Manche Falschbehauptungen im Internet tauchen in unregelmäßigen Abständen wieder auf. Oft liegen Monate dazwischen, manchmal Jahre. Im Fall eines Postings, das derzeit sehr häufig geteilt wird, liegt die ursprüngliche Behauptung schon mehr als zwölf Jahre zurück. Alev Korun, die betroffene Grünen-Politikerin von damals, ist längst nicht mehr in der Politik. Das hindert manche Menschen nicht daran, das Posting weiterzuverbreiten (1).
Einschätzung: Korun ist seit 2017 nicht mehr im Nationalrat vertreten. Die Behauptungen in den Postings stammen aus 2012. Bereits damals wehrte sich Korun in der „Kronen Zeitung“ gegen die Vorwürfe.
Überprüfung: Dass das Posting derzeit so oft geteilt wird, hat weder mit der Aktualität des Themas noch mit seiner Protagonistin zu tun. Korun ist bereits 2017 aus dem Nationalrat ausgeschieden (2). Die Veranstaltung, auf die sich das Posting bezieht, lag schon damals mehr als fünf Jahre zurück.
Korun hatte Anfang 2012 an einer Podiumsdiskussion in der burgenländischen Stadt Oberwart teilgenommen. Zur Veranstaltung lässt sich online und in Zeitungsarchiven nicht viel finden. Lediglich die Kronen Zeitung berichtete ohne Nennung von Details am 7. März 2012 darüber, der damalige FPÖ-Nationalratsmandatar Christian Höbart (3) stellte ein Faksimile davon auf Facebook (4).
Aufgegriffen wurde das Thema am 8. März – möglicherweise aufgrund der „Krone“-Berichterstattung – vom laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) „Desinformationsprojekt“ unzensuriert.at, einer FPÖ-nahen Webplattform (5). Die Formulierungen in den Postings stammen von ebendiesem Artikel (6).
Posting seit 2012 in Wellen im Umlauf
Facebook-Beiträge mit übernommenen Formulierungen aus diesem Text tauchten seither immer wieder auf, mit Ausnahme der Jahre 2018, 2019 und 2022. Die aktuelle Häufung ist allerdings nur mit den Monaten nach Veröffentlichung des unzensuriert-Beitrags vergleichbar.
Auf Facebook verbreitete sich das Thema schnell, etwa mit Postings am 8. März (7) sowie mit der Formulierung aus dem Artikel wenige Tage später (8). Die derzeit besonders häufig geteilte Form mit Sharepic tauchte wahrscheinlich 2020 erstmals auf (9) – rund zweieinhalb Jahre nach Koruns letztem Tag im Nationalrat.
Korun seit 2017 nicht mehr Abgeordnete
Damals verloren die Grünen all ihre Nationalratssitze. Zu den Wahlen im Herbst 2019 stand Korun laut Bundeswahlvorschlag der Grünen an 58. Stelle (53 Plätze hinter dem Wahlvorschlag zwei Jahre zuvor) und zog nicht wieder ins Parlament ein, wo die Grünen seither 26 Mandate halten (10,11,12).
2021 sattelte sie mithilfe der Plattform „Teach for Austria“ auf den Lehrberuf um (13), den sie seither ausübt. Auch Höbart sitzt nicht mehr im Nationalrat. Er ist derzeit Generalsekretär des Team HC Strache (14).
Korun erklärte sich die aktuelle Häufung gegenüber APA-Faktencheck mit den anstehenden Wahlen in der EU und in Österreich. Daher stamme „offensichtlich auch die falsche Behauptung, ich wäre noch aktive Politikerin/Nationalratsabgeordnete“. Die Ex-Politikerin mutmaßte, diese Postings würden „in Wellen immer wieder lanciert, meistens vor Wahlen.“
Sozialleistungen für Asylwerber als Streitpunkt
Höbart war 2012 neben ihr am Podium, erinnerte sich Korun gegenüber APA-Faktencheck. Weiters nahmen laut der ehemaligen Grünen-Abgeordneten „Rainer Klien von SOS-Mitmensch Burgenland, Sonia Ablinger von der SPÖ und der damalige Entwicklungshilfesprecher der ÖVP (Franz Glaser, Anm.)“ an der Diskussion teil. Das genaue Datum sowie den Titel der Veranstaltung zum Thema Asyl und Migration konnten weder Korun noch Klien gegenüber APA-Faktencheck abrufen.
