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news/APA/Montag, 07.10.24, 15:57:32

Israel gedenkt der Opfer des Hamas-Überfalls vor einem Jahr

Auch am ersten Jahrestag des Massakers der radikalislamischen Hamas in Israel und des dadurch ausgelösten Krieges im Gazastreifen haben die Kämpfe in Nahost angedauert. Die mit der militanten Palästinenserorganisation verbündete libanesische Hisbollah-Miliz beschoss laut Polizei am Montag den Norden Israels mit Raketen, darunter auch die drittgrößte israelische Stadt Haifa. Der bewaffnete Arm der Hamas feuerte zudem nach eigenen Angaben eine Raketensalve auf Tel Aviv ab.
APA/APA/AFP/JOHN WESSELS

Im Zentrum Israels wurde Luftalarm ausgelöst. Das israelische Militär meldete, dass es einige Geschoße abgefangen habe. In der Nacht hatte es seine Angriffe auf Hisbollah-Stellungen im Süden des Libanon und in der Bekaa-Hochebene sowie im Raum Beirut fortgesetzt.

Genaue Angaben zu Schäden und Opfern lagen zunächst nicht vor. Medienberichten zufolge wurden zehn Menschen in der Küstenstadt Haifa verletzt. Fünf Raketen schlugen demnach zudem in der Gegend von Tiberias ein, 65 Kilometer weiter östlich. Die israelische Polizei bestätigte Raketentreffer in Haifa. Das israelische Militär teilte unterdessen mit, dass es bei seinen jüngsten Luftangriffen auf Hisbollah-Ziele im Libanon unter anderem Geheimdienst-Einrichtungen, Waffenlager und einen Kommandoposten getroffen habe. Bei Kämpfen im Grenzgebiet wurden nach Armeeangaben zwei israelische Soldaten getötet. Seit einigen Tagen sind auch israelische Bodentruppen im Libanon im Einsatz.

Ungeachtet der anhaltenden Kämpfe gedachten die Menschen in Israel unter strengen Sicherheitsvorkehrungen der Opfer des Überraschungsangriffs der Hamas am 7. Oktober 2023. Die Islamisten töteten damals nach israelischen Angaben etwa 1.200 Menschen und verschleppten ungefähr 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Das israelische Militär reagierte mit einer Großoffensive, in deren Verlauf es einen Großteil des dicht besiedelten Küstengebiets in Schutt und Asche legte und nach palästinensischen Angaben bisher fast 42.000 Menschen getötet wurden. Ein Teil der Geiseln ist frei, einige sind tot, rund 100 Geiseln befinden sich nach wie vor in Gefangenschaft. Wie viele noch leben, ist unklar.

Einige Gedenkveranstaltungen fingen bereits um 06:29 Uhr früh (Ortszeit) an. Zu dem Zeitpunkt begann vor einem Jahr der Hamas-Angriff. Der israelische Präsident Yitzhak Herzog kam zu einer Zeremonie in der Nähe des Kibbuz Reim, wo allein mehr als 360 Teilnehmer eines Musikfestivals umgebracht und Dutzende verschleppt worden waren. „Wir werden uns immer daran erinnern, wer entführt, wer ermordet, wer vergewaltigt, wer abgeschlachtet hat. Gleichzeitig haben wir aber auch außergewöhnliche Tapferkeit erlebt. Wir haben ein wunderbares Volk, und an diesem Tag stärken wir es und rufen zur Einheit auf“, sagte Herzog.

In Jerusalem versammelten sich rund 300 Menschen vor dem Wohnsitz von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, darunter Angehörige der Geiseln. Sie hielten eine Schweigeminute ab, unterbrochen vom Geheul einer Warnsirene. „Wir stecken immer noch im 7. Oktober 2023 fest, in einem endlosen Tag des Terrors, der Angst, des Zorns, der Verzweiflung“, sagte Yuval Baron, dessen Schwiegervater Keith Siegel in Gaza als Geisel festgehalten wird. „Wir wollten diesen Tag gemeinsam beginnen, um uns selbst, unseren Ministerpräsidenten, die israelische Öffentlichkeit daran zu erinnern, dass es trotz des Trauertages immer noch eine heilige Mission gibt, die Geiseln zurückzubringen.“

Der Gaza-Krieg hat sich längst zu einem Mehrfronten-Konflikt ausgeweitet, in den sich neben der Hamas und Hisbollah etwa auch die ebenfalls zu Irans „Achse des Widerstands“ zählende Houthi-Miliz aus dem Jemen eingeschaltet hat. Bereits einen Tag nach Beginn der israelischen Offensive im Gazastreifen verschärfte sich die Sicherheitslage an Israels nördlicher Grenze. Immer wieder feuerte die Hisbollah aus Solidarität mit den Palästinensern vom Libanon aus Raketen auf den Norden Israels, gefolgt von israelischen Gegenangriffen.

Vor etwa zwei Wochen richtete Israel dann verstärkt den Fokus auf den Libanon und die Hisbollah, um Zehntausenden Israelis die Rückkehr in ihre Häuser und Wohnungen in der Region zu ermöglichen, die wegen der ständigen Schusswechsel evakuiert wurde. Inzwischen ist das Militär wie im Gazastreifen auch im Libanon mit Bodentruppen im Einsatz, weit über 1.000 Menschen wurden getötet. Im Süden des Libanon hat eine Massenflucht eingesetzt, mehr als eine Million Menschen wurden vertrieben. Im Gazastreifen musste ein Großteil der 2,3 Millionen Bewohner seine Bleibe aufgeben, viele harren in Zeltlagern aus, die Versorgungslage ist dramatisch.

Die Eskalation des Konflikts schürt zunehmend Sorgen, dass es zu einem Flächenbrand im Nahen Osten kommen könnte, zumal der Iran kürzlich fast 200 Raketen in Richtung Israel abgefeuert hatte. Befürchtet wird der Ausbruch eines direkten Krieges zwischen den beiden Staaten, in den auch die USA als Israels wichtigster Verbündeter hineingezogen werden könnten.

US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris prangerten am Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel die Verbrechen der islamistischen Palästinenserorganisation an und gedachten der Opfer des dadurch ausgelösten Gaza-Krieges. Biden erklärte am Montag in Washington, der 7. Oktober werde wegen des von der Hamas entfachten Krieges als „schwarzer Tag“ für das palästinensische Volk in die Geschichte eingehen. „Viel zu viele Zivilisten haben viel zu viel Leid während des seit einem Jahr andauernden Konflikts erlitten“, erklärte der US-Präsident weiter. Vizepräsidentin Harris betonte, was die Hamas am 7. Oktober angerichtet habe, sei „das Böse schlechthin – es war brutal und abscheulich“. Zugleich erklärte sie, sie sei „untröstlich über das Ausmaß von Tod und Zerstörung im Gazastreifen im zurückliegenden Jahr“.

Der britische Premierminister Keir Starmer versicherte der jüdischen Gemeinschaft seine Solidarität. Der 7. Oktober 2023 sei der finsterste Tag in der jüdischen Geschichte seit dem Holocaust. „Wir müssen unmissverständlich an der Seite der jüdischen Gemeinschaft stehen und als Land vereint sein.“ Bei Hass dürfe man nie wegschauen. Zugleich betonte Starmer: „Wir dürfen auch nicht wegschauen, wenn die Zivilbevölkerung die andauernden, schrecklichen Folgen dieses Konflikts im Nahen Osten erträgt.“ Er forderte ein Ende aller Beschränkungen für humanitäre Hilfe im Gazastreifen und erneut eine Waffenruhe in dem Küstengebiet sowie im Libanon.