Die „Übergabe“ soll mit 18. Dezember, mit dem Budgetlandtag, erfolgen. Ebendieses Budget will Dornauer noch mitpräsentieren. Im Landtag gedenkt Dornauer zu bleiben, verwies er auf sein Direktmandat mit gehöriger Wählerunterstützung. Die Personalie Wohlgemuth soll dem Vernehmen nach Mittwochabend im SPÖ-Vorstand abgesegnet werden. Dass er auch als Landesparteichef zurücktreten werde, sagte Dornauer in der Pressekonferenz übrigens zwar nicht explizit, die Partei bestätigte der APA aber auf Nachfrage, dass dies der Fall sein werde.
Der sichtlich bewegte Noch-Landeshauptmannstellvertreter – er stand der Tiroler SPÖ seit 2019 vor – machte unterdessen in seinem kämpferischen wie etwas trotzigen Statement in der mit Medienvertretern gerammelt vollen Parteizentrale klar, dass er „keinen Rücktrittsgrund“ sehe. „In der Partei sehen es aber viele anders. Als ein in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat akzeptiere ich eine mehrheitliche Stimmungslage“, so Dornauer, der noch bis zum späten Dienstagabend nicht gehen wollte.
Zur „Causa Prima“ gab Dornauer an, dass er – „bei aller schiefen Optik und nachvollziehbarem Unverständnis“ – „keinen Gesetzesbruch begangen“ habe und auch „kein Schaden“ entstanden sei. „Ich habe keine Einladung angenommen, sondern lediglich einen Freund (einen Hotelier, Anm.) begleitet. Dass dabei auch Benko dabei war, bedeutet in keiner Weise dass ich seine geschäftliche Vorgangsweisen goutiere oder gar unterstütze.“
Zuletzt war der Druck auf den 41-Jährigen beständig gestiegen. Nach der Innsbrucker Stadtpartei, die Dornauer abends mittels Bezirksausschuss schließlich einstimmig zum Rücktritt aufforderte, äußerten sich immer mehr Parteigranden der Sozialdemokraten aus den Ländern bis hin zur Bundesspitze um Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler. Nahezu wortgleich richteten sie Dornauer aus, dieser „werde wissen, was er zu tun hat“.
Nach Dornauers „Erklärung“ meinte Babler am Mittwoch auf dem Kurznachrichtendienst X, dass der scheidende Tiroler SPÖ-Chef nun „Verantwortung“ zeigte. „Dass wir in manchen politischen Feldern nicht immer einer Meinung waren, ist bekannt“, dennoch wollte er ihm für seine Arbeit danken. Gleichzeitig wünschte der Bundesparteichef dem wahrscheinlichen Nachfolger Wohlgemuth „alles Gute“, dieser sei ein „engagierter Gewerkschafter“ und werde Tirol „guttun“.
Dornauer selbst meinte zum Nachfolger Wohlgemuth, dass dieser „ein jahrelanger Mitstreiter für sozialdemokratische Ideen“ sei: „Bei ihm sind die großen Aufgaben in allerbesten Händen.“ Darüber hinaus bedankte sich der scheidende rote Chef beim Koalitionspartner, Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP): „Wir haben in den letzten zwei Jahren bewiesen, was es heißt unaufgeregt solide eine Landesregierung zu führen – im Interesse von Tirol und den Tirolerinnen und Tirolern. Unaufgeregt und ohne Streit.“
Mattle (ÖVP) hatte die SPÖ in den vergangenen Tagen aufgefordert, eine „klare Position“ in der Causa einzunehmen. Er sprach hinsichtlich Dornauers Verhalten jedenfalls von „unangemessenen Eskapaden und Blödheiten“, eine Rücktrittsaufforderung oder ein Drängen darauf waren jedoch nicht zu vernehmen. Bei einem tatsächlichen Verstoß gegen das Dornauer auferlegte Waffenverbot wäre jedoch eine „rote Linie“ überschritten, hieß es.
Nach Dornauers Erklärung ließ das Büro des Landeschefs wissen, dass Mattle den Rücktritt als Landeshauptmannstellvertreter Dienstagabend angenommen habe. Dem Landeshauptmann gehe es um „Stabilität für Tirol und eine Regierung, die für die Menschen arbeitet“. Am frühen Mittwochnachmittag tagt der Landesparteivorstand der Tiroler Volkspartei. Danach werde Mattle eine Stellungnahme abgegeben.
