„Dies wird es den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre Verteidigungsausgaben erheblich zu erhöhen“, sagte von der Leyen bei der Sicherheitskonferenz. Außerdem warnte sie vor einem Sieg Russlands in der Ukraine. „Eine geschlagene Ukraine würde Europa schwächen, aber sie würde auch die Vereinigten Staaten schwächen.“ So könnten unter anderem die Probleme im indopazifischen Raum zunehmen.
Überschattet von der neuen Richtung der US-Regierung im Ukraine-Konflikt und in Nahost treffen führende Politiker und Diplomaten von Freitag bis Sonntag in München zusammen. Zu dem wichtigsten sicherheitspolitischen Expertentreffen haben sich neben dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und von der Leyen mehr als 60 Staats- und Regierungschefs und über 100 Minister angesagt.
Vor dem Treffen ist unerwartet Bewegung in mögliche Verhandlungen über eine Friedenslösung im Ukraine-Krieg gekommen. US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch ein eineinstündiges Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin geführt, ohne sich im Voraus mit den Europäern abzustimmen. Im Anschluss erklärte Trump, er habe mit diesem einen „unverzüglichen“ Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart. Dies weckte bei westlichen Verbündeten die Befürchtung, die Ukraine wie auch die europäischen Partner würden von den Ukraine-Gesprächen ausgeschlossen. Später stellte die US-Regierung klar, dass Kiew an den Gesprächen beteiligt werden solle. Die USA wollen, dass europäische Staaten die militärische und finanzielle Hauptlast bei der künftigen Absicherung der Ukraine tragen.
„Autoritäre Regime auf der ganzen Welt beobachten genau, ob man ungestraft davonkommt, wenn man Nachbarn überfällt und internationale Grenzen verletzt oder ob es eine echte Abschreckung gibt“, sagte von der Leyen. Deshalb sei es nun so wichtig, das Richtige zu tun. Die Ukraine und Europa bräuchten einen „Frieden durch Stärke“, sagte sie. Europa und die USA könnten „gemeinsam sicherstellen, dass ein dauerhafter und gerechter Frieden erreicht wird“. Aber klar sei auch, dass die Europäer für ihre Verteidigung „deutlich mehr ausgeben“ müssten.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte zuvor in seiner Eröffnungsrede den internationalen Partnern ungeachtet der kurz bevorstehenden Bundestagswahl Verlässlichkeit und Stabilität zugesagt. „Auf Deutschland ist Verlass. You can count on us“, erklärte er. Gleichzeitig warf er der US-Regierung Rücksichtslosigkeit vor: „Die neue amerikanische Administration hat ein anderes Weltbild als wir. Eines, das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf gewachsene Partnerschaft und Vertrauen“, sagte er und warnte: „Regellosigkeit darf nicht zum Leitbild für eine Neuordnung der Welt werden.“
Zuvor hatte sich US-Vizepräsident J.D. Vance für eine Beteiligung der Europäer an den Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine ausgesprochen. Auf eine entsprechende Frage eines Journalisten am Freitag sagte Vance: „Sicher sollten sie das. Natürlich.“
Mit besonderem Interesse wurde am Freitagnachmittag die Rede von US-Vizepräsident Vance erwartet. Vance sprach darin jedoch nicht über den Krieg in der Ukraine, sondern mehr über die Demokratie in Europa. Kurz vor seinem Auftritt schloss Vance im Hinblick auf mögliche Verhandlungen zur Zukunft der Ukraine „militärischen Druck“ nicht aus. US-Präsident Donald Trump werde nicht „mit Scheuklappen an die Sache herangehen“, sagte Vance dem „Wall Street Journal“ in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Um Druck auszuüben, „gibt es wirtschaftliche Druckmittel, es gibt natürlich auch militärische Druckmittel“, fügte er hinzu. „Alles liegt auf dem Tisch.“
Der Kreml zeigte sich daraufhin irritiert. Vor allem die Erwähnung des Militärischen sei „ein neues Element“, sagte der Sprecher des Präsidialamts in Moskau, Dmitri Peskow. „Wir haben solche Formulierungen bisher nicht gehört, sie wurden bisher nicht geäußert.“ Daher hoffe er, dass Russland bei weiteren Kontakten zur US-Regierung „eine zusätzliche Klarstellung“ darüber erhalten werde.
Chinas Außenminister Wang Yi warnte die USA vor Versuchen, sein Land beschneiden zu wollen. Dies würde ein entschlossenes Handeln Chinas provozieren, sagte Wang in München. China werde seine Souveränität, seine Würde und sein Recht auf Entwicklung hochhalten und ein „unilaterales Mobbing“ nicht akzeptieren. Wang mahnte, Konflikte im Dialog zu lösen. Sanktionen und Gewalt könnten Probleme nicht beseitigen. Zu Russland unterhalte China normale Beziehungen wie zu anderen Ländern auch. Mit Blick auf russische Gaslieferungen sagte Wang, er sehe keinen anderen Partner, der China derart viel Gas liefern könnte.
Chinas Außenminister betonte weiters, sein Land setze sich für eine multipolare Welt ein und werde in dieser eine konstruktive Rolle spielen. China halte es für wichtig, dass internationale Regeln eingehalten würden, sagte Wang auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Auch die territoriale Integrität von Staaten müsse gelten, sagte Wang und nannte im Hinblick auf Taiwan dabei auch die Wiedervereinigung Chinas.
Der US-Außenminister Marco Rubio musste unterdessen eine Panne einstecken. Nach der Umkehr seines Flugzeugs wegen mechanischer Probleme reist Rubio in einer kleineren Maschine nach München. Wie das US-Außenministerium am Freitag mitteilte, trat der Minister erneut den Weg nach Europa an – allerdings ohne Journalisten an Bord. Zuvor war die Maschine, mit der Rubio eigentlich hatte fliegen wollen, abrupt gewendet und wieder zurück zum Militärstützpunkt Andrews Air Force Base außerhalb Washingtons zurückgekehrt, wie ein begleitender Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete.
Rubio sollte bei der Konferenz unter anderen Selenskyj treffen. Danach sollte er nach Israel, Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate weiterreisen, um die zuletzt auf der Kippe stehende Geisel-Freilassung und die Waffenruhe im von der islamistischen Hamas beherrschten Gazastreifen zu besprechen.
Aus Österreich nimmt Interimskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) ab Freitag an der Münchner Sicherheitskonferenz teil. Er will dort über ein Dutzend bilateraler Gespräche führen, darunter auch mit dem US-Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg. Der Außenminister werde auch seine Kollegen aus China (Wang Yi), Indien (Subrahmanyam Jaishankar), der Türkei (Hakan Fidan), Saudi-Arabien (Faisal Al-Saud) und Jordanien (Ayman al-Safadi) treffen, hieß es im Vorfeld aus dem Kanzleramt.
Zur Ukraine bekräftigte Schallenberg im Vorfeld: „Keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine. Und keine Gespräche über die Sicherheit Europas ohne die EU und europäische Staaten.“ Für einen gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden brauche es den Rückhalt der internationalen Staatengemeinschaft, betonte Schallenberg. Es sei in den vergangenen Wochen Bewegung in lange Zeit verfahrene internationale Konflikte gekommen. Die Sicherheitskonferenz sei eine gute Gelegenheit, diese Dynamik in eine positive Richtung zu lenken. „Vor allem wir Europäer müssen es schaffen, Sicherheit zu exportieren, damit wir nicht Gefahr laufen, Unsicherheit zu importieren.“