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blog / Dienstag 23.06.20

APA Check Avatar Hatte George Floyd eine kriminelle Vorgeschichte?

Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA versuchen einige Nutzer, den Tod von Floyd und die folgenden Proteste herunterzuspielen, etwa durch das Aufzeigen einer angeblich kriminellen Vergangenheit (Beispiel 1Beispiel 2) Dabei werden gewisse Delikte aufgelistet, die auch über ein Sharepic verbreitet werden (Beispiel 1Beispiel 2). Darin heißt es: „Der Heilige George Floyd, zu dessen Ehre nun die USA und die restliche Welt in Schutt und Asche gelegt werden“. Es folgt eine Auflistung von fünf Haftstrafen, die Floyd verbüßt haben soll.

Darüber hinaus wird behauptet, dass er vor seiner Tötung Meth konsumiert haben soll und in diesem Zustand mit einer schwangeren Frau im Auto losfahren wollte. Aufgrund der Aktualität des Themas wollen wir uns ansehen, ob hier weitere Falschnachrichten verbreitet werden, oder ob es sich doch um Tatsachen handelt.

Zu überprüfende Information: George Floyd hat eine kriminelle Vergangenheit und wurde zu mehreren Haftstrafen verurteilt. Bei seinem Tod war er „high“ und wollte mit dem Auto losfahren.

Einschätzung: Floyd wurde tatsächlich aufgrund mehrerer Delikte zu diversen Haftstrafen verurteilt. Für sein schwerstes Vergehen – bewaffneter Raub – erhielt Floyd eine fünfjährige Haftstrafe. Ein Autopsie-Bericht wies eine geringe Menge Metamphetamine in seinem Körper nach. Ob er mit dem Auto losfahren wollte, kann nicht gesagt werden, er saß aber auf dem Fahrersitz seines stehenden Autos.

Überprüfung: In dem Sharepic und einigen Postings werden fünf Haftstrafen erwähnt, zu denen Floyd verurteilt worden sein soll. Alle Gerichtsakten zu George Floyd sind auf der Homepage des Harris County District Clerk abrufbar, allerdings braucht man für die Anmeldung eine amerikanische Telefonnummer. Darum müssen wir für diesen Faktencheck auf Screenshots der Akten zurückgreifen, die mehrere Medien in der Zwischenzeit zur Verfügung gestellt haben. So finden sich diverse Screenshots etwa bei den Faktencheckern von „Snopes“ oder auch bei der britischen Tageszeitung „Daily Mail“.

Screenshot "Snopes" 
Screenshot „Snopes“ 
1998 soll George Floyd laut dem Sharepic wegen bewaffneten Raubes zehn Monate im Gefängnis gesessen haben. Tatsächlich wurde Floyd 1998 zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, der Grund dafür waren zwei Diebstähle am 25. September und 9. Dezember. Zumindest bei dem ersten der beiden war eine Schusswaffe im Spiel, wie ein von „Daily Mail“ hochgeladener Screenshot des Dokuments zeigt. Ob Floyd diese Haftstrafe tatsächlich absaß, kann laut „Daily Mail“ nicht gesagt werden.
Screenshot "Daily Mail"
Screenshot „Daily Mail“

Ein Jahr zuvor brachte ihm den Dokumenten zufolge ein Botendienst von unter einem Gramm Kokain bereits eine Verurteilung über sechs Monate Haft ein.

2001 wurde Floyd laut „Snopes“ für 15 Tage in Haft genommen, weil er sich gegenüber einem Polizisten nicht ausgewiesen hatte. Diese Information findet sich nicht im Sharepic.

2002 wurde Floyd den Akten nach mit weniger als einem Gramm Kokain von der Polizei erwischt. Selbiges passierte ihm demnach im Jahr 2005. Ein Jahr zuvor wollte Floyd laut Polizei weniger als ein Gramm Kokain jemand anderem übermitteln. In dieser Zeitspanne kam außerdem im Jahr 2003 Hausfriedensbruch dazu. Für diese Vergehen erhielt Floyd laut „Snopes“ insgesamt eine Strafe von 30 Monaten Gefängnis.

Das schwerste Verbrechen Floyds lässt sich mit den Dokumenten im Jahr 2007 nachweisen. Für einen schweren Raub mit einer „tödlichen Waffe“ wurde er im Jahr 2009 zu fünf Jahren Haft verurteilt, nachdem er sich schuldig gezeigt hatte. 2013 kam er auf Bewährung frei.

Die kriminelle Vorgeschichte von Floyd wird auch in diversen lokalen Artikeln über ihn erwähnt, etwa in der monatlichen amerikanischen Zeitschrift „Texas Monthly“ aus Texas.

Laut einem Autopsiebericht hatte Floyd unter anderem Metamphetamine im Körper, aber auch Fetanyl. Hier ist darauf hinzuweisen, dass der Nachweis dieser Substanzen im Körper kein Beweis dafür ist, dass Floyd zum Zeitpunkt seines Todes „high“ war, wie es behauptet wird. Floyd hatte 0,019 mg/L Metamphetamine im Blut. Dies liegt laut dem University of Rochester Medical Center in dem Bereich der Werte, die auch bei der Testung von Patienten mit therapeutischer und verschriebener Nutzung von Amphetaminen auftreten können.

Andere Behauptungen, die sich in den oben genannten Social Media-Postings finden lassen, können nicht eindeutig bestätigt oder widerlegt werden. So ist zum Beispiel nicht klar, ob Floyd gerade mit dem Auto losfahren wollte. In der Rekonstruktion des Vorfalls durch die „New York Times“ ist zumindest klar ersichtlich, dass die Polizei Floyd vom Fahrersitz aus dem Auto zieht.

Darüber hinaus konnte kein Hinweis darauf gefunden werden, dass das Opfer des Raubüberfalls 2007 wie in den Sharepics behauptet schwanger war. Da die Sharepics zum Teil eine sehr geladene Sprache verwenden, ist auf jeden Fall Vorsicht geboten, auch wenn sich der Großteil der Informationen verifizieren lässt.

Wenn Sie zum Faktencheck-Team Kontakt aufnehmen oder Faktenchecks zu relevanten Themen anregen möchten, schreiben Sie bitte an faktencheck@apa.at

Florian Schmidt/Valerie Schmid