blog / Freitag 25.04.25

APA Check Avatar Falschinformationen zu Konsumverboten in Wien

APA/Schlager

Im Vorfeld von Wahlen sorgen Falschinformationen immer wieder für Aufregung, so auch vor der Wien-Wahl am 27. April. Laut einem viel geteilten Facebook-Posting sollen unter einer sozialdemokratischen Stadtregierung unter Michael Ludwig (SPÖ) etwa das Reisen, Autofahren und Essen von Fleisch bis 2030 verboten werden, zudem soll nur noch wenig Kleidung gekauft werden dürfen (1). Dafür gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte.

Einschätzung: In Wien ist ein Verbot von Fleisch- und Milchprodukten sowie von Besitz privater Autos nicht geplant. Reisen und der Kauf von Kleidung sollen gesetzlich nicht eingeschränkt werden. Die Behauptungen beruhen auf einem fehlinterpretierten Bericht der „C40 Cities Climate Leadership Group“ aus dem Jahr 2019.

Überprüfung: Der Facebook-User bezieht sich in seinem Posting auf eine parlamentarische Anfrage (2) des freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Peter Schmiedlechner vom Oktober 2023, der wiederum einen Blogeintrag eines österreichischen Online-Portals (3) zitiert. Das Portal ist bereits öfter durch falsche und irreführende Informationen aufgefallen (4,5,6).

Laut der parlamentarischen Anfrage sollen in den 100 Städten der C40 Cities, zu denen der Anfrage zufolge auch Wien zählt, „Fleisch, Milchprodukte und private Autos “ bis 2030 verboten werden. Zudem wären konkrete Einschränkungen bei Kleidung und Flugreisen geplant.
Die C40-Städte sind ein internationales Netzwerk, das die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und somit die Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 Grad als Ziel hat. Wien ist allerdings kein Mitglied der Vereinigung. Im deutschsprachigen Raum sind Berlin und Heidelberg die einzigen teilnehmenden Städte (7).

Die Vorwürfe zu den Konsumeinschränkungen beziehen sich auf ein Papier der „C40 Cities Climate Leadership Group“ aus dem Jahr 2019 (8). Grundlage des Berichts ist eine Analyse des Pro-Kopf-Verbrauchs von Stadtbewohnerinnen und -bewohnern bezüglich etwa Ernährung und Mobilität. Darauf aufbauend wurden Vorschläge zur Reduktion von Treibhausgasen in Städten entwickelt, welche zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens beitragen sollen. Es wurden „fortschrittliche“ und „ehrgeizige“ Ziele definiert.

Konsumeinschränkungen können Treibhausgasemissionen senken

Tatsächlich beinhaltet das „ehrgeizige“ Ziel zur Ernährung von Stadtbewohnerinnen und -bewohnern die Reduktion von Fleisch- und Milchprodukten auf null Kilo bis 2030. Dadurch könnten zwischen 2017 und 2050 60 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen eingespart werden. Auch schon das „progressive“ Ziel, eine Reduktion des Verzehrs von Fleischprodukten auf 16 kg und Milchprodukte auf 90 kg, würde die ernährungsbedingten Emissionen um 50 Prozent reduzieren (Seite 78). 2017 waren 13 Prozent der Emissionen in Städten auf die Produktion sowie Vertreibung von Lebensmitteln zurückzuführen (Seite 76).

Auch die Beschränkung auf drei neue Kleidungsstücke pro Jahr und Person wird im Bericht als ehrgeiziges Ziel angeführt, dadurch könnten ungefähr 65 Prozent der Treibhausgasemissionen im Sektor Bekleidung und Textilien gesenkt werden. Bei acht neuen Kleidungsstücken pro Jahr würden sich die Emissionen um knapp 50 Prozent verringern (Seite 82). 2017 lag der Anteil des Treibhausgasausstoßes in diesem Sektor bei vier Prozent (Seite 80).

Durch das Ende privater Fahrzeuge auf den Straßen könnten die Emissionen in diesem Sektor um 55 Prozent gesenkt werden, bei 190 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohnern um 23 Prozent (S. 86). 2017 waren rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen in Städten auf die Produktion und Verwendung von privaten Fahrzeugen zurückzuführen (Seite 84).

Strategien für das 1,5-Grad-Ziel

Die im Bericht definierten Ziele dienen als Referenzpunkte für mögliche langfristige Konzepte. Ausdrücklich wird im Bericht geschrieben, dass dabei keine Stadt Verbote oder Verbrauchsziele für den Konsum von Einzelpersonen aufstellen soll. Nachhaltige Entscheidungen sollen etwa durch den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und der Förderung von Kreislaufwirtschaft ermutigt werden.

Die C40 Cities wurden 2005 in London gegründet. Finanziert wird das Netzwerk etwa von der EU und der britischen Regierung, aber auch von privaten Unternehmen wie das Fahrdienstunternehmen „Uber“ (9). Teilnehmende Städte sollen durch einen integrativen, wissenschaftlichen und gemeinschaftlichen Ansatz die eigenen Treibhausgase bis 2030 halbieren und dadurch zum Pariser Klimaziel beitragen. Durch Forschungen wie den oben genannten Bericht sollen Städte bei der Entwicklung von Strategien zur Reduzierung der Emissionen unterstützt werden.

Quellen:
(1) Behauptung auf Facebook: https://go.apa.at/QptJXmvT (archiviert: https://archive.ph/jxIwv)
(2) Parlamentarische Anfrage: https://go.apa.at/fQvU2y7x (archiviert: https://perma.cc/6TTE-27H7)
(3) Behauptung auf tkp.at: https://go.apa.at/A074MsKE (archiviert: https://archive.ph/iqQDp)
(4) APA-Faktencheck aus 2021: https://go.apa.at/ePBjSREv
(5) APA-Faktencheck aus 2022: https://go.apa.at/LWKKkC8D
(6) APA-Faktencheck aus 2023: https://go.apa.at/lzddyVbr
(7) Mitglieder der C40 Cities: https://go.apa.at/4vhbtbPt (archiviert: https://go.apa.at/dP8JodCu)
(8) Bericht „The Future of Urban Consumption in a 1.5 C World“: https://go.apa.at/sRe4GCT4 (archiviert: https://perma.cc/8CND-RK38)
(9) Geldgeber und Partner der C40 Städte: https://go.apa.at/AAg3UxwI (archiviert: https://go.apa.at/8IUE5oT4)

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Tara Giahi / Florian Schmidt / Stefan Rathmanner