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blog / Freitag 02.06.23

APA Check Avatar Vielfach geteiltes Mückenstich-Foto ist aus 2017

APA/dpa

Der bisher relativ feuchte Frühling und die zuletzt milden Temperaturen hatten heuer schon früh viele Stechmücken schlüpfen lassen (1). Mitten in diese Zeit fällt die Veröffentlichung eines vielfach geteilten Facebook-Postings (2), in dem eindringlich vor dem Ignorieren von Mückenstichen gewarnt wird. Diese könnten unbehandelt bis zum Tod führen, heißt es darin. Auf dem begleitenden Foto ist ein gerötetes, geschwollenes Bein zu sehen.

Einschätzung: Das Bild stammt, anders als im Posting behauptet, nicht aus dem heurigen Mai, sondern wurde vor bereits mehr als sechs Jahren auf Facebook veröffentlicht – mit einem deutlich weniger alarmierenden Text. Das vermeintliche „junge Mädchen“ war zudem bereits damals eine erwachsene Frau aus den USA.

Überprüfung: Das Foto taucht seit Jahren immer wieder im Internet auf und war seither auch schon Anlass für mehrere Faktenchecks (3,4,5). Ursprünglich wurde das Bild im März 2017 bei Facebook hochgeladen (6). Schon damals wurde es von einem warnenden Text begleitet – allerdings klang dieser deutlich weniger bedrohlich als in der holprig ins Deutsche übersetzten Version.

Im Originaltext wurde lediglich eine Bedrohung für den Blutkreislauf („it would have been in her blood“) erwähnt. Im aktuellen Posting wird behauptet, die Infektion hätte unbehandelt zum Tod geführt. Der ursprüngliche Beitrag wurde von einer US-amerikanischen Frau verfasst, die ihre Tochter zuvor wegen einer Schwellung nach einem Mückenstich in eine Notaufnahme gebracht hatte.

Die Tochter ist, anders als das aktuelle Posting suggeriert, kein „junges Mädchen“, sondern war schon zum Zeitpunkt des ursprünglichen Uploads eine erwachsene Frau (7,8). Ihre Geschichte wurde damals nicht nur bei Facebook geteilt, sondern auch von Medien aufgegriffen (9). Eine aktuelle Anfrage von APA-Faktencheck zum damaligen Vorfall blieb bisher unbeantwortet.

Über den tatsächlichen Auslöser der Rötung, Schwellung und der beschriebenen Schläfrigkeit können auch Experten ohne weitere Informationen nur mutmaßen. Die Wiener Tropenmedizinerin Ursula Hollenstein (10) gab sich gegenüber APA-Faktencheck vorsichtig mit Ferndiagnosen. „Wenn der zeitliche Ablauf stimmt, nämlich schon wenige Stunden bis maximal einen Tag nach dem Stich, kann es entweder eine starke allergische Reaktion sein, oder auch eine bakterielle Infektion, da durch Kratzen natürlich leicht Hautbakterien in so eine kleine Wunde gelangen können und selten aber doch eine Infektion auslösen“, so Hollenstein (11).

Die Expertin stellte gegenüber APA-Faktencheck klar: „Irgendetwas ’neues, dramatisches, eingewandertes‘ ist es aber definitiv nicht.“ Tatsächlich sind auch hierzulande neue Insektenarten auf dem Vormarsch (12). „Deren Stich ist aber trotzdem nur ein Stich und nicht per se schon dramatischer. Die Bedeutung dieser Arten, allen voran Aedes albopictus (die Tigermücke), liegt im Potential ‚Tropenerkrankungen‘ zu übertragen“, erklärt die Ärztin.

Die ursprünglich aus tropischen Regionen stammende asiatische Tigermücke (13) mit ihrer auffälligen Zeichnung ist gefürchtet, weil sie Zika-Virus, Dengue-Fieber und Chikungunya übertragen kann (14,15,16). Seit 2007 wurden in Mitteleuropa zudem vier weitere neue Stechmückenarten nachgewiesen, überdies können Experten zufolge heimische Gelsen mittlerweile auch das West-Nil-Virus (17) übertragen.

