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blog / Mittwoch 01.04.20

APA Check Avatar Verpflichtendes Maskentragen im Kampf gegen Coronavirus sinnvoll?

Um der weiteren Ausbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) entgegenzutreten, setzt die Regierung in Österreich auf das Tragen eines Mund- und Nasen-Schutzes (MNS) in Supermärkten. Auch Polizisten in Österreich sollen mit MNS-Masken im Außendienst tätig sein. Eine Ausweitung der „Maskenpflicht“ auf frequentierte Orte scheint ebenfalls möglich. Somit werden MNS-Masken zukünftig eine große Rolle für die Bevölkerung spielen. Daher wollen wir uns ansehen, ob das Tragen solcher Masken wirklich als sinnvoll bewertet wird?

Zu überprüfende Information: Das Tragen eines Mund- und Nasen-Schutzes (MNS) in Supermärkten ist im Kampf gegen das Coronavirus sinnvoll.

Einschätzung: Die Behauptung ist umstritten. Zum einen gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, dass das Tragen einer Maske das Ansteckungsrisiko der Person, die sie trägt, verringert. Allerdings sollten am Coronavirus Erkrankte oder möglicherweise Erkrankte laut Experten eine Maske tragen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren.

Stand 1. April sahen die WHO, die Berliner Charité und das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) im Tragen einer Maske sogar die Gefahr einer zusätzlichen Infektionsquelle.

In den folgenden Wochen änderten viele dieser Organisationen ihre öffentliche Kommunikation zu diesem Thema. Nur noch die WHO und ECDC schreiben heute (26. Mai) von einer möglichen zusätzlichen Gefahr durch Masken. Generell wird zum Tragen der NMS-Masken in der Öffentlichkeit als zusätzliche Maßnahme geraten, auch wenn ein Eigenschutz nicht gegeben sei.

Überprüfung: Die World Health Organization (WHO) weist in einem Video darauf hin, dass das alleinige Tragen von „medizinischen Masken“ nicht vor dem Coronavirus schützt. Das Tragen müsse kombiniert werden mit zusätzlichen Maßnahmen wie Händewaschen. Daher empfiehlt die WHO das Tragen von Masken „nur in speziellen Fällen“: „Wenn Sie Husten, Fieber und Atemschwierigkeiten haben, tragen Sie eine Maske und suchen Sie medizinische Versorgung auf. Wenn Sie diese Symptome nicht haben, brauchen Sie auch keine Maske tragen, da es keine Beweise gibt, dass sie Menschen schützt, die nicht krank sind.“

Kümmert man sich allerdings um eine andere Person, die mit dem Virus infiziert sein könnte, sollte man laut WHO wenn man sich im selben Raum wie die Person aufhält, schon eine Maske tragen. Zudem warnt die WHO in einem weiteren Video, Masken können „sogar eine Infektionsquelle sein, wenn sie nicht richtig verwendet wird“.

Das Zentrum für Krankheitskontrolle (CDC) schrieb mit Stand 1. April auf ihrer Website im Bereich „Häufig gestellte Fragen“: „Die CDC empfiehlt nicht, dass Menschen, denen es gut geht, eine Gesichtsmaske tragen, um sich vor Atemwegserkrankungen, einschließlich COVID-19, zu schützen.“ Man sollte nur dann eine Maske tragen, wenn es eine medizinische Fachkraft empfehle. Eine Gesichtsmaske sollte von Menschen, die das Coronavirus haben, getragen werden, wenn man in Gesellschaft ist, heißt es weiter. Gesichtsmasken sind laut dem CDC auch für Personen, die eine Person mit Coronavirus pflegen, sowie für Mitarbeiter des Gesundheitswesen wichtig.

In der aktuellen Version (26. Mai) empfiehlt CDC Personen das Tragen von Stoffmasken als zusätzliche Maßnahme zu Social Distancing oder Händewaschen, vor allem wenn diese schlecht eingehalten werden können. Die Masken könnten dazu beitragen, andere zu schützen, da Menschen das Virus weitergeben können, selbst wenn sie keine Symptome zeigen.

Die Berliner Charité schrieb im März auf ihrer Website, dass es nicht bewiesen sei, dass „sich das Ansteckungsrisiko für eine gesunde Privatperson signifikant verringert, wenn sie einen Mund-Nasen-Schutz trägt“. Zudem weist die deutsche Klinik – wie schon die WHO – darauf hin, dass „ein falsches Sicherheitsgefühl dazu verleiten“ könne, „zentrale Hygienemaßnahmen wie eine gute Händehygiene zu vernachlässigen“.

