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news/APA/Montag, 21.10.24, 07:02:00

Fotofinish bei moldauischem EU-Beitrittsreferendum

Die Bevölkerung Moldaus ist in der Frage der EU-Annäherung tief gespalten. Ein Referendum, mit dem die pro-europäische Regierung von Präsidentin Maia Sandu die EU-Perspektive des Landes in der Verfassung festschreiben lassen wollte, hat am Sonntag ein äußerst knappes Ergebnis gebracht. Nach Auszählung fast aller Stimmen lagen beide Lager nur einige hundert Stimmen auseinander, wobei das Nein knapp überwog. Sandu gewann die erste Runde der Präsidentenwahl.
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Bei einem Auszählungsgrad von 98,2 Prozent stimmten 50,06 Prozent gegen die Verfassungsänderung, während 49,94 Prozent sie unterstützten. Das Nein-Lager war zu Beginn der Auszählung schon mit 55 Prozent voran gelegen, doch sorgten die Stimmen der traditionell mehrheitlich pro-europäischen Auslandsmoldauer für einen Umschwung. Zeitweise war sogar das Ja in Führung.

Während der führende pro-russische Oppositionspolitiker Ilan Shor am Sonntagabend bereits die „laute und klare“ Ablehnung des EU-Beitritts durch die Moldauer gefeiert hatte, erhob Staatspräsidentin Sandu schwere Vorwürfe gegen Russland, dem sie Stimmenkauf in gigantischem Ausmaß vorwarf. Es gebe Beweise, wonach 300.000 Stimmen gekauft worden seien, sagte sie. „Wir haben es mit einem beispiellosen Angriff auf die Freiheit und die Demokratie in unserem Land zu tun.“ Sie wolle das Endergebnis abwarten und dann Entscheidungen treffen. Details nannte die 52-Jährige nicht. Allerdings hatten moldauische Sicherheitskräfte schon vor dem Urnengang Wählerbestechung und prorussische Desinformation in dem Land mit rund 2,5 Millionen Einwohnern aufgedeckt,

Beim Referendum wurde gefragt, ob die Verfassung geändert werden soll, um den EU-Beitritt als Ziel aufzunehmen. Nachdem die pro-russische Opposition offiziell zu einem Boykott der von der Regierung initiierten Volksabstimmung aufgerufen hatte, war allenfalls eine zu niedrige Beteiligung erwartet worden, aber keine Ablehnung. Tatsächlich wurde die erforderliche Stimmbeteiligung von einem Drittel mit fast 50 Prozent deutlich erreicht, während erste Teilergebnisse eine deutliche Ablehnung mit 55 Prozent zeigten. Im Laufe der Auszählung drehte sich jedoch das Blatt durch klare Ja-Mehrheiten in der Hauptstadt Chisinau und insbesondere in der Diaspora. Auffallend war die starke Ablehnung in der autonomen Region Gagausien, wo gerade einmal fünf Prozent für die EU-Mitgliedschaft stimmen. Wenige Tage vor der Wahl war die Regionalpräsidentin wegen pro-russischer Aktivitäten mit EU-Sanktionen belegt worden.

Die Auslandsstimmen sorgten auch dafür, dass Amtsinhaberin Maia Sandu bei der Präsidentenwahl eine klare relative Mehrheit erzielte. Sandu kam nach den aktualisierten Teilergebnissen zufolge auf 41,8 Prozent der Stimmen, ihr pro-russischer Widersacher Alexandr Stoianoglo erreichte 26,4 Prozent. Drittplatzierter war der prorussische Unternehmer und frühere Kommunalpolitiker Renato Usatii mit 13,8 Prozent, die restlichen Präsidentschaftsbewerber fuhren alle Ergebnisse im einstelligen Bereich ein. Weil kein Kandidat die absolute Stimmenmehrheit erreichte, werden Sandu und Stoiagnolo am 3. November in einer Stichwahl gegeneinander antreten.

Kritiker Sandus werfen ihr vor, die Interessen des Westens zu vertreten und darüber zu versäumen, die angeschlagene Wirtschaft und die hohe Inflation in den Griff zu bekommen oder Justizreformen voranzutreiben. Die moldauische Regierung versuchte, bei der Energieversorgung unabhängiger von Russland zu werden, weshalb die Preise in die Höhe schnellten. Moldau ist eines der ärmsten Länder Europas.

Bei ihrer Stimmabgabe sagte Sandu, der Wahlausgang müsse vom „Willen des moldauischen Volkes“ bestimmt werden und nicht „von schmutzigem Geld“. Die Präsidentin beschuldigt Moskau immer wieder, sich politisch in der ehemaligen Sowjetrepublik einzumischen. Anfang Oktober hatte die moldauische Polizei einen groß angelegten Wahlbetrug aufgedeckt, bei dem mehr als 100.000 Menschen bestochen worden sein sollen, um im Sinne Moskaus abzustimmen. Nach Einschätzung des moldauischen Politikinstituts WatchDog hat Moskau allein in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Dollar (92 Millionen Euro) für Einmischungen in die moldauische Politik ausgegeben. Der Kreml wies alle Vorwürfe „kategorisch“ zurück.

Moldau grenzt an die Ukraine und an Rumänien. Seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 befürchten viele Moldauer, dass Russland ihr Land als nächstes angreifen könnte. Sorge bereitet vielen auch die Lage in der russischsprachigen Region Transnistrien, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Moldau abgespalten hatte.