Der von der Kronen Zeitung aufgegriffene Zankapfel waren Aussagen Koruns zu finanzieller Hilfe für Schutzsuchende. Sie habe stets von „einer Versorgung von schutzsuchenden Menschen in der Grundversorgung“ und nicht der Mindestsicherung gesprochen, sagt Korun. Dies habe sie damals auch gegenüber der Kronen Zeitung korrigiert.
Asylwerber haben laut Grundversorgungsvereinbarung seit 2004 das Recht auf Grundversorgung (15). Darunter fallen laut Innenministerium „Leistungen, welche auf die Deckung der täglichen Grundbedürfnisse ausgerichtet sind“. Die genauen Kostenhöchstsätze sind in der Grundversorgungsvereinbarung festgeschrieben (16) und liegen deutlich unter der bedarfsorientierten Mindestsicherung, die 2012 bei 773,26 Euro lag (17).
Quellen:
(1) Facebook-Suche nach Postings zum Thema: https://go.apa.at/8X2Zs5wV (archiviert: https://perma.cc/6UUL-QFZV)
(2) Koruns Parlaments-Biografie: https://go.apa.at/TuHcUmhW (archiviert: https://perma.cc/M686-NTP3)
(3) Höbarts Parlaments-Biografie: https://go.apa.at/41ifq2RS (archiviert: https://perma.cc/889Z-U888)
(4) Facebook-Beitrag Höbarts: https://go.apa.at/6xl9aMW3 (archiviert: https://archive.ph/yvs11)
(5) DÖW zu unzensuriert.at: https://go.apa.at/3mSE4NSo (archiviert: https://perma.cc/8E7X-CLCH)
(6) unzensuriert.at-Beitrag (nur archiviert): https://go.apa.at/iYPz9trD
(7) Facebook-Posting vom 8.3.2012: https://go.apa.at/B4wA11vR (archiviert: https://archive.ph/VjxtE)
(8) Facebook-Posting vom 19.3.2012: https://go.apa.at/BAP0p5IN (archiviert: https://archive.ph/lZwTH)
(9) Facebook-Posting aus 2020: https://go.apa.at/hdAOjj7D (archiviert: https://archive.ph/MFwjK)
(10) Bundeswahlvorschlag 2019: https://go.apa.at/aKnlKobg (archiviert: https://perma.cc/V2TQ-EHG4)
(11) Bundeswahlvorschlag 2017: https://go.apa.at/3PEzuAYm archiviert: https://perma.cc/P3GM-YUFF)
(12) NR-Abgeordnete der Grünen: https://go.apa.at/w1dPZ8CF (archiviert: https://perma.cc/X74W-E7BC)
(13) Wirkungsbericht „Teach for Austria“: https://go.apa.at/tU93dJH3 (archiviert: https://perma.cc/EAD4-VXPZ)
(14) Vorstand Team HC Strache: https://go.apa.at/EPP38CUN (archiviert: https://perma.cc/XD4Z-XLCX)
(15) BMI zur Grundversorgung: https://go.apa.at/oAqIBitQ (archiviert: https://perma.cc/P69R-QSJZ)
(16) Grundversorgungsvereinbarung: https://go.apa.at/Bbfa6iE6 (archiviert: https://perma.cc/5AZN-GMCF)
(17) Zur Mindestsicherung in Österreich: https://go.apa.at/XMhtOdqe (archiviert: https://perma.cc/RD2W-TV96)
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Stefan Rathmanner / Florian Schmidt