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news/APA/Montag, 10.02.25, 13:17:56

Material-Fakes aus Wachs: KHM zeigt Daniel Neuberger

Kaum ist die große Herbstschau über die Illusionisten Rembrandt und Hoogstraten zu Ende gegangen, widmet sich das Kunsthistorische Museum einem weiteren Virtuosen der Täuschung. Daniel Neuberger heißt der Mann, der Mitte des 17. Jahrhunderts mit seinen Materialimitaten aus Wachs, die er für seine oft nur Zentimeter kleinen Plastiken verwendete, am Wiener Kaiserhof für Furore sorgte. Bald geriet er in Vergessenheit. Das KHM lädt nun zur Wiederentdeckung in die Kunstkammer.
APA/APA/KHM-Museumsverband

Neuberger (1621-1680) stammte aus einer Augsburger Wachsbossierer-Familie. Er kam 1650 als 29-Jähriger nach Wien und blieb bis 1663, um für Kaiser Ferdinand III. und dessen Söhne Ferdinand IV. und Leopold I. tätig zu sein. „Er hat hier eine Technik entwickelt, für die er berühmt geworden ist. Denn er konnte mit Wachs Dinge machen, die schier unmöglich schienen“, erklärte Paulus Rainer, Mitglied des vierköpfigen Kuratorenteams, am Montag im Rahmen einer Presseführung.

Die Meisterschaft dieses für damalige Verhältnisse äußerst gut bezahlten Künstlers bestand darin, unterschiedliche Materialien mit Wachs zu imitieren. Nicht umsonst heißt die Ausstellung „Wachs in seinen Händen. Daniel Neubergers Kunst der Täuschung“. Es ist eine in räumlicher Hinsicht recht bescheidene Präsentation – was zum einen daran liegt, dass die Werke meist Miniaturformat haben und andererseits nicht allzu viele davon die Jahrhunderte überdauert haben. Mit 15 Arbeiten zeige man rund drei Viertel des heute bekannten Oeuvres, so Rainer.

Was etwa Rembrandt und Hoogstraten in Sachen augentäuschendem Realismus auf dem Gebiet der Malerei schufen, übertrug Neuberger auf die Bildhauerei. Erstaunlich, wie naturgetreu er für seine Plastiken Haut, Haare, Stoffe oder Edelsteine aus Wachs modellierte. Durch Beimengung von Zusatz- und Füllstoffen konnte er außerdem Metall- und Steinreliefs sowie Elfenbein- und Holzschnitzereien faken bzw. so gestalten, wie es mit den „echten“ Materialien zur damaligen Zeit technisch gar nicht möglich gewesen wäre. In der Schau sind Imitate immer wieder Arbeiten anderer Künstler aus dem jeweils authentischen Grundstoff gegenübergestellt, um Neubergers Leistung nachvollziehbar zu machen. Wobei die Nachahmungen nicht nur den Sehsinn, sondern auch den Tastsinn in die Irre führten, passte der Künstler doch auch die Oberflächenbeschaffenheit oder das Gewicht an. „Man wird nicht nur optisch, sondern auch haptisch betrogen“, fasste es Rainer zusammen.

Zwei Werke bilden das Herz der Schau – nicht zuletzt deshalb, da sie umfassend renoviert wurden und so erst den Anstoß für eine erstmalige Präsentation Neubergers gaben. Dabei handelt es sich einerseits um ein Tableau mit einem 60-teiligen Zyklus aus Ovids „Metamorphosen“, wobei jede Szene nur ein paar Quadratzentimeter misst. Dabei handelt es sich um das erste dokumentierte Werk für den Kaiserhof. Neuberger streifte dafür 800 Gulden ein. „Der Preis für ein Gemälde lag damals bei 100 bis 200 Gulden“, machte der Co-Kurator die Wertschätzung seiner Auftraggeber deutlich. Apropos: „Wenn Sie in der Herbstausstellung waren – vielleicht erinnern Sie sich, wie stolz Hoogstraten auf seine Kaisermedaille war. Neuberger bekam insgesamt acht Kaisermedaillen.“

Das zweite Glanzstück ist eine allegorische Darstellung auf den Tod Kaiser Ferdinands III. Der sich nach hinten verjüngende Holzkasten zeigt den Sarkophag mit dem aufgebahrten Monarchen und einer Handvoll frei stehender Skelette in einer Grotte.

Und dann bietet die Ausstellung noch ein geradezu mythisches Objekt. Der auf ein nachträglich auf einen Sockel gesetzte Wachskopf von Leopold I. soll einst Teil des „Kaiserautomaten“ gewesen sein. Ein solcher wurde in historischen Quellen des 17. Jahrhunderts erwähnt. Dabei soll es sich um eine lebensgroße Figur des Kaisers gehandelt haben, die dank Mechanik im Inneren sich vom Thron erheben, den Kopf drehen und die Augen bewegen konnte. Bis dato habe dieses Technikwunder als verloren gegolten, sagte Rainer. Nun habe man das Haupt aber gründlich – u.a. mittels Computertomographie – untersuchen lassen und einige Hinweise gefunden, die nahelegen würden, dass es einst Teil des „Kaiserautomaten“ gewesen sei. „Wir haben dafür keine Beweise. Vor Gericht würde man von einem Indizienprozess sprechen – den wir sicher gewinnen würden“, meinte der Ausstellungsgestalter.

Bei all der Meisterschaft und dem Ruhm – wieso verschwand Daniel Neuberger eigentlich so schnell wieder in der Versenkung der Kunstgeschichte? „Er wurde vergessen, weil Wachs als künstlerisches Medium vergessen wurde“, erklärte Rainer. Erst die Moderne habe das Material für die Kunst wiederentdeckt. Es ist lohnend, nun einen der frühen Ahnen im KHM wiederzuentdecken.

(S E R V I C E – „Wachs in seinen Händen. Daniel Neubergers Kunst der Täuschung“ im Kunsthistorischen Museum Wien, ab Dienstag und bis 9. Juni, Katalog um 24,95 Euro erhältlich, )