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blog / Dienstag 28.04.20

APA Check Avatar Wie lange bleibt das Coronavirus auf Oberflächen?

 

Wird SARS-CoV-2 nur über eine Tröpfcheninfektion weitergegeben oder spielt auch die sogenannte „Schmierinfektion“ eine Rolle, sodass man aufpassen muss, wenn man etwa Türklinken angreift? Diese Frage taucht in diesen Zeiten immer wieder auf. Denn viele Menschen würden gerne wissen, wie lange das Virus auf Oberflächen „überleben kann“. Dazu gibt es aber leider noch wenige Studienergebnisse und die, die es gibt, sind mit Vorsicht zu genießen.

 

Zu überprüfende Information: Das neuartige Coronavirus kann mehrere Tage auf Oberflächen haften bleiben.

Einschätzung: Es gibt noch keine eindeutige wissenschaftliche Evidenz, wie lange SARS-CoV-2 auf Oberflächen bestehen bleibt. Studien zufolge können sich zwar Coronaviren für ein paar Stunden bis zu mehrere Tage auf Oberflächen halten. Virologen sind aber skeptisch, dass sich diese Labor-Untersuchungen auf den Alltag umlegen lassen. In der Heinsberg-Studie wurden etwa nur „tote“ Viren auf Oberflächen in hochinfektiösen Haushalten gefunden.

Überprüfung: Zunächst muss festgehalten werden, dass das Coronavirus nicht lebt. Es ist also nicht ganz richtig zu sagen, wie lange das Virus auf Oberflächen „überlebt“ (Beispiel 1Beispiel 2). Das Virus ist kein lebender Organismus wie ein Bakterium, sondern eine organische Struktur, die nicht „sterben“, sondern nur seine Struktur auflösen kann. Wie schnell das passiert, hängt von der Temperatur, der Feuchtigkeit und der Art des Materials ab, auf dem es sich befindet, schreibt das Institut für Mikrobiologie der Universität Innsbruck auf ihrer Website. Doch wie schnell passiert das? Zwei Studien geben Aufschluss.

Die erste Studie des „The new england journal of medicine“ mit dem Namen „Aerosol and Surface Stability of SARS-CoV-2 as Compared with SARS-CoV-1“ von April 2020 wird in den meisten Fällen von Medien zitiert. Die Studie vergleicht die Stabilität von SARS-CoV-2, dem aktuellen Coronavirus, mit dem verwandten SARS-CoV-1 unter fünf Bedingungen. Sie kommt zu dem Schluss, dass das SARS-CoV-2 auf Plastik bis zu 72 Stunden, auf Edelstahl 48 Stunden, auf Karton 24 Stunden, auf Kupfer vier Stunden und in der Luft drei Stunden nachweisbar ist.

Die zweite Studie des „Journal of Hospital Infection“ mit dem Titel „Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and

their inactivation with biocidal agents“ erschien im Februar 2020. Darin wurde die Beständigkeit von Coronaviren auf unbelebten Flächen untersucht. Wichtig zu beachten ist, dass sich diese Studie nicht explizit auf das SARS-CoV-2 bezieht, sondern annimmt, dass es sich bei diesem Virus ähnlich verhält wie bei anderen menschlichen Coronaviren. Das Resultat ist vager als bei der ersten Studie: Auf verschiedenen Arten von Materialien könne das Virus zwischen zwei Stunden und neun Tagen infektiös bleiben. Eine höhere Temperatur wie 30 Grad Celsius oder 40 Grad Celsius würde die Dauer der Beständigkeit der untersuchten hochpathogenen Viren reduzieren. Bei vier Grad Celsius soll sich die Beständigkeit auf 28 Tage erhöhen. Zudem halte sich das Virus HCoV-229E bei Raumtemperatur und 50 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit besser als bei 30 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit.

Die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen. Der deutsche Virologe Christian Drosten nahm Bezug auf die erste Studie und sagte im Podcast des Norddeutschen Rundfunks (Folge 14), dass „doch relativ lange Zeiten ausgedrückt“ seien. Die Untersuchung sei „extrem simpel gehalten“ und die reale Situation sei anders als in Laborbedingungen. Im realen Leben würde das Virus schneller zerfallen, da sich die infektiöse Einheit zB. auf der Haut verdünne: „Deswegen muss man ganz vorsichtig sein mit solchen wissenschaftlichen Daten. Die sind nicht falsch. Aber sie sind so simpel, dass die reale Infektion damit wahrscheinlich nicht abgebildet wird.“

Auch die Ärztin Verena Mayr vom Department für Evidenzbasierte Medizin der Donau-Uni Krems sagte der Tageszeitung „Standard“, dass mit solchen Laborstudien nie „auf alle Bedingungen in der Welt außerhalb des Labors geschlossen werden“ könne. Ausschlaggebend sei die Viruslast, die für eine Infektion notwendig sei und diese sei „für Covid-19 noch unbekannt und wahrscheinlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich.“

Der deutsche Virologe Hendrik Streeck, der in der Region Heinsberg zahlreiche Infizierte besucht und deren Haushalte untersucht hat, sagte im Interview mit Die Zeit oder auch in der ZDF-Talkshow Markus Lanz, dass man auf Oberflächen wie Türklinken nur die RNA von „toten“ Viren gefunden hätte. Es sei nicht gelungen, diese im Labor anzuzüchten. Eine Türklinke könne nur infektiös sein, wenn ein Infizierter in die Hand huste und dann auf die Türklinke greife. Aber selbst in einem Haushalt mit mehreren hochinfektiösen Menschen sei es nicht gelungen, ein „lebendes“ Virus auf irgendeiner Oberfläche nachzuweisen.

Das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus über Oberflächen wird als eher gering eingestuft. Gewichtiger ist laut Robert Koch-Institut die Tröpfcheninfektion durch Husten oder Niesen.

 

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Valerie Schmid/Florian Schmidt

AKTUALISIERT AM 25. MAI 2020 18:50