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blog / Mittwoch 24.09.25

APA Check Avatar Massive pro-russische Einflussnahme vor Moldau-Wahl

APA/AFP

Dass gezielte Desinformation oft in Verbindung zu Russland steht, ist mittlerweile weithin bekannt. Kurz vor der Parlamentswahl in der Republik Moldau zeigt sich aber, wie ausgeklügelt Desinformationskampagnen des Kremls sein können. Mit koordinierten Troll-Armeen, KI-generierten oder manipulierten Inhalten sowie falschen Narrativen werden Soziale Medien seit Wochen geflutet. Meist werden dabei Präsidentin Maia Sandu und ihre pro-europäische Partei PAS diskreditiert.

Einschätzung: Als Urheber vieler Falschbehauptungen über Moldau und Präsidentin Sandu lassen sich laut unabhängigen moldauischen Nachrichtenplattformen Russland bzw. pro-russische Medien identifizieren. Das Ziel der orchestrierten Aktionen ist klar: Die pro-europäische Ausrichtung des Landes zu stoppen und die Führung durch eine pro-russische zu ersetzen.

Überprüfung: Nachdem eine Intensivierung der massiven Desinformationskampagne bereits vor den Präsidentenwahlen in Moldau im Vorjahr spürbar war, nahm sie in „Vorbereitung“ auf die Parlamentswahl vor dem Sommer erneut an Fahrt auf. So verbreitete sich in sozialen Netzwerken etwa die Behauptung, dass Sandu im Falle eines Sieges ihrer Partei 700 Personen in den Ukraine-Krieg schicken wolle. Das wurde vom Sprecher Sandus umgehend dementiert (1).

Je näher der für kommenden Sonntag (28. September) geplante Urnengang kommt, desto gezielter werden auch die Angriffe auf Sandu als Person. Aktuell wird vor allem auf Facebook ein Artikel der Plattform „head-post.com“ geteilt, in dem es heißt, Sandu leide an Schizophrenie und habe sich deshalb auch in Behandlung begeben – unter anderem in der Privatklinik Döbling in Wien (2,3). Als vermeintlicher Beweis dafür wird der Screenshot eines „Anmeldeformulars“ geteilt, laut dem sich Sandu rund um den 26. Juni 2023 in Wien aufgehalten haben soll.

Privatklinik Döbling: „Gefälschtes Formular“

Die Privatklinik Döbling bezeichnete das Anmeldeformular auf Anfrage von APA-Faktencheck als „gefälscht“. Im Vorjahr sei ein gefälschter Arztbrief über die Behandlung Sandus im Umlauf gewesen, der betreffende Arzt habe bereits dementiert, die moldauische Präsidentin behandelt zu haben. Zudem werde die erwähnte Behandlung – eine elektrokonvulsive Therapie – in der Privatklinik Döbling nicht durchgeführt, betonte eine Sprecherin. Ein Tippfehler – „Electroconvulsieve therapie“ anstatt „Electroconvulsive Therapie“ – deutet außerdem darauf hin, dass das Formular nicht seriös ist. Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) wird etwa zur Behandlung Therapie-resistenter psychiatrischer Erkrankungen eingesetzt (4).

Ein weiteres Indiz, das gegen einen Wien-Aufenthalt Sandus am 26. Juni 2023 spricht, ist, dass die Präsidentin an dem Tag mehrere Termine in der moldauischen Hauptstadt Chisinau absolvierte. Das geht aus Aussendungen der Präsidentschaftskanzlei und Artikeln der moldauischen Presseagentur Moldpres hervor (5,6,7,8).

Zusätzlich zur psychischen Erkrankung Sandus wird in sozialen Medien auch immer wieder behauptet, die 53-Jährige sei drogensüchtig und habe Millionen Dollar veruntreut, wie die Plattform „NewsGuard“ in einer Untersuchung der gängigsten Falschbehauptungen rund um die moldauische Parlamentswahl herausfand (9). Auch vom Kreml direkt wird Sandu regelmäßig attackiert. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bezeichnete Sandu etwa als „Übermittlerin derselben Nazi-Ideen Ideologien und philosophischen Ansichten, für die der Westen bezahlt“ (10).

Vermehrt E-Mails an Faktenchecker

Die APA – Austria Presse Agentur erreichten über die E-Mail-Adresse des Faktencheck-Teams im vergangenen halben Jahr dutzende Anfragen zur Republik Moldau. Über faktencheck@apa.at können jederzeit Postings und Inhalte, die potenzielle Falschinformationen enthalten, gemeldet werden. APA-Faktencheck antwortet auf seriöse Anfragen in der Regel ehestmöglich.

Das Gros der E-Mails, die im Posteingang dieser Adresse landen, stammt allerdings nicht aus Österreich. Diese E-Mails sind nach demselben Schema aufgebaut. Sie werden alle mit Gmail-Adressen gesendet, deren Erstellung gratis und unkompliziert möglich ist. Die E-Mails sind stets in englischer Sprache verfasst und enthalten zahlreiche Links zu Social-Media-Postings, um deren Überprüfung gebeten wird.

