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news/APA/Samstag, 08.03.25, 21:00:46

Laut Aktivisten mehr als 700 Tote bei Eskalation in Syrien

Bei der neuen Eskalation in Syrien sind Aktivisten zufolge insgesamt mehr als 700 Menschen bei Massakern und Gefechten getötet worden. Sicherheitskräfte der Übergangsregierung hätten mehr als 500 Menschen getötet oder exekutiert, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder. Die Opfer sind Alawiten. Zu der Minderheit gehört auch der Assad-Clan.
APA/APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR

„532 alawitische Zivilisten wurden in der syrischen Küstenregion und in den Bergen von Latakia von Sicherheitskräften und verbündeten Gruppen getötet“, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag mit.

Die mehrheitlich von Alawiten bewohnte Region Latakia am Mittelmeer ist seit Donnerstag Schauplatz heftiger Gefechte zwischen Kämpfern der neuen Führung und Anhängern des vor drei Monaten gestürzten Machthabers Bashar al-Assad, der ebenfalls der alawitischen Minderheit angehört. Am Freitag verkündete die neue islamistische Regierung in Damaskus den Beginn eines „groß angelegten“ Einsatzes, der auf „die Überreste von Assads Milizen und ihre Unterstützer“ ziele.

Die in London ansässige Beobachtungsstelle sprach von regelrechten „Massakern“, bei denen auch Kinder getötet worden seien. Die Opfer würden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der religiösen Minderheit oder ihres Wohnorts ausgesucht. Auch komme es zu Plünderungen.

Insgesamt wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle in den vergangenen Tagen mindestens 745 Menschen getötet, darunter 93 Kämpfer der neuen Regierung sowie 120 Assad-treue Kämpfer. Die Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten vor Ort. Ihre Angaben können oft nicht unabhängig überprüft werden.

Von der Beobachtungsstelle veröffentlichte Videoaufnahmen zeigten Dutzende vor einem Haus aufgestapelte Leichen in Zivilkleidung. Blutlachen und weinende Frauen waren zu sehen. Weitere Aufnahmen zeigten Männer in Militäruniform, die aus nächster Nähe auf Menschen schossen.

Ein Bewohner der Stadt Baniyas, der Alawit Samir Haidar, berichtete, „Bewaffnete“ seien in die Häuser eingedrungen und hätten zwei seiner Brüder und seine Nichte getötet. Unter den Angreifern seien „Ausländer“ gewesen. Er selbst sei nur knapp entkommen. Haidar gab weiter an, dass er zu Zeiten der Assad-Regierung auf der Seite der Opposition stand und deswegen mehr als zehn Jahre lang im Gefängnis saß.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, Regierungstruppen hätten einen „Angriff von Überresten des gestürzten Regimes“ auf das nationale Krankenhaus in Latakia verhindert. Die Sicherheitskräfte in den Städten der Region hätten den Befehl, die Ordnung wieder herzustellen. Zahlreiche Plünderer seien verhaftet worden.

Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa hatte die Anhänger von Assad am Freitag zur Kapitulation aufgefordert. Die alawitischen Kämpfer müssten sich ergeben, „bevor es zu spät ist“, sagte er in einer Ansprache im Onlinedienst Telegram. „Sie haben sich gegen alle Syrer gewandt und einen unverzeihlichen Fehler begangen. Der Gegenschlag ist gekommen.“

Al-Sharaa erklärte, seine Regierung werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass lediglich staatliche Vertreter über Waffen verfügen. Es werde keinen unkontrollierten Waffenbesitz mehr geben.

Kämpfer unter Führung der islamistischen HTS-Miliz hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Herrschaft Assads beendet, der nach Russland floh. Seit ihrer Machtübernahme hat die neue syrische Führung unter al-Sharaa wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Die HTS ist aus der Al-Nusra-Front hervorgegangen, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.

„Wir fordern alle Seiten auf, die Lage zu deeskalieren und die Täter vor Gericht zu stellen, und erneuern unseren Aufruf an die De-facto-Behörden, einen friedlichen und inklusiven politischen Übergang sicherzustellen“, postete das Außenministerium in Wien auf X und Bluesky. Die Bilder aus Syrien seien „verstörend“, hieß es weiter.