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news/APA/Freitag, 21.02.25, 11:02:44

Huppert als „Blutgräfin“: „Wie Granaten, die explodieren“

In Wien dreht Ulrike Ottinger (82) derzeit "Die Blutgräfin". Der aufwändige Vampirfilm ist hochkarätig besetzt. Die Titelrolle der Gräfin Erzsébet Báthory (1560-1614), die wegen vielfachen Mordes an Dienerinnen verurteilt wurde, und um die sich grausame Geschichten ranken, ist mit Frankreichs Superstar Isabelle Huppert besetzt. Die Gräfin kehrt an der Seite ihrer Zofe (Birgit Minichmayr) als Vampirin ins heutige Wien zurück. Mit der APA sprach Huppert über die Dreharbeiten.
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APA: Frau Huppert, Sie sind bekannt für Ihre eigenwilligen, außergewöhnlichen Rollen – aber eine Vampirin haben Sie noch nie gespielt, oder?

Isabelle Huppert: Das stimmt. Ich habe kürzlich einen Film mit Geistern gemacht („Madame Sidonie in Japan“ von Élise Girard, Anm.), aber noch keinen Film mit Vampiren. Dabei scheint das ein Thema zu sein, das derzeit ein wenig in der Luft liegt.

APA: Warum ist das so? Denken bei Blutsaugern alle gleich an Donald Trump?

Huppert: (lacht) Nein, der Vampir ist eine Figur, die Fantasie und Imagination anregt. Die „Blutgräfin“ ist ja geradezu die Ahnherrin der Vampire. Aber das Drehbuch ist nicht realistisch nach dem wahren Leben der Gräfin Báthory verfasst, die viel grausamer war, als ich sie spiele. Sie wurde ja verurteilt und ins Gefängnis geworfen für das, was sie Grauenhaftes getan hat: Sie hat junge Frauen getötet und ihr Blut getrunken. Sie war ein gefährliches Raubtier. Aber hier befinden wir uns im Universum der leuchtenden Fantasie von Regisseurin Ulrike Ottinger.

APA: Die als Serienmörderin verurteilte Erzsébet Báthory lebte Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts, taucht aber im Wien der Gegenwart auf. Wie entwickelt man so einen Charakter? Was sind Ihre Ansatzpunkte für diese Rolle?

Huppert: Ich denke überhaupt nicht an die damalige Person. So wie Ulrike Ottinger die Blutgräfin entworfen hat, bringt sie nichts Authentisches aus ihrer Zeit mit. Der Film und die Figur entspringen mehr ihrer Fantasie als den Geschichtsbüchern. Es ist kein historischer Film, es ist auch kein psychologischer Film. Es ist ein Märchen, manchmal grausam, manchmal komisch. Man macht sich lustig über Institutionen, über die Mächtigen dieser Zeit. Das ist manchmal unverschämt und frech, hat aber nichts mit einer klassischen geschichtlichen Auseinandersetzung zu tun.

APA: Was hat Sie dazu gebracht, dem Projekt zuzusagen – das Drehbuch, Regisseurin Ulrike Ottinger oder die Tatsache, dass Wien der Hauptschauplatz ist?

Huppert: Wien, ganz sicher. Ich kenne Ottingers Projekt schon sehr lange, und es hat eine Zeit gedauert, bis sie den Film nun umsetzen kann. Letztendlich mache ich es wegen ihr. Sie hat in den 80ern und 90ern Spielfilme realisiert, die ich sehr gemocht habe. Im Centre Pompidou gab es eine Ulrike Ottinger Retrospektive, bei der ich einiges gesehen habe. Sie hat ein ganz besonderes künstlerisches Universum kreiert. Das hat mich interessiert. Daher habe ich das Drehbuch gelesen – und dann hat Ulrike Ottinger erklärt, dass sie in Wien drehen wird. Damit war es für mich klar.

APA: Wie gestaltet sich das nun bei den Dreharbeiten?

Huppert: Es ist wunderbar, hier in den kleinen Gassen zu drehen und dabei die Atmosphäre dieser Stadt aufzusaugen, auch bei den Nachtdrehs. Ottinger hat ein Talent, besondere Orte zu finden. Sie spielt auf verschiedenen Ebenen mit Wien als Schauplatz. Es trifft die reale Schönheit der historisch aufgeladenen Plätze auf das besondere Spiel zwischen der Gräfin und der von Birgit Minichmayr gespielten Zofe. Die beiden verunsichern alle Leute, denen sie begegnen. Sie sind wie Granaten, die explodieren und dabei großen Schaden anrichten. Vor allem die Gräfin. Sie will ihren Durst stillen. Sie ist ja eine Vampirin.

APA: Trägt sie auch die klassischen Vampirzähne?

Huppert: Klar. Das muss sein.

APA: Neben Minichmayr spielen einige bekannte Schauspieler aus Österreich mit, von Thomas Schubert bis zu Karl Markovics. Wie ist die Arbeit mit den österreichischen Kolleginnen und Kollegen?

Huppert: Ganz großartig. Es sind außerordentliche Schauspieler – und sie haben sofort den besonderen Geist dieses Films begriffen.

APA: Sie haben in Wien „Die Klavierspielerin“ gedreht. Unser letztes Interview hier in Wien war anlässlich „Wolfzeit“ vor 21 Jahren. Wie sehr vermissen Sie Michael Haneke, der seit vielen Jahren keinen Film mehr gemacht hat, als Regisseur?

Huppert: Er geht uns allen als Regisseur ab. Wir hoffen, dass auch wir ihm fehlen – und dass das ein Grund sein könnte, dass er wieder einen Film macht. Ich bin privat mit ihm in Kontakt, und wir sehen uns jedes Mal, wenn ich in Wien bin. Er ist einer der wichtigsten Menschen, denen ich in meinem Leben als Schauspielerin begegnet bin.

APA: Ihre Filmografie ist überaus beeindruckend. Man hat den Eindruck, Sie arbeiten ununterbrochen …

Huppert: Sagen wir, das ist nur der Eindruck! Aber es stimmt, es wartet natürlich schon der nächste Film, oder besser die nächsten Filme. Darüber zu sprechen ist allerdings noch zu früh: Es ist schöner, mit neuen Projekten zu überraschen, als über sie zu sprechen … Aber derzeit spiele ich auch viel Theater. Mit „Mary Said What She Said“ von Bob Wilson (das 2019 bei den Wiener Festwochen war, Anm.) werde ich in New York gastieren, den „Kirschgarten“ (2022 bei den Wiener Festwochen) zeigen wir auch in China. Ich bin mit einigen Produktionen auf Tournee. Auch mit Racines „Bérénice“ in einer Inszenierung von Romeo Castellucci sind wir in halb Europa zu Gast. Bisher leider nicht in Wien.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)