Vergangenen Freitag starteten in Österreich die landesweiten Corona-Massentests. Getestet wird mittels eines Antigen-Schnelltests und nicht mit dem sonst eingesetzten PCR-Test. Das löste im Vorfeld eine Debatte aus, da einige Menschen an der Genauigkeit der Antigentests zweifelten und die Sinnhaftigkeit der Massentests daher infrage stellten. Auch in den Sozialen Netzwerken waren die Tests Thema: Es sei Unsinn Gesunde zu testen, schreibt etwa ein Facebook-User. „MASSENTESTUNG bei Gesunden = 98% FALSSCH POSITIVE“ (sic!), heißt es in einem oft geteilten Posting. Als Beleg dafür führt der User ein Dokument des Robert Koch-Instituts (RKI) an, in dem u.a. die Anzahl richtig-positiver und falsch-positiver Tests bei Massentestungen aufgezeigt wird, und stellt diese gegenüber.
Zu überprüfende Information: Massentests bei Gesunden führen laut dem Robert Koch-Institut (RKI) zu 98 Prozent falsch-positiven Ergebnissen. Deren Einsatz ist daher nicht sinnvoll.
Einschätzung: Nicht bei der gesamten Massentestung sind 98 Prozent falsch positiv, sondern von den Tests, die positiv ausfallen, sind dem RKI zufolge nur 2 Prozent der Getesteten wirklich infiziert. In Summe macht das einen großen Unterschied. In Bezug auf die Tests in Österreich fällt das dahin gehend nicht ins Gewicht, dass nach einem positiven Antigen-Testergebnis mittels PCR-Test sowieso erneut getestet wird, um das positive Testergebnis wirklich zu bestätigen. Was stimmt ist, dass Antigentests nicht so zuverlässig sind wie PCR-Tests und daher mit Vorsicht einzusetzen.
Überprüfung: Das im Posting angeführte Dokument des RKI soll dabei helfen, Testergebnisse von Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2 zu verstehen. Zwei Testansätze werden dabei verglichen: links Massentestungen, wie sie in Österreich derzeit stattfinden und rechts „gezielteres Testen“ von Personen, die Symptome haben. Anlassbezogen wird sich dieser Faktencheck nur den Massentestungen widmen.
Unterschieden müssen an dieser Stelle auch noch die Sensitivität und die Spezifität voneinander werden: Die Sensitivität ist „der Anteil der Personen mit positivem Testergebnis unter den Infizierten“, also sie zeigt an, bei wie vielen der wirklich Infizierten der Test auch richtig ausfällt. Die Spezifität ist „der Anteil der Personen mit negativem Testergebnis unter der Nicht-Infizierten“, also bei wie vielen Menschen, die nicht infiziert sind der Test auch wirklich negativ ist.
Bei den Massentestungen fallen laut RKI von 10.000 Getesteten 204 Tests positiv und 9.796 negativ aus. Von den Positiven sind aber nur vier Menschen tatsächlich infiziert und 200 nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein positiver Test richtig liegt, liegt also nur bei 2 Prozent. Im Umkehrschluss könnte man sagen, dass 98 Prozent der positiven Tests falsch-positiv sind. Was man aber nicht sagen kann, ist, dass Massentests generell eine Rate von 98 Prozent falsch-positiven Tests haben, denn das würde bedeuten, dass unter 10.000 getesteten Menschen 9.800 falsch-positiv Getestete sind – also fast alle der Getesteten. So sind aber von 10.000 Menschen nur 200 falsch-positiv Getestete.
Das ist tatsächlich trotzdem eine hohe Zahl. Anders ist die Situation freilich bei gezielterem Testen, da ist der Anteil der falsch-positiven bei positiven Testergebnissen geringer. Ins Gewicht fällt diese Zahl allerdings dadurch nicht, dass bei den Massentests in Österreich nach jedem positiv ausgefallenen Antigentest mittels PCR-Test noch einmal nachgetestet wird, um festzustellen, ob wirklich eine Infektion vorliegt. Nur wenn auch der PCR-Test positiv ist, muss die begonnene Quarantäne fortgesetzt werden, lässt sich in den FAQs des Gesundheitsministeriums nachlesen.
Zum besseren Verständnis können auch die negativen Testergebnisse der Antigen-Massentests herangezogen werden: Von 10.000 Menschen werden laut RKI 9.796 negativ getestet. Tatsächlich nicht infiziert sind davon 9.795, nur eine Person ist falsch-negativ. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein negativer Test richtig ist, liege also bei 99,9 Prozent. Allerdings warnt das RKI auch, dass ein negatives Ergebnis im Antigentest eine Infektion nicht ausschließt, „insbesondere, wenn eine niedrige Viruslast vorliegt“, wie das etwa in der frühen Inkubationsphase oder in einer späten Phase der Infektion der Fall sein kann.
