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news/APA/Samstag, 25.01.25, 15:25:19

FPÖ-Länderchefs kritisieren ÖVP-Chef Stocker

Nachdem es diese Woche zwischen FPÖ und ÖVP schon etwas gerumpelt hat, reiten nun blaue Landesparteichefs gegen VP-Chef Christian Stocker aus. Dieser hatte von der FPÖ eine Kurskorrektur gefordert. Stocker "gefährdet die Gesprächsbasis für konstruktive Koalitionsverhandlungen", warnte etwa die steirische FPÖ. Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl zeigte sich erstaunt über Stocker, sprach sich aber für ein "einheitliches" Auftreten in Brüssel aus. Die ÖVP war um Beruhigung bemüht.
APA/HELMUT FOHRINGER

Stocker hatte am Donnerstagnachmittag Journalistinnen und Journalisten zu einem Hintergrundgespräch eingeladen, das die Innenpolitik-Seiten der Samstagszeitungen füllte. Er hatte dabei von der FPÖ eine Bewegung „vom rechten Rand in die Mitte“ verlangt, ansonsten werde sich eine Regierung mit der ÖVP nicht ausgehen. Ein klares Bekenntnis zur EU, die liberale Demokratie, Medienfreiheit und der Kampf gegen Antisemitismus müssten gewährleistet sein. Konkrete rote Linien oder Verhandlungsdetails nannte der geschäftsführende Parteichef nicht.

In der FPÖ kam das jedenfalls gar nicht gut an: Aus mehreren Bundesländern meldeten sich am Samstag die FPÖ-Chefs, die dort auch teils mit der ÖVP regieren, mit harscher Kritik zu Wort. Stocker habe „nicht nur eine unzulässige Standortbestimmung über die Freiheitliche Partei“ getroffen, sondern der ÖVP-Chef „gefährdet auch die Gesprächsbasis für konstruktive Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung“, warnte etwa der steirische Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ). „Zu ernst gemeinten Verhandlungen gehört, dass beide Partner sich im Rahmen von vertraulichen Gesprächen austauschen und sich nicht über Medien und andere Dritte gegenseitig Standpunkte ausrichten“, meinte Kunasek.

„Die ÖVP muss auch auf Bundesebene lernen, Wahlergebnisse zu akzeptieren und einsehen, dass sie nicht mehr die stärkste Kraft in diesem Land ist und daher auch zu Kompromissen bereit sein muss“, mahnte Kunasek. Es sei nachvollziehbar, dass sich Stocker wohl angesichts seiner bevorstehenden Wahl zum Bundesparteiobmann der ÖVP Ende März „mit öffentlichkeitswirksamen Kanten gegen die Freiheitlichen zu positionieren versucht“, doch „parteitaktische Überlegungen“ dürften „niemals über dem Wohle Österreichs stehen“.

Die ÖVP versuchte, betont gelassen auf das blaue Gewitter zu reagieren: „Es bringt nichts, jetzt die Nerven zu verlieren“, meinte Generalsekretär Alexander Pröll. Alle sollten einen „kühlen Kopf bewahren“. Es sei klar, dass die Volkspartei die Mitte repräsentiere. „Ob sich ÖVP und FPÖ in der Mitte treffen können, werden die Verhandlungen zeigen.“

Auch die ÖVP schickte dann ihre Landesobleute aus. „Emotionen sind selten ein guter Ratgeber. Damit Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis finden können, braucht es einen kühlen Kopf“, betonte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer. „Zum Regieren braucht es zwei Partner auf Augenhöhe, die die breite Mitte im Auge haben.“ Es stehe völlig außer Frage, dass für die ÖVP „Grundpfeiler der Demokratie wie Presse- und Meinungsfreiheit oder auch ein klares Bekenntnis zur EU nicht verhandelbar“ seien. „Es darf niemanden verwundern, dass wir darauf pochen – das ist unsere Pflicht und unsere Überzeugung.“ Nun sei es wichtig, dass sich die Emotionen legen und man sich wieder „vernünftig am Verhandlungstisch begegnet“. Die ÖVP wolle zu einem guten Ergebnis kommen – „aber nicht um jeden Preis“.

