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blog / Dienstag 26.09.23

APA Check Avatar Temperaturanstieg auch ohne Wärmeinsel-Effekt

APA/Symbolbild

Nachdem Messungen einen Anstieg der Durchschnittstemperatur weltweit belegen, rücken einige Kritiker aus, um die Messmethoden zu hinterfragen. Einem viralen Video (1,2) zufolge sollen sich heutzutage etwa mehr Messstationen in städtischen Regionen befinden, wodurch die Temperaturmesswerte verzerrt würden, da es in der Stadt erwiesenermaßen heißer wird. In Wirklichkeit hat dies aber kaum Auswirkungen auf die Messungen.

Einschätzung: Der städtische Wärmeinseleffekt fließt in Österreich in die Messungen ein, trägt aber nur einen Bruchteil zum Gesamtanstieg der beobachteten Temperaturwerte bei. In Deutschland, das auch im Mittelpunkt des Videos steht, fließen städtische Messungen gar nicht in diese Berechnungen ein.

Überprüfung: Dass es den sogenannten Wärmeinsel-Effekt gibt, ist erwiesen. In Städten wird es heißer als auf dem Land (3). Die Frage, ob städtische Messstationen somit einen großen Anteil am Temperaturanstieg vor allem angesichts zunehmender Besiedelung und Verbauung ausmachen, ist daher durchaus berechtigt.

In der Realität stellt dies allerdings kein Problem für die Berechnungen dar. Nur wenige der 38 Wetterstationen des HISTALP-Messnetzwerks (4), mit dem die Durchschnittstemperatur über eine Zeitspanne von mehr als 250 Jahre gemessen wurde, lägen im städtischen Raum, sagt der Klimatologe Alexander Orlik von der Geosphere Austria auf Anfrage von APA-Faktencheck. Dazu gehörten etwa Stationen in Innsbruck und Wien. Bei sechs der 38 Messstationen handle es sich hingegen um Gipfelstationen.

Der Wärmeinsel-Effekt würde durch die städtischen Werte zwar miteinfließen und sei auch schwer aus der Statistik zu eliminieren, er mache aber nur einen Bruchteil des Gesamtanstiegs der Durchschnittstemperatur aus. In Wien lag die Temperaturerhöhung etwa nur 0,2 Grad Celsius über dem allgemein in Österreich beobachteten Wert. „Der Wärmeinseleffekt erklärt den hohen Anstieg der Gesamttemperatur in Österreich nicht“, so Orlik.

Zu Änderungen der Standorte sei es in den letzten Jahrzehnten natürlich regelmäßig gekommen. Hierbei würde man aber vergleichbare Standorte in der Nähe suchen. Durch eine Homogenisierung der Datensätze würden unnatürliche Sprünge und Einflüsse durch Standortwechsel und Änderungen in den Messmethoden ohnehin in regelmäßigen Abständen korrigiert. Auch gebe es bei Messstationen keinen Trend hin zu städtischen Regionen.

In Deutschland gibt es ein separates Messnetzwerk

Doch wie ist die Situation in Deutschland, die auch im viralen Video explizit angesprochen wird? Hier ist noch eindeutiger als in Österreich, dass der Wärmeinsel-Effekt wenig bis keinen Einfluss auf die Erhebung der Durchschnittstemperatur hat. Um den Wärmeinsel-Effekt besser messen zu können, existiere in Deutschland ein eigenes Netz von Stadtklimastationen, erklärte der Deutsche Wetterdienst (DWD) auf Anfrage von APA-Faktencheck: „Diese Stadtklimastationen sind nicht Teil des offiziellen DWD-Messnetzes und fließen somit auch nicht in die Berechnung der Gebietsmittel der Temperaturen für die Bundesländer und für Deutschland mit ein“. Die Stationen würden auch im eigenen Open Data-Bereich entsprechend gekennzeichnet werden.

Darüber hinaus würden auch immer wieder DWD-Stationen aus den Innenstadtgebieten in die Peripherie der Städte oder in das Umland verlegt, da durch die zunehmende Bebauung die ursprünglichen Standorte nicht mehr als geeignet eingestuft werden. Beispiele hierfür aus der jüngeren Vergangenheit seien Freiburg, Karlsruhe oder Kassel.

Auch Meteorologe Felix Ament von der Universität Hamburg verneint auf Anfrage von APA-Faktencheck eine zunehmende Errichtung von Wetterstationen in der Stadt: „Nein, diese Entwicklung gibt es nicht.“ Das eigene städtische Messnetz sei aufgezogen worden, da man in der Stadt aufgrund der Regeln der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zu wenig gemessen hätte. Diese Werte würden nicht einfach mit allen anderen Stationen in einen Topf geworfen, um einen Mittelwert zu bilden, sagt Ament.

Links:

(1) Behauptung auf Twitter: https://go.apa.at/egpD6pqg (archiviert: https://go.apa.at/G6hWZwPm)

(2) Behauptung auf Facebook: https://go.apa.at/dtnYX0zQ (archiviert: https://go.apa.at/XXtQBOgN)

(3) Stadt Wien über Wärmeinsel-Effekt: https://go.apa.at/4OXGjngc (archiviert: https://perma.cc/GW8V-BB26)

(4) HISTALP-Webseite: https://www.zamg.ac.at/histalp/ (archiviert: https://archive.is/3yklB)

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Florian Schmidt/Stefan Rathmanner