Aus aktueller Sicht (archiviert) empfiehlt die Charité das Tragen von Mund-Nasen-Schutz für alle Menschen in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum, etwa wenn Abstandsregeln nicht eingehalten werden können. Dies sei neben anderen Maßnahmen ein „zusätzlicher Baustein“, der dazu beitragen kann, die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus zu reduzieren. Man findet auch den Hinweis: „Dass Behelfsmasken zum Schutz anderer Menschen beitragen, wird vermutet, ist aber bisher nicht wissenschaftlich belegt. Für den Eigenschutz gibt es keine Hinweise.“

Das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) vertrat Stand 1. April wie schon das CDC und die WHO die Ansicht, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) oder einer alternativen Barriere im Sinne eines MNS sinnvoll ist, wenn sich eine an einer akuten respiratorischen Infektion erkrankte Person im öffentlichen Raum bewegen muss. Abstandsregeln sollten trotzdem eingehalten werden. Keine hinreichende Evidenz gebe es dafür, dass das Tragen einer Maske das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trägt, signifikant verringere. Dabei verweist das Institut auf die Angaben der WHO.

Auch das RKI passte diese Informationen über die letzten Wochen an, sodass nun wie bei der Charité in den FAQ beim Tragen der MNS-Masken von einem „zusätzlichen Baustein“ neben anderen Maßnahmen die Rede ist. Betont wird weiterhin, dass es für einen „Eigenschutz keine Hinweise“ gebe. Eine Schutzwirkung, als Infizierter andere durch eine Maske mit geringerer Wahrscheinlichkeit anzustecken sei „wissenschaftlich nicht belegt, sie erscheint aber plausibel“.

So sieht das auch das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Sie weisen so wie die Berliner Charité und die WHO aufgrund „eines falschen Sicherheitsgefühls und des verstärkten Kontakts zwischen Händen, Mund und Augen“ auch auf ein mögliches höheres Infektionsrisiko durch das Tragen einer Maske hin.

Univ. Prof. Dr. Franz Allerberger sagte in einem Video auf dem Youtube-Kanal der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) im März, dass es anhand von vorhandenen Studien nicht belegbar sei, dass das Tragen einer Maske bei „durch die Luft übertragenen Krankheitserregern“ einen wirklichen Effekt habe. „Man sieht ja bei diesen Einmal-Mundschutzmasken links, rechts, oben, unten wie die Luft hineinkommt“, so Allerberger.

Die Meduni-Wien bezeichnete die Maßnahmen der österreichischen Regierung gegenüber der APA hingegen als „hervorragende Maßnahme“. MedUni Wien-Vizerektor Oswald Wagner plädierte sogar für eine Ausweitung der Regelung. Auch das Zentrum für Public Health sprach sich in einem Brief für eine Maskenpflicht im gesamten öffentlichen Raum aus. „Diese Maßnahme hat nachweislich zur Eindämmung der COVID 19-Epidemie u.a. in Japan beigetragen. Dabei dienen die Masken nicht dem Schutz vor Ansteckung, sondern dem Schutz der Kontaktpersonen vor einer Ansteckung durch einen latent oder asymptomatisch Infizierten“, heißt es in dem der APA vorliegenden Schreiben. Der MedUni Wien-Vizerektor weist aber auch darauf hin, dass Masken alleine nicht reichten und dass alle eine Maske tragen sollten: „Wenn alle diese Masken tragen, dann werden alle auch geschützt“. Wagner ortet auch einen positiven psychologischen Effekt, der von keiner der zuvor genannten Quellen angesprochen wurde, nämlich dass die sichtbaren Masken als Warnung, Abstand zu halten, dienten.

Abschließend sei noch auf eine Publikation in „Lancet“ verwiesen, in der eine Gruppe von Forschern mehrere Empfehlungen zur oder gegen die Nutzung von Masken auf der ganzen Welt vergleicht. Die Forscher verweisen darauf, dass die Schlussfolgerung aus einem Fehlen von Beweisen für eine Wirkung einer generellen Maskenpflicht nicht unbedingt sein muss, dass diese nicht helfen würde.

Updates bis 26. Mai 2020: Gesundheitsorganisationen haben im Laufe der Wochen nach dem Faktencheck ihre Informationsseiten zum Thema NMS-Masken teilweise erheblich geändert. Wir haben diese Informationen in unseren Faktencheck aufgenommen, zeigen aber immer noch auf, was zum Stand der Publikation des Faktenchecks am 1. April empfohlen wurde, so gut es sich belegen lässt.

Wenn Sie zum Faktencheck-Team Kontakt aufnehmen oder Faktenchecks zu relevanten Themen anregen möchten, schreiben Sie bitte an faktencheck@apa.at.

Valerie Schmid/Florian Schmidt

AKTUALISIERT AM 28. MAI 2020 09:16