Bis es auch in Österreich zu einer Übertragung dieser Krankheiten kommt, dauert es laut der Tropenmedizinerin allerdings. Denn Erreger werden von Mensch zu Mensch übertragen, die Tiere sind dabei nur das Vehikel. „Erst wird die Mücke heimisch und ausreichend verbreitet, dann bringen Reiserückkehrer den Krankheitserreger mit. Wenn diese Personen dann hier bei uns gestochen werden, infiziert sich die Mücke und dann besteht das Potential einer lokalen Übertragung“, erläutert die Medizinerin den Ablauf.

Auch wenn neue Arten neues Gefahrenpotential bergen und bereits vorhandene Arten in Österreich bisher nicht übertragene Krankheiten verbreiten können, kann man nicht von einer „neuen Art Mückenstich“ sprechen. Diese Behauptung ist auch im Originalposting („a new kind of mosquito bite that causes an infection“) falsch.

Denn bei Stechmücken verursacht der Stich selbst keine Erkrankungen, sondern lediglich lokale Entzündungen oder allergische Reaktionen (18). Das gilt auch für neu eingewanderte Arten. „Die von der asiatischen Tigermücke übertragenen Infektionen machen alle keine besondere Lokalreaktion an der Stichstelle und die Symptome treten auch frühestens 3-4 Tage nach dem Stich auf“, so Hollenstein.

Immer wieder wird mit Aufrufen zum Weiterverbreiten von Facebook-Postings einfach und wirkungsvoll Interaktion erzeugt, wie das aktuelle Beispiel zeigt. Nicht immer handeln Personen, die solche Beiträge teilen, in böser Absicht, sondern weil sie tatsächlich helfen wollen. Dennoch ist es wichtig, nicht jeden Beitrag unhinterfragt weiterzuverbreiten. Eine kurze Online-Recherche reicht oftmals aus, um eine Falschmeldung als solche zu erkennen.

Quellen:
(1) orf.at-Artikel zu Gelsen: https://go.apa.at/XybGKjq6 (archiviert: https://archive.ph/j4NQo)
(2) Facebook-Posting: https://go.apa.at/eGWRzLXZ (archiviert: https://archive.ph/9hQvr)
(3) Faktencheck aus Frankreich: https://go.apa.at/ocvt6qAZ (archiviert: https://archive.ph/WS3sY)
(4) Faktencheck aus Dänemark: https://go.apa.at/JprKF2Mw (archiviert: https://archive.ph/HLF5n)
(5) Mimikama-Faktencheck: https://go.apa.at/qU0wXHeZ (archiviert: https://archive.ph/uEhOl)
(6) Original-Posting aus 2017: https://go.apa.at/WNRkhevw (archiviert: https://perma.cc/KGY5-8FC6)
(7) Facebook-Foto der Frau mit Kommentar der Mutter: https://go.apa.at/6UAqIVUy (archiviert: https://archive.ph/UPuUG)
(8) LinkedIn-Profil der Frau: https://go.apa.at/yh58OaJR (archiviert: https://archive.ph/7tUQD)
(9) Medienbericht aus 2017: https://go.apa.at/EjShUOQz (archiviert: https://archive.ph/0USag)
(10) Über Tropenmedizinerin Hollenstein: https://go.apa.at/F564ITHS (archiviert: https://archive.ph/JxS4K)
(11) Allgemeine Informationen zu Mücken: https://go.apa.at/F7K0bylK (archiviert: https://archive.ph/y3JVT)
(12) derstandard.at zu invasiven Arten: https://go.apa.at/OOZr3oWB (archiviert: https://archive.ph/VGbG5)
(13) derstandard.at zur asiatischen Tigermücke: https://go.apa.at/RosvQs31 (archiviert: https://archive.ph/zpZWr)
(14) AGES-Informationen zum Zika-Virus: https://go.apa.at/Q6oXcMTr (archiviert: https://archive.ph/y7gR5)
(15) AGES-Informationen zum Dengue-Fieber: https://go.apa.at/5BAsezhU (archiviert: https://archive.ph/4HQhf)
(16) AGES-Informationen zu Chikungunya: https://go.apa.at/rZGU1vpz (archiviert: https://archive.ph/aXOlp)
(17) AGES-Informationen zum West-Nil-Virus: https://go.apa.at/j4Wk670j (archiviert: https://archive.ph/e1Mzb)
(18) netdoktor.at zu Insektenstichen: https://go.apa.at/xK492h2e (archiviert: https://archive.ph/4zoY9)

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Stefan Rathmanner/Florian Schmidt