnung, insbesondere die österreichische Verfassung und die Gesetze, aber auch die EMRK, die EU-Verträge, sowie die Rechtsprechung der Gerichtshöfe wie dem VfGH, EGMR und EuGH. Hier zielt die ÖVP wohl auf kolportierte Wünsche der FPÖ ab, wonach EU-Recht nicht in Form der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH-Vorrang vor nationalem Recht haben soll. Auch solle die Bundesregierung „effektive Maßnahmen gegen Fake-News und Desinformation“ setzen – auch dieser Punkt war laut durchgedrungenen Verhandlungsprotokollen bis zuletzt offenbar Streitpunkt.

In Sachen Sicherheit fordert die Volkspartei auch die „neutralitätskonforme“ Verteidigung des Luftraums gegen Raketen und Drohnen. Genannt wird von der Volkspartei hier explizit die geplante europäische Einkaufsplattform „Sky Shield“, gegen die sich die FPÖ bis zuletzt vor allem mit Verweis auf Neutralitätsbedenken ausgesprochen hatte. Auch die Notwendigkeit der international „uneingeschränkten“ Zusammenarbeit der Geheimdienste wird als „oberste Priorität“ genannt.

Ein klares Bekenntnis und geeignete Maßnahmen werden auch bezüglich der Abgrenzung gegen politische und religiöse Extreme gefordert – dies gelte für Linksextremismus, Rechtsextremismus oder religiös motivierten Extremismus wie dem politischen Islam, gleichzeitig wird der Schutz von Minderheiten betont. Wohl auf Wohlwollen der FPÖ stoßen dürfte der Punkt, wonach vorübergehend keine neuen Asylanträge mehr angenommen werden sollen und der Familiennachzug ausgesetzt werden soll, um einer „Überforderung“ zu begegnen.