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news/APA/Mittwoch, 15.01.25, 22:28:31

Israel und Hamas vereinbaren Feuerpause ab Sonntag

Im Gazakonflikt sollen ab Sonntag die Waffen schweigen und bald die ersten Geiseln freikommen. Israel und die radikal-islamische Hamas einigten sich am Mittwoch auf eine Feuerpause in dem seit 15 Monaten anhaltenden Konflikt, bei dem mehr als 40.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Dies teilten die Vermittler Katar, USA und Ägypten im Laufe des Abends mit. Die Hamas nannte die Vereinbarung einen großen Erfolg.
APA/APA/AFP/OMAR AL-QATTAA

„Das Waffenruheabkommen ist das Ergebnis der legendären Widerstandskraft unseres großartigen palästinensischen Volkes und unseres tapferen Widerstands im Gazastreifen seit mehr als 15 Monaten“, teilte die islamistische Terrororganisation mit. Der israelische Staatspräsident Yitzhak Herzog hat das Sicherheitskabinett und die Regierung seines Landes dazu aufgerufen, die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas zu billigen. „Wir befinden uns in einem äußerst entscheidenden Moment“, sagte Herzog nach Angaben seines Büros.

Der designierte US-Präsident Donald Trump gab zuvor eine Einigung zu den „Geiseln in Nahost“ bekannt. „Sie werden bald freigelassen werden“, teilte er am Mittwoch mit. Die israelische Regierung hofft, letzte Fragen mit der Hamas über eine Waffenruhe im Gazastreifen noch heute lösen zu können. Der Vermittler Katar bestätigte die Einigung.

Die Feuerpause solle am 19. Jänner um 12.15 Uhr (11.15 Uhr MEZ) beginnen, sagte Ministerpräsident Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani. Das ist Sonntag, ein Tag vor dem Amtseid des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Die Waffenruhe soll von den USA, Katar und Ägypten überwacht werden. Es werde ein „Überwachungsmechanismus“ in Kairo installiert, wo ein aus Vertretern der drei Ländern bestehendes Team die Einhaltung der Vereinbarung kontrollieren werde, erklärte der katarische Ministerpräsident. Die drei Länder hatten zuvor in den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas vermittelt.

In einer weiteren Mitteilung auf Truth Social sprach Trump von einem „epischen Abkommen über eine Waffenruhe“. Sein nationales Sicherheitsteam werde auf Grundlage der Vereinbarung weiter eng mit Israel und den US-Verbündeten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass der Gazastreifen niemals wieder zu einem sicheren Hafen für Terroristen werde. „Wir werden uns weiter für Frieden durch Stärke in der gesamten Region einsetzen“, schrieb Trump.

Der scheidende US-Präsident Joe Biden zeigte sich „begeistert“ über die zwischen Israel und der Hamas erzielte Vereinbarung. „Dieser Deal wird die Kämpfe im Gazastreifen stoppen, stark benötigte humanitäre Hilfe für palästinensische Zivilisten anschwellen lassen und die Geiseln nach mehr als 15 Monaten Gefangenschaft mit ihren Familien vereinen“, erklärte Biden am Mittwoch.

Wie das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu mitteilte, seien in letzter Minute vorgebrachte Forderungen der Hamas von Israels Regierungschef erfolgreich abgewiesen worden. Es gebe „in dem Entwurf noch mehrere ungeklärte Klauseln und wir hoffen, dass die Details heute Abend finalisiert werden“, hieß es in der Mitteilung.

Die Vereinbarung sieht einem Insider zufolge eine anfängliche sechswöchige Waffenruhe vor. Die israelische Regierung wird einem Insider zufolge am Donnerstag vermutlich mehrheitlich für die Annahme der Vereinbarung stimmen, verlautet aus Regierungskreisen.

Der noch nicht von den beiden Seiten offiziell verkündeten Vereinbarung zufolge wird die Hamas laut Insider zunächst 33 israelische Geiseln freilassen. Darunter seien alle festgehaltenen Frauen, Kinder und Männer über 50. Die Hamas werde zuerst weibliche Geiseln – Zivilistinnen und Soldatinnen – und Minderjährige unter 19 Jahren freilassen, danach Männer über 50 Jahre. Israel werde für jede zivile Geisel 30 palästinensische Gefangene aus israelischer Haft entlassen. Für jede israelische Soldatin, die in der Gewalt der Hamas sei, würden 50 palästinensische Gefangene freikommen. Insgesamt halten die Extremisten rund 100 Geiseln im Gazastreifen fest.

