In der Corona-Krise kursieren in Sozialen Medien verstärkt Postings, in denen auf die Gefahren beim Tragen einer Maske hingewiesen wird. Oft geteilt wird auch ein Posting, in dem vor Masken bei Kindern gewarnt wird (Beispiel 1). Ein Mundschutz sei für Kinder unter 12 Jahren ungeeignet und für Kinder unter sechs Jahren gefährlich.
Kinder könnten den CO2-Ausstoß nicht selber kontrollieren, sie würden nicht merken, wenn sie zu wenig Luft bekommen, heißt es in den Beiträgen. Das CO2 sammle sich unter der Maske und werde von der Lunge wieder eingeatmet, was eine Atemlähmung zur Folge habe. Auf dem dazugehörigen Bild in einem der Postings ist ein Kind mit Stoffmaske zu sehen. Aufgrund der Brisanz des Themas und der zunehmenden Reichweite der Behauptung wollen wir uns ansehen, was an dieser Information dran ist.
Zu überprüfende Information: Ein Mundschutz ist für Kinder ungeeignet bzw. gefährlich.
Einschätzung: Das ist falsch. Masken sind für Kinder ungefährlich. In Österreich wird zum Tragen einer Maske bei Kindern ab sechs Jahren geraten.
Überprüfung: CO2 ist Kohlendioxid. Beim Atmen findet ein Gasaustausch statt: Das Blut wird mit Sauerstoff (O2) versorgt und Kohlendioxid (CO2) wird aus dem Blut abtransportiert und an die Atemluft abgegeben. CO2 gilt nach Angaben des
Lungeninformationsdienstes, der zum Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt gehört, dabei als Abfallprodukt von Sauerstoff, da der Sauerstoff in Stoffwechselvorgängen verbraucht wird.
Bei einem Mund-Nasen-Schutz ist dieser natürliche Vorgang aber unproblematisch, weil er bestehen bleibt. Wie die Website
tagesschau.de des deutschen öffentlich-rechtlichen Senders ARD berichtet, sind Kohlenstoffdioxid-Moleküle viel zu klein, als dass sie von Atemmasken zurückgehalten werden würden. »Selbst Masken der höchsten Schutzklasse FFP3 können lediglich Partikel bis zur Größe von 0,6 Mikrometern, das sind 0,0006 Millimeter, zurückhalten«, heißt es. Zudem sei das Luftvolumen unter der Maske selbst nur sehr gering und befinde sich im ständigen Austausch. Würde man sich allerdings ein gasdichtes Sackerl um den Kopf binden, würde der Sauerstoffgehalt immer weiter sinken und der Kohlendioxid-Anteil entsprechend steigen.
Das Rechercheportal
Mimikama schreibt zudem unter Berufung auf Experten, dass man bei hoher CO2-Konzentration im Körper Atemnot bekäme und die Maske sofort ablegen würde. Das widerspricht klar der Behauptung im Posting, Kinder würden nicht merken wenn sie zu wenig Luft bekämen.
Eine im Jahr 2019
im Scientific Reports erschienene Studie zeigt, dass N95-Masken für Kinder ungefährlich sind. Hier wurde der Gesundheitszustand und die Atemaktivität von 106 Kindern in Singapur im Alter von sieben bis 14 Jahren in verschiedenen Situationen beobachtet und die CO2-Konzentration gemessen. Die Forscher konnten daher Entwarnung geben, solange die Kinder gesund sind und die Zeit des Tragens der Maske begrenzt ist.
APA-Faktencheck kontaktierte dazu den Direktor der Universitätsklinik für Pädiatrie I der Medizinischen Universität Innsbruck, Thomas Müller, der erklärte, dass es sich in dieser Studie um FFP2-ähnliche Masken handle. Selbstgenähte Masken hätten einen geringeren Atemwegswiderstand. Sie sind „für Kinder absolut ausreichend und werden besser toleriert“, sollen aber so beschaffen sein, dass das Kind durch den Stoff atmen kann. Für Säuglinge hält er Masken aber nicht für sinnvoll.
Matthias Volkmer Kopp, Facharzt für Kindermedizin mit Weiterbildung in kinderspezifischer Lungenmedizin, bezeichnete in einem Interview mit
DIE ZEIT die im Internet kursierende Behauptung, dass eine Atemschutzmaske dazu führt, dass sich CO2 in der Ausatemluft anreichert und zu einer Atemlähmung führen könnte, als »unsinnig und reine Panikmache«. Schulkinder mit einer gesunden Lunge könnten eine Atemschutzmaske gefahrlos aufsetzen. Vor dem Tragen einer Maske bei Babys riet er aber ab.
Das wird auch nicht von offizieller Seite empfohlen. Auf der Plattform
oesterreich.gv.at heißt es, dass ein Schutz des Mundes und der Nase auch für Kinder empfohlen werde, allerdings nur, „wenn dieser toleriert wird“. Zudem gelte der Schutz in Österreich nicht für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr.
Das Volksschulalter nennt auch die
Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin, wobei sie anmerken, dass das Tragen einer Maske »sicherlich auch bei kleineren Kindern möglich« sei. Für Kinder, die noch nicht das Volksschulalter erreicht hätte, spricht die wissenschaftliche Fachgesellschaft eine »Kann-Empfehlung« aus. Zur Gefährdung von Kindern durch Masken heißt es in dem Schreiben, dass Atemschutzmasken zu einem erhöhten Atemwegswiderstand führen würden, Vorsichtsmaßnahmen gelte es bei jenen Kindern zu beachten, die aufgrund einer Erkrankung in ihrer Lungenfunktion eingeschränkt seien.
Entwarnung gibt auch der Berliner Mediziner und Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, in einem Faktencheck der
Deutschen Presse-Agentur: »Das CO2 ist ein Gas und bleibt im Stoff nicht hängen.« Auch kleine Kinder könnten einen Mundschutz tragen. »Das geringere Lungenvolumen bei Kindern ist nicht so gering, als dass die Atemluft Platz zwischen Gesicht und Mundschutz hätte«, so Maske. »Da besteht auch für kleinste Kinder keinerlei Gefahr.« Mit jedem Atemzug komme wieder ausreichend frische, sauerstoffreiche Luft in die Lungen.
Zu einer Maskenpflicht für Kinder selbst gibt es hingegen durchaus auch kritische Meinungen. Eine solche bewertet etwa der Public Health-Experte und Mediziner Martin Sprenger im
Interview mit der Tiroler Tageszeitung (ab Minute 7:40) „mit Sicherheit kontraproduktiv“, da durch das Hantieren im Gesicht die Übertragungsgefahr sogar erhöht werden könnte.
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Valerie Schmid/Florian Schmidt
AKTUALISIERT AM 27. MAI 2020 19:48