Prinzipiell bleibt der Antigen-Test mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. Einer in der „Cochrane Library“ im August 2020 veröffentlichten Studie zufolge variiert die Sensitivität bei Antigentests beträchtlich zwischen Studien und auch zwischen Test-Herstellern. Die durchschnittliche Sensitivität liege bei 56,2 Prozent, was relativ gering ist und die durchschnittliche Spezifität bei 99,5 Prozent, was hoch ist. Die Tests ergaben allerdings in weniger als einem Prozent der Proben falsch-positive Ergebnisse. Fünf verschiedene Studien wurden dafür herangezogen.
In einer Preprint-Studie auf dem wissenschaftlichen Online-Portal „MedRxiv“ von November 2020, an der u.a. der bekannte Virologe Christian Drosten mitgewirkt hatte, wurden sieben kommerzielle Antigen-Schnelltests miteinander verglichen. Preprint bedeutet, dass die Studie noch keinem Peer Review-Verfahren unterzogen wurde und die Ergebnisse daher noch mit Vorsicht zu genießen sind. Bei fünf Tests lag die Spezifität laut der Studie zwischen 98,53 Prozent und 100 Prozent. Die Sensitivität lässt sich hier nicht eindeutig festmachen, da dabei die Viruslast und der Testzeitpunkt eine Rolle spielen würden, geht aus der Studie hervor. Sinnvoll sei eine Anwendung von Antigentests aber offenbar im Wesentlichen in der ersten Woche, in der Symptome auftreten: „Die Sensitivitätsspanne der meisten AgPOCT (Anm. Antigentests) überschneidet sich mit den Viruslast-Werten, die typischerweise in der ersten Woche mit Symptomen beobachtet werden, was bei den meisten Patienten die infektiöse Periode markiert.“
Nach Angaben des RKI hängt die Aussagekraft von Antigen-Schnelltests auch stark vom Anteil der Infizierten unter den getesteten Personen ab: „Wenn unter den Getesteten nur wenige Personen tatsächlich infiziert sind, dann ist ein positives Testresultat sehr wahrscheinlich falsch positiv. Wenn unter den Getesteten allerdings viele Personen infiziert sind, dann sind positive Testresultate zuverlässiger“.
Bei einer Studie in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ von Dezember 2020 wurde die Testung mittels Antigen-Schnelltests in Utrecht in den Niederlanden und auf der Insel Aruba untersucht. Dabei kamen in Utrecht eine Gesamtsensitivität von 72,6 Prozent und eine Spezifität von 100 Prozent heraus. Falsch positive Ergebnisse seien nicht beobachtet worden. In Aruba habe die Gesamtsensitivität bei 81,0 Prozent gelegen und die Spezifität ebenfalls bei 100 Prozent. Falsch-negative Ergebnisse seien meist bei Probanden mit einem hohen Ct-Wert beobachtet worden, was auf eine niedrige Viruslast im Nasen-Rachenraum hindeute. Dies könne sehr früh in der Infektion oder in einem späten Stadium der Infektion auftreten. Vor allem auf Aruba war das Virus weit verbreitet.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt das Einsetzen von Antigentests in verschiedenen Szenarien, u.a. wenn es zu vermuteten Ausbrüchen von COVID-19 in Institutionen kommt und ein PCR-Test nicht sofort zur Verfügung steht, als Unterstützung der Untersuchung von Ausbrüchen oder bei einer generellen starken Verbreitung von COVID-19 in der Gesellschaft, wie es zuletzt u.a. in Österreich der Fall war. Bei einem positiven Testergebnis wird eine Überprüfung mittels PCR-Test empfohlen. Darauf beruft sich auch das RKI in ihren Empfehlungen. Sowohl für die WHO als auch für das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) müssen Antigentest „deutlich mehr Fälle korrekt identifizieren als sie verfehlen würden“, also eine Sensibilität von gleich oder über 80 Prozent und eine Spezifität von 97 bis 100 Prozent haben.
Abschließende Zahlen dazu wie viele Menschen im Rahmen der Corona-Massentests positiv oder falsch-positiv getestet wurden, gibt es noch nicht, da die Tests teilweise noch laufen. Die Positivrate dürfte aber gering sein. Am 6. Dezember 2020 berichtete die „Wiener Zeitung“ von einer Positivrate von unter 0,5 Prozent. Am 9. Dezember 2020 teilte zudem ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) laut „salzburg24“ der APA mit, dass in Wien mehr als die Hälfte der positiven Schnelltests eine falsche Diagnose ergeben hätten. In Tirol waren ein Drittel der positiven Antigen-Massentests falsch positiv, berichtete der „Kurier“.
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Valerie Schmid/Florian Schmidt