Pro Tag sollen der noch nicht offiziell getroffenen Vereinbarung zwischen Hamas und Israel zufolge 600 Lkw-Ladungen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gebracht werden. 300 Lkw seien für den Norden des Gazastreifens vorgesehen. Auch Treibstoff soll in den weitgehend zerstörten Küstenstreifen gebracht werden.

Im Gazastreifen brachen indes Feiern aus. Augenzeugen zufolge sind Zehntausende jubelnde Menschen auf die Straßen geströmt. In palästinensischen und sozialen Medien verbreitete Aufnahmen zeigen singende und tanzende Menschen. Zu sehen sind auch Männer, die offenbar vor Freude weinen.

Die Vereinbarung einer Waffenruhe für den Gazastreifen ist dem türkischen Außenminister Hakan Fidan zufolge ein wichtiger Schritt für die Stabilität in der gesamten Region. Die Türkei werde sich weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung in dem seit Jahrzehnten dauernden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern einsetzen.

Die israelische Regierungskoalition von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, die so weit rechts steht wie keine vor ihr, lehnt allerdings einen eigenen Palästinenserstaat aus Gazastreifen und Westjordanland strikt ab. Vielmehr hat sie selbst mitten im Krieg gegen die Hamas den Bau israelischer Siedlungen im von Israel besetzten Westjordanland vorangetrieben. Dieser seit Jahren betriebene Siedlungsbau wird von den Vereinten Nationen verurteilt, ist international nicht anerkannt und verstößt gegen das Völkerrecht.

Die EU-Kommission reagierte erleichtert auf die Vereinbarung. „Geiseln können mit ihren Angehörigen wieder vereint werden und humanitäre Hilfe kann Zivilisten im Gazastreifen erreichen“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula on der Leyen am Mittwochabend im Onlinedienst X. Dies bringe „Hoffnung für die gesamte Region, in der die Menschen viel zu lange unermessliches Leid erlitten haben“.

In Österreich begrüßten Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und das Außenministerium die Einigung. „Ich begrüße die heutige Ankündigung eines Geiselabkommens und eines Waffenstillstands in Gaza sehr. Dies gibt uns Hoffnung, dass auch der israelisch-österreichische Staatsbürger Tal Shoham, für dessen Freilassung ich seit Monaten kämpfe, freigelassen werden könnte. Ich bin den Vermittlern aus den USA, Ägypten und Katar zutiefst dankbar und sehe der Umsetzung gemeinsam mit Tals Familie voller Hoffnung entgegen“, schrieb Nehammer auf der Plattform X. Nehammer war im ständigen Austausch mit der Frau und dem Vater der Geisel. Der Vater ersuchte die österreichische Bundesregierung um Unterstützung, damit sein Sohn freikommt. Nehammer entsandte in der Causa seinen außenpolitischen Sonderberater Peter Launsky-Tieffenthal nach Doha.

Das Außenministerium schrieb auf X: „Sehr positive Nachrichten nach 467 schrecklichen Tagen.“ Die Freilassung aller verbleibenden Geiseln und ein Waffenstillstand in Gaza seien „sind längst überfällig und hoffentlich ein wichtiger Schritt zur Beendigung so großen Leidens in der gesamten Region. Danke für die unermüdlichen Bemühungen der USA, Ägyptens und Katars!“

Die Berichte über einige Einigung zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas gaben den Staatsanleihen von Israel, Jordanien und Ägypten zunächst Auftrieb. Dies geht aus Daten des Anbieters Tradeweb hervor. Der israelische Schekel steigt zunächst um rund 0,35 Prozent zum Dollar. Der Waffenstillstand „verringert das geopolitische Risiko bis zu einem gewissen Grad, auch wenn sich nun die Frage stellt, wie lange er hält“, sagte Michael Brown, Forschungsstratege bei Pepperstone in London. Jedoch sei die Nachricht von einer Vereinbarung größtenteils an den Märkten eingepreist gewesen.