Dornauer-Nachfolger Wohlgemuth sprach gegenüber dem ORF Tirol davon, dass der Tiroler SPÖ-Chef „gewusst hat, was zu tun ist“: „Er hat Konsequenzen für sich selber und die Partei gezogen.“ Nun gehe es darum, die SPÖ „in ruhige Gewässer“ zu bringen und dem Regierungspartner ÖVP „innerhalb der Koalition Stabilität zu gewährleisten“. Und zuallererst wolle man dafür einstehen, dass es ein „gutes Leben für alle in Tirol gibt“.
Dass Dornauer Landtagsabgeordneter bleiben bzw. werden will, stößt bei den eigenen Genossen unterdessen nicht auf helle Begeisterung. Im Gegenteil: Es formiert sich offenbar Widerstand im SPÖ-Klub, wie die „Tiroler Tageszeitung“ online berichtete. Landtagsvizepräsidentin Elisabeth Blanik sah im Wechsel auf die Abgeordnetenbank „Realitätsverweigerung“, Landtagsabgeordneter Benedikt Lentsch wurde deutlich: „Der Wechsel von der Landesregierung in den Landtag geht nicht.“
Bei der Landtagssitzung, die am Mittwoch parallel zu Dornauers Erklärung stattgefunden hatte, holte indes die Opposition einen bereits vorbereiteten Misstrauensantrag gegen ihn aus der Schublade. FPÖ, Liste Fritz, Grüne und NEOS waren unisono der Meinung, dass Dornauer nicht erst im Dezember rücktrittsreif wäre, sondern bereits jetzt. Dass der Antrag vorgezogen wird, verhinderte jedoch eine Koalitionsmehrheit. Damit wird der Antrag ans Ende der Tagesordnung gesetzt und erst Donnerstagnachmittag behandelt. Unklar ist, wie sich die – offenbar durch Dornauers „Schritt auf die Seite“ vor den Kopf gestoßenen – roten Landtagsabgeordneten verhalten werden.
Auch abseits des Plenums schoss die Opposition aus allen Rohren und sah eine Regierungskrise. Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger zeigte sich in einer Aussendung über die „Erklärung“ von Dornauer „irritiert“. „Das war eine parteiinterne Kampfansage, kein Rücktritt ist erfolgt und Dornauer zeigt null Einsicht“, sagte Abwerzger. Der heutige Auftritt beweise jedenfalls, dass Tiroler SPÖ und die Bundes-SPÖ „ein Scherbenhaufen“ und „nicht regierungsfähig“ seien. Als Konsequenz daraus forderte der Tiroler FPÖ-Chef „Neuwahlen in Tirol“.
Grünen-Klubobmann Gebi Mair ortete einen „pirouettenhaften Nicht-Rücktritt von Dornauer“. Die SPÖ reiße damit auch die Landesregierung ins Chaos. Eine Hängepartie über ein Monat drohe, nachdem Dornauer ankündigt habe, erst im Dezember-Landtag als Landeshauptmannstellvertreter übergeben zu wollen.
NEOS-Klubobfrau Birgit Obermüller zeigte sich im Landtag verärgert über das Hinauszögern eines Misstrauensantrages durch die Koalition. Dies sei ein „schlechter Umgang“. Immerhin sei der „Vertrauensbruch“ bereits jetzt da. Mit einem Misstrauensantrag würde man es Dornauer verunmöglichen, „weiter Spiele zu treiben“, denn: „Ein Georg Dornauer wird immer wieder versuchen, rote Linien zu überschreiten.“
Ausgangspunkt der Causa war ein Foto von einem Jagdausflug in der Steiermark im September auf der Titelseite der Montagsausgabe der „Kronen Zeitung“. Der derzeit noch mit einem Waffenverbot belegte Dornauer beteuerte, nicht auf einen Hirschen geschossen zu haben, und dass der von ihm getragene Hut, der ihn aufgrund des „Beutebruchs“ als Schützen ausweist, nicht der Seine gewesen sei. „Es ist nicht mein Hut“, meinte er. Der befreundete Hotelier bestätigte, selbst geschossen zu haben, die Abschussmeldung würde es beweisen. Auch der Jagdleiter im Revier habe dies bezeugt. Inzwischen legte Dornauer auch die von ihm geforderten Dokumente und Erklärungen vor. Der Jagdausflug fand in der Luxusjagd Stüblergut in der Steiermark statt, die zu einer Privatstiftung von Benko gehört.