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blog / Freitag 17.07.20

APA Check Avatar Warnung vor geplanter Grippe-Impfungen für alle Kinder irreführend

Eine Leserin des APA-Faktenchecks hat unser Team auf einen Text aufmerksam gemacht, der derzeit vor allem über WhatsApp geteilt wird. Laut den Informationen einer anonymen ehemaligen „Mitarbeiterin eines führenden Pharmakonzerns“ ist es geplant, ab Herbst alle Kinder mit einem Nasenspray gegen die Grippe zu impfen. Der Text warnt davor, dass dieser Spray „gentechnisch veränderte Bestandteile“ beinhaltet, sowie „mehrere toxische Stoffe und Zellen von Affen und Hunden (Cockaspaniel)“.
APA-Faktencheck hat sich daraufhin auf die Suche gemacht, ob diese Behauptungen auf eine große Verbreitung stoßen und dabei ein Facebook-Posting mit diesen Inhalten gefunden, das bereits über 1.000 mal geteilt wurde. Der Text findet sich sogar auf der Homepage des BZÖ Kärntens. Insofern erfüllt das Material die Kriterien unserer Faktencheck-Regeln nach Relevanz und Aktualität, weshalb wir dieses Thema in einem Faktencheck behandeln wollen.
Zu überprüfende Behauptung: Laut Gesundheitsminister Rudi Anschober ist es geplant, ab Herbst alle Kinder in Österreich mit einem Nasenspray gegen Grippe zu impfen. Der Nasenspray enthält toxische Stoffe, „gentechnisch veränderte Bestandteile“ sowie Zellen von Affen und Hunden.
Einschätzung: Diese Behauptungen sind falsch. Die Impfung wird Teil eines freiwilligen Impfprogrammes für Kinder. Der angedachte Nasenspray ist laut Experten unbedenklich. Er enthält weder tierische Zellen noch in der vorhergesehenen Dosierung bedenkliche Stoffe. Die enthaltenen und zur Immunisierung erforderlichen Viren sind genetisch modifiziert.
Überprüfung:
Gesundheitsminister Anschober schrieb Ende Juni auf Facebook, dass „für die kommende Grippesaison“ die Grippeimpfung in das kostenlose Kinderimpfprogramm aufgenommen wird. Die Impfung per Nasenspray sei für Kinder besonders schonend.
Auf Anfrage der APA beim Gesundheitsministerium bestätigte man, dass die Inanspruchnahme dieser Influenza-Impfung sowie die Inanspruchnahme aller anderen Impfungen des kostenlosen Kinderimpfprogrammes freiwillig ist. Die Impfung steht in einer begrenzten Menge zur Verfügung. Angedacht ist dafür der in dem dem Faktencheck zugrunde liegenden Text erwähnte „Fluenz Tetra Nasenspray“.
Bei dem Nasenspray handle es sich um einen überprüften Impfstoff, so das Gesundheitsministerium. Nur Impfstoffe, die über ein „positives Nutzen-Risikoprofil“ verfügen, würden für die Anwendung zugelassen. Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen des Nasensprays seien dabei verminderter Appetit, verstopfte oder rinnende Nase und Unwohlsein. Aufgrund möglicher Nebenwirkungen sei der Impfstoff erst ab dem Alter von 24 Monaten für eine Verwendung zugelassen.
Laut Gesundheitsministerium können die für die Bewertung herangezogenen Informationen zu Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffes der beiliegenden Fachinformation entnommen werden. Diese können etwa auf der Website Patienteninfo-Service gefunden werden. Auf diese Seite verweist auch der zu überprüfende Text, dieser behauptet aber gleichzeitig, dass die erwähnte anonyme Quelle über einen anderen Beipackzettel verfügte, auf dem noch mehr enthaltene Stoffe stünden.
Dr. Martin Kober von der Roten Liste Service GmbH, die auf dieser Seite Gebrauchsinformationen zu Medikamenten online zur Verfügung stellt, erklärte auf Anfrage, dass die teilnehmenden pharmazeutischen Unternehmen ihre aktuellen Gebrauchsinformationen zur Verfügung stellen. Er leitete unserem Faktencheck-Team eine E-Mail weiter, in der auch das verantwortliche pharmazeutische Unternehmen AstraZeneca noch einmal versichert, dass die Gebrauchsinformation von Fluenz Tetra dem tatsächlichen Beipackzettel der Impfsaison 2019/2020 entspricht.
Karin Storzer, Communications Manager von AstraZeneca Österreich GmbH, versicherte auf Nachfrage, dass alle Wirkstoffe und Bestandteile des Nasensprays vollständig in der Fachinformation und der Gebrauchsinformation angegeben sind. So etwa auch die enthaltenen genetisch veränderten Organismen. „Dies sind die Influenzaviren, die lebend-attenuiert sind. Sie sind also dahingehend genetisch modifiziert, dass sie keine influenza-typischen Krankheitssymptome auslösen und sich kaum bei Körpertemperatur vermehren können“, so Storzer. Sie können aber dennoch zu einer Immunisierung führen.
Der Nasenspray enthalte keine pflanzlichen oder tierischen Zellen, „weder von Affen noch Hunden, oder sonstigen Organismen“. Ebenfalls seien keine Bestandteile zu finden, die in der „verwendeten Dosierung“ toxisch seien.
Univ. Prof. Dr. Michael Freissmuth, Leiter des Instituts für Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien gab auf Anfrage der APA hinsichtlich der Risiken des Medikaments Entwarnung. Es handle sich um einen Wirkstoff mit abgeschwächten Viren von vier Stämmen, die hitzelabil seien und bei Körpertemperatur rasch inaktiviert werden. Die behauptete „gentechnische Herstellung“ bestehe rein darin, dass die Viren in Zellkultur „reassortiert“ werden, damit gezielt „Gensegmente vom Wildtypvirus in das Genom des abgeschwächten Virus aufgenommen werden“. Der Impfstoff selbst habe aber keinen Kontakt zur Zellkultur. Außerdem würden die Vero-Zellen nicht von Hunden, sondern Meerkatzen (Primatengattung) stammen.
Der Impfstoff selbst werde laut Freissmuth in Hühnereiern hergestellt, weshalb das einzige, was möglicherweise in Spuren enthalten sei, Ovalbumin, das Protein des Eiweiß, ist. Der Impfstoff sei daher ähnlich gefährlich, als würde man „in einer Konditorei eine Kardinalschnitte oder etwas anderes mit gezuckertem Schnee essen und davon ein bisschen was in die Nase bekommen“. Ovalbumin könne aber überhaupt nicht über die Nase ins Gehirn oder ins Blut gelangen. Es gebe darüber hinaus auch keinen Grund, anzunehmen, dass Proteine im Gehirn nicht abgebaut werden können. Der zugrunde liegende virale Text behauptete, dass die durch den Impfstoff verabreichten Stoffe „oberhalb der Blut-Hirn-Schranke“ nicht ausgeschieden, bekämpft oder verarbeitet werden können.
Wenn Sie zum Faktencheck-Team Kontakt aufnehmen oder Faktenchecks zu relevanten Themen anregen möchten, schreiben Sie bitte an faktencheck@apa.at.
Florian Schmidt/Sonja Harter