„Wir haben in der Steiermark gesehen, wie ein guter Weg des Miteinanders möglich ist. Ich wünsche mir von der Bundes-FPÖ, dass sie ebenfalls die Bereitschaft an den Tag legt, sich ein Stück weit auf den potenziellen Partner zuzubewegen“, meinte die geschäftsführende steirische ÖVP-Chefin Manuela Khom.

Deutlich sanfter als seine Länderkollegen klang Samstagnachmittag FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl. Er fand in einem Posting zwar Stockers Aussagen im Medien erstaunlich, wonach man eine Regelung finden wolle, auf EU-Ebene einheitlich zu handeln. „Eigentlich würde man sich erwarten, dass ein Verhandlungspartner – in unserem Fall die ÖVP – zuerst mit uns über ihre Absichten spricht. Leider wählte man hier einen gänzlich anderen Weg…“ Allerdings, gab sich Kickl milde, „auch die FPÖ spricht sich für ein einheitliches und klares Auftreten der Bundesregierung auf EU-Ebene aus – ein Prinzip, das bis zur Causa Gewessler (Stichwort: EU-Renaturierung) stets selbstverständlich war“.

Dieses gemeinsame Handeln müsse „auf einem klaren Bekenntnis zum Einstimmigkeitsprinzip und zur Subsidiarität beruhen“, betonte Kickl. Klar sei damit auch, „Österreich wird künftig keine weiteren Kompetenzerweiterungen der EU mehr unterstützen und sich aktiv für die Rücknahme bereits erfolgter Fehlentscheidungen, wie der Schuldenunion, einsetzen“.

Salzburgs FPÖ-Chefin Marlene Svazek hatte Stocker zuvor einen „medialen Alleingang“ vorgeworfen. „Wer ernsthaft und seriös verhandeln will, der tut das im dafür vorgesehenen Rahmen.“ Sie lehne „das etwaige Ausrichten von Positionen oder Ergebnissen über die Medien strikt“ ab, ließ die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin und Vizeparteichefin im Bund, die auch in Wien mitverhandelt, Stocker wissen.

Die ÖVP sei am 29. September „eben nicht zur stärksten Partei gewählt worden“ und werde „die geänderten Vorzeichen akzeptieren müssen“, richtete Svazek ihrerseits aus. „Das Ausrichten, wer sich wohin bewegen müsse“, bringe „auch als Juniorpartner keinen Verhandlungsvorteil, im Gegenteil“. Die FPÖ wolle Verantwortung übernehmen und werde „auch weiterhin ernsthafte und konstruktive Diskussionen in den Verhandlungsgruppen führen“, meinte sie. „Wer es ernst mit einer künftigen Zusammenarbeit im Sinne der Österreicher meint, der arbeitet daran am Verhandlungstisch.“

„Wir stehen zu unseren Prinzipien“, betonte auch der niederösterreichische Landesparteichef und Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer. Alles andere wäre „Verrat am Wähler und dafür sind wir nicht zu haben“. Die ÖVP müsse „endlich verstehen, dass die FPÖ durch diese Ehrlichkeit die Nationalratswahl gewonnen hat und dass das jetzt exhumierte Nehammer-Wording der ‚angeblichen‘ Mitte abgewählt wurde“, polterte er. „Verhandelt wird am Verhandlungstisch.“

Die ÖVP werde ihre neue Rolle erst finden, die FPÖ stehe „längst staatspolitisch in der Mitte“, befand auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp. „Der Wahlkampf ist vorbei“, jetzt sei die „Zeit von seriösen Verhandlungen“, meinte er. „Politische Verhandlungen gehören an den Verhandlungstisch und nicht in die Zeitungsspalten. Wer ernsthafte Lösungen anstrebt, muss direkt und sachlich kommunizieren, anstatt über die Öffentlichkeit Stille Post zu spielen.“

„Manche Parteien scheinen aus ihren herben Niederlagen der letzten Monate nichts gelernt zu haben“, hieß es aus der burgenländischen FPÖ. „Stille Post oder Hinterzimmergespräche über die Bande schaden in Wahrheit nur der ÖVP selbst und bringen unser Land gleichzeitig keinen Millimeter weiter.“ Die FPÖ sei „längst in der Mitte angekommen“, glaubt auch der burgenländische Landesparteiobmann Alexander Petschnig. „Es ist höchste Zeit, dass die Volkspartei ihre neue Rolle als Verhandlungspartner nicht nur versteht, sondern auch ernst nimmt.“