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blog / Dienstag 29.12.20

APA Check Avatar BioNTech-CEO will sich impfen lassen

Mit dem Start der Impfungen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in der EU kocht auch wieder die Debatte um den Impfstoff hoch. Vor allem Impfgegner bringen dabei zahlreiche Behauptungen ins Rennen, die oft zu hinterfragen sind. Stutzig macht derzeit etwa die oft in Facebook-Postings (Beispiel 1, Beispiel 2) geteilte Behauptung, dass selbst der BioNTech-Vorstehende Ugur Sahin selbst keine Impfung für sich und seine Mitarbeiter will.

„Nein ich und meine Mitarbeiter werden uns 2021 NICHT impfen lassen. Wir müssen 1,3 Milliarden Impfdosen herstellen. Da können wir uns keine (krankheitsbedingten) Ausfälle leisten“, steht in einem Sharepic, das derzeit die Runde macht. Aufgrund der Relevanz der Impfbereitschaft in der Bevölkerung in der momentanen Situation ist es derzeit von Bedeutung, zu derartigen Behauptungen faktenbasierte Einschätzungen zu liefern, weshalb wir uns dieses Thema genauer ansehen wollen.

Zu überprüfende Information: BioNTech-Chef Ugur Sahin und seine Mitarbeiter werden sich nicht impfen lassen, da krankheitsbedingte Ausfälle befürchtet werden.

Einschätzung: Das ist falsch. Das mutmaßliche Zitat im Sharepic ist nicht richtig und verleitet gemeinsam mit tatsächlichen Zitaten zu falschen Interpretationen. Sahin will sich und seine Mitarbeiter so schnell wie möglich impfen lassen, um Ausfälle zu vermeiden.

Überprüfung: Das Sharepic bezieht sich auf ein Interview in der deutschen Fernsehsendung „ARD Extra“. Dort wurde der BioNTech-CEO am 21. Dezember zu den anlaufenden Impfungen befragt.

Sahins Position zu einer Impfung ist dabei sehr positiv. Der BioNTech-Vorstand sagt, dass er sich „liebend gerne“ impfen lassen würde. Dass er es noch nicht ist, liegt daran, dass man „die rechtlichen Grundlagen dabei befolgen“ müsse.

Er erläutert dies in seinen folgenden Aussagen genauer: „Wir werden in den nächsten zwölf Monaten über 1,3 Milliarden Impfstoffdosen herstellen müssen. Es ist wichtig, dass da keine Mitarbeiter ausfallen. Dementsprechend denken wir darüber nach, dass wir eine Möglichkeit finden, die rechtlich uns auch erlaubt, unsere Mitarbeiter zu schützen. Aber das ist momentan noch in der Abklärung.“

Das Problem ist, dass derzeit keine Priorisierung von BioNTech-Mitarbeitern bei den ersten Impfungen vorgesehen ist. Dies zeigt ein Blick in die „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV)„. Diese Verordnung bildet die rechtliche Grundlage bei der Reihenfolge der Personen mit Anspruch auf eine Impfung.

Während etwa Personen, die das 80. Lebensjahr vollendet haben, die in medizinischen Einrichtungen arbeiten oder alte Menschen betreuen, zur höchsten Priorität zählen, wird das Personal der Impfstoffhersteller erst in der dritten Priorität berücksichtigt. Dort sind sie in der folgenden Personengruppe zu finden: „Personen, die in besonders relevanter Position in weiteren Einrichtungen und Unternehmen der Kritischen Infrastruktur tätig sind“.

Eine Sprecherin des Unternehmens erklärte auf Anfrage der APA und der dpa, dass man eine Genehmigung des Bundesgesundheitsministeriums benötige, „um Mitarbeiter impfen zu lassen, um als systemrelevantes Unternehmen die Produktion aufrecht zu erhalten und Corona-bedingte Ausfälle durch das Impfen der Belegschaft zu minimieren“. Der Wille ist also da, es fehlt aber die rechtliche Abklärung.

Das Sharepic verkürzt darüber hinaus die Aussagen Sahins dahingehend, dass es so wirkt, als würde er Ausfälle von Mitarbeitern durch die Impfungen befürchten. Das Gegenteil ist der Fall. „Mit der Sorge vor Ausfällen ist gemeint, dass Mitarbeiter wegen Covid-19 ausfallen und die Produktion verlangsamt wird“, bestätigte die BioNTech-Sprecherin.

Diese Einstellung lässt sich auch durch andere Interviews Sahins belegen. Zur „Bild“-Zeitung sagte er etwa: „Ich bin selbst noch nicht geimpft, ich würde mich gerne impfen lassen, viel wichtiger ist aber, dass unsere Mitarbeiter sehr bald geimpft werden. Wir müssen sicherstellen, dass die Produktionsprozesse in den nächsten Wochen ununterbrochen weiterlaufen können und dementsprechend ist es uns wichtig, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter und dass das Unternehmen nicht durch Covid-19-Fälle beeinträchtigt wird.“ Ähnliche Aussagen finden sich in Interviews mit „ntv“ oder dem „Kurier„.

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