news/APA/Donnerstag, 27.03.25, 11:55:14

Leopold Museum beleuchtet letzte Jahre des Hausgotts Schiele

"Man meint ja, bereits alles über Egon Schiele zu kennen", sinnierte Leopold-Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger am Donnerstag. Dies sei jedoch eine Illusion, habe bis dato doch eine Schau mit dem Fokus auf die späten Jahre des Künstlers gefehlt. Mit der monumentalen Frühlingsausstellung "Zeiten des Umbruchs. Egon Schieles letzte Jahre: 1914-1918" über den Hausgott holt man dies nun nach - und offenbart dabei Überraschendes.
APA/APA/Leopold Museum

In einer Phase der gesellschaftlichen wie privaten Zeitenwende wird Schieles Arbeit ruhiger, harmonischer anstatt derangierter. Schiele verlässt seine langjährige Lebenspartnerin Wally Neuzil und heiratet Edith Harms, worauf der Neo-Ehemann 1915 auch noch eingezogen und zum Neo-Soldat wird. Und doch gibt der Künstler die Formexperimente seiner frühen Jahre auf und entwickelt sich in Richtung eines realistischeren Stils.

„Die Linien werden weicher, harmonischer“, so Wipplinger über das „Spätwerk“ des Künstlers zwischen dessen 24. und 28. Lebensjahr: „Es ist augenöffnend.“ Kurze Pinselstriche übereinander gesetzt lösen die großen Farbflächen ab.

Gegliedert ist die von Kerstin Jesse und Schiele-Doyenne Jane Kallir kuratierte Schau in neun Kapitel, die Titel tragen wie „Leben in der Armee“, „Landschaft“ oder „Porträts“. Sie demonstrieren die Variantenbreite des Künstlers, nicht zuletzt anhand von singulären Arbeiten wie einem Wildbach oder den Porträts von Soldaten oder Prominenten der Zeit. „Man merkt Porträts immer an, ob Schiele die Person mochte oder nicht“, so Kallir.

Aber nicht nur stilistisch, auch thematisch entwickelt sich Schiele in seinen letzten Lebensjahren weiter. Die Zahl der Selbstporträts geht zurück, die notorische Selbstbespiegelung des Künstlers weicht einem Fokus auf Liebesszenen, Paarkonstellationen und Landschaftseindrücke, aber auch neugefasste Akte.

Lebensnahere Körper lösen die bekannten ausgemergelten Figuren ab. „In den Personen schlägt jetzt ein Herz“, fasst es Kuratorin Jesse zusammen. Und nicht zuletzt zeigen Porträts von Gattin Edith deren wachsende Zweifel an der Ehe, die sich in den Bildern widerspiegelt.

Zugleich werden die typischen Allegorien, einst sehr intim und persönlich grundiert, allgemeingültiger, treten gleichsam das Erbe Gustav Klimts an. „Schiele hat ab 1917 versucht, breite Darstellungen der Conditio humana zu schaffen“, so Kallir. Diese mächtige Wendung wird im letzten Teil der Ausstellung verdeutlicht, in dem Allegorien für ein projektiertes Mausoleum und ein großformatiges Bildnis von Albert Paris von Gütersloh aus dem Minneapolis Institute of Art mögliche Entwicklungswege des Malers aufzeigen.

Diese späten Jahre eines frühen Genies, das 1918 ebenso wie Gattin Edith von der Spanischen Grippe dahingerafft wurde, wird in der Ausstellung in 181 Exponaten nachgezeichnet, davon 135 Kunstwerke. Diese werden flankiert von Archivalien wie dem bis dato noch nie gezeigten Tagebuch von Edith. Was jedoch auch nach der umfassenden Ausstellung zum früh, am Beginn seines Ruhms Verstorbenen offen bleibt ist eine große Frage, die sich auch Hans-Peter Wipplinger nach wie vor stellt: „In welche Richtung hätte sich Egon Schiele entwickelt?“

(S E R V I C E – „Zeiten des Umbruchs. Egon Schieles letzte Jahre: 1914-1918“ im Leopold Museum, Museumsplatz 1, 1070 Wien von 28. März bis 13. Juli. )