news/APA/Dienstag, 22.07.25, 15:36:03

Laut UNO mehr als tausend Tote nahe Gaza-Hilfszentren

Die UNO hat Israels Armee vorgeworfen, seit Ende Mai im Gazastreifen mehr als tausend nach Nahrungshilfe suchende Menschen getötet zu haben. Allein 766 Menschen seien in der Nähe von Verteilzentren der von den USA unterstützten Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) getötet worden, sagte Thameen al-Kheetan, ein Sprecher des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte. Weitere 288 Menschen seien in der Nähe von UNO-Hilfskonvois oder weiterer Organisationen getötet worden.
APA/APA/AFP/EYAD BABA

Die Opfer seien „vom israelischen Militär getötet“ worden, erklärte al-Kheetan am Dienstag. Laut Mohammed Abu Salmija, Leiter des ehemals größten Krankenhauses im Gazastreifen, starben in mehreren Kliniken in dem Palästinensergebiet zudem allein in den vergangenen drei Tagen 21 Kinder an Unterernährung und Hunger. Diese Todesfälle seien innerhalb von 72 Stunden in drei Kliniken festgestellt worden, sagte Abu Salmija. Er rechne „jederzeit“ mit weiteren Hungertoten.

Die Angaben des Klinikchefs ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Alle Behörden im Gazastreifen werden von der radikalislamischen Hamas kontrolliert, die den Krieg im Gazastreifen mit ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst hatte.

Israels Armee äußerte sich unterdessen zu Vorwürfen der Weltgesundheitsorganisation WHO, sie habe in der Stadt Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens ihre Einrichtungen gestürmt und Mitarbeiter festgenommen. In der Gegend seien am Montag Schüsse auf israelische Soldaten gefeuert worden, teilte das Militär mit. Die Soldaten hätten darauf mit Beschuss in die Richtung reagiert, aus der die Schüsse gekommen seien. Die Armee sagte aber nicht explizit, ob die Schüsse aus Einrichtungen der WHO abgegeben wurden.

Die WHO hatte zuvor mitgeteilt, dass am Montag eine Mitarbeiterunterkunft angegriffen worden sei. Bereits am Sonntag wurde den Angaben nach zudem ein zentrales Warenlager der Organisation bei einem Angriff beschädigt.

Die israelische Nachrichtenseite „ynet“ meldete unter Berufung auf einen Militärsprecher, der Armee seien Berichte bekannt, dass eine Wohnanlage von WHO-Mitarbeitern getroffen worden sei. Nach Erkenntnissen des israelischen Militärs habe es keine Opfer unter den Beschäftigten gegeben, hieß es in dem Bericht weiter.

Israels Armee teilte mit, Soldaten hätten in Deir al-Balah mehrere Personen festgenommen, „die der Beteiligung am Terrorismus verdächtigt wurden“. Ob es sich dabei um Beschäftigte der WHO oder deren Angehörige handelte, wie die Organisation gesagt hatte, ließ die Armee offen. Die meisten der Betroffenen wurden Armeeangaben zufolge nach Vernehmungen vor Ort wieder freigelassen. Zu einer laut WHO weiterhin festgenommenen Person äußerte sich Israels Militär nicht explizit.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte am Montag in einer Mitteilung auch gesagt, dass männliche WHO-Mitarbeiter und männliche Angehörige in Handschellen gelegt, ausgezogen, vor Ort verhört und mit vorgehaltener Waffe durchsucht worden seien. Das israelische Militär sagte dazu nun: „Bei Vernehmungen vor Ort ist es für Personen, die terroristischer Aktivitäten verdächtigt werden, zeitweise erforderlich, Teile ihrer Kleidung abzulegen, um sicherzustellen, dass sie keine Sprengstoffgürtel oder andere Waffen verbergen.“ Verdächtige würden im Einklang mit dem Völkerrecht behandelt, erklärte Israels Armee.

Ghebreyesus hatte weiterhin kritisiert, dass Frauen und Kinder der WHO-Mitarbeiter dazu gezwungen worden seien, zu Fuß inmitten von Kampfhandlungen zu fliehen. Die israelische Armee betonte, sie habe vor ihrem Einsatz in dem Gebiet die Zivilbevölkerung dazu aufgerufen, die Gegend zu verlassen. Sie sei auch „in Kontakt mit den dort tätigen internationalen Organisationen“ gewesen, auch um „die sichere Evakuierung“ des Personals zu ermöglichen.

Das israelische Militär war jüngst in den Südwesten von Deir al-Balah eingerückt, um dort eigenen Angaben nach die Hamas und andere Terrororganisationen zu bekämpfen. Die WHO sagte unterdessen, ihre Arbeit im Gazastreifen sei inzwischen stark eingeschränkt.

Wie Ärzte ohne Grenzen der APA mitteilte, müssen Teams der Hilfsorganisation eine Klinik im Gazastreifen wegen der israelischen Evakuierungsanordnungen für Deir al-Balah verlassen. Konkret geht es um 36 palästinensische Kollegen und Kolleginnen von der stark frequentierten Gesundheitseinrichtung in Al-Mawasi. Und das, obwohl sie gerade Patienten versorgten, die bei Verteilzentren für Nahrungsmittel der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) verletzt wurden. Ärzte ohne Grenzen bekräftigte daher erneut die Forderung an die österreichische Bundesregierung, alle diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Mittel auszuschöpfen, damit die Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Gaza rasch beendet werden.

Am Montag wurde ein offener Brief veröffentlicht, den Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, weitere 27 Amtskollegen aus aller Welt und EU-Kommissarin Hadja Lahbib unterzeichnet haben. „Dieser Brief findet klare Worte. Wir begrüßen sehr, dass sich Österreich so klar positioniert. Jetzt müssen weitere Taten folgen, damit die Menschen in Gaza endlich die Hilfe bekommen, die sie so dringend benötigen“, sagte Laura Leyser, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Österreich.