Die E-Mails stammen allerdings nicht von besorgten Internetnutzern. Sie sollen vielmehr die Arbeit von Journalisten und Faktencheckern blockieren, die sich im Idealfall für die Absender tatsächlich mit den Links auseinandersetzen. Denn einige der Behauptungen wären tatsächlich überprüfbar. Allerdings ist auch das gewollt: Mit Faktenchecks und anderen journalistischen Texten dazu rücken gezielt gestreute Narrative in den Fokus – unabhängig davon, ob sich die Behauptungen in den Links als wahr oder falsch herausstellen.

„Operation Overload“ soll lahmlegen und lenken

Diese E-Mails werden seit etwa 2023 an zahlreiche Faktencheck-Organisationen verschickt, ihre Inhalte variieren. Sie sind Teil der „Operation Overload“ (auch „Operation Matryoshka“), einer vielschichtigen pro-russischen Desinformationskampagne (11,12). In einer groß angelegten Recherche über mehrere Kontinente und Plattformen hinweg konnte nachgewiesen werden, dass im Zuge solcher Kampagnen dieselben Falschbehauptungen weltweit gestreut werden (13).

Der Schwerpunkt liegt dabei üblicherweise auf der Ukraine. Gibt es auch Interesse an der Beeinflussung der Stimmung in und zu anderen Ländern, werden die Inhalte entsprechend angepasst, wie aktuell in Moldau deutlich zu sehen ist.

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) bezeichnet solche Einmischungen in politische Abläufe anderer Länder als FIMI (Foreign Information Manipulation and Interference). Der EAD versteht darunter „vorsätzliche Handlungen und strategische und koordinierte Versuche“ Fakten zu manipulieren, sowie Angst und Hass zu streuen (14).

Valeriu Pasha, Präsident der moldauischen NGO „WachtDog.md“ sagte kürzlich, das Ziel russischer Desinformation sei es, genügend Verwirrung und Zynismus zu säen, damit sich Bürger selbst aus dem demokratischen Prozess zurückzuziehen. In Moldau bedeute dies, „Apathie, Desillusionierung und das Gefühl zu fördern, dass keine politische Entscheidung es wert ist, daran zu glauben“ (15).

Russland als Akteur, Telegram als Plattform

Hauptakteure sind laut dem aktuellen dritten FIMI-Jahresbericht des EAD Russland und China. Darin bestätigt sich auch Russlands Interesse an der Ukraine, auf die fast die Hälfte der 505 analysierten FIMI-Fälle in 90 Staaten entfielen. Im darin überprüften Zeitraum von November 2023 bis November 2024 war aber auch die Republik Moldau mit 45 Fällen stark betroffen.

Zentrale Plattformen für das Funktionieren der „Operation Overload“ sind TikTok, X und vor allem der in Russland entwickelte Messenger-Dienst Telegram (16). Das geht auch aus den der APA zugesandten Links hervor. Experten sprechen diesbezüglich auch von „koordiniertem unauthentischen Verhalten“ (Coordinated Inauthentic Behavior, CIB). Eine aktuelle Auswertung des europäischen Onlinemedien-Beobachtungsnetzwerks EDMO zu Moldau sieht deutliche Anzeichen dafür (17).

Viele der Inhalte, vorrangig auf TikTok, sind schon kurz nach Zustellung der E-Mails nicht mehr abrufbar. Das liegt vor allem an einer Aktion der Video-Plattform (18), im Zuge derer hunderttausende Accounts entfernt und tausende problematische Inhalte rund um die bevorstehenden Wahlen gelöscht wurden, noch bevor sie von Nutzern als solche gemeldet wurden (19).

Für TikTok ist das ein Zeichen des Erfolgs seiner Bemühungen, die Wählerbeeinflussung zugunsten der pro-russischen Parteien einzudämmen (20). Damit stemmt man sich gegen eine laut der investigativen moldauischen Wochenzeitung Ziarul de Gardă umgerechnet mindestens 300 Millionen Euro schweren Kampagne aus dem Kreml (21).

Quellen:

(1) Richtigstellung zur Entsendung von Soldaten: https://go.apa.at/pNfIxlVF (archiviert: https://perma.cc/FL8H-G2J6)
(2) Artikel auf „Head-Post.com“: https://go.apa.at/hBkKgFlO; archiviert: https://perma.cc/K262-8T26)
(3) Falschbehauptung zur Behandlung Sandus in Wien auf Facebook: https://go.apa.at/AcCX4g83 (archiviert: https://archive.ph/75iHe)
(4) Uni Wien zur Elektrokonvulsionstherapie: https://go.apa.at/MHDutPDy (archiviert: https://perma.cc/KF3D-BMJW)
(5) Aussendungen der Präsidentschaftskanzlei: https://go.apa.at/z5kn0ZeP (archiviert: https://perma.cc/RD67-XCG4)
(6) Moldpres-Artikel 1: https://go.apa.at/5QW5tKan (archiviert: https://perma.cc/C3VK-585E)
(7) Moldpres-Artikel 2: https://go.apa.at/0OZQnZ5t (archiviert: https://perma.cc/8QL5-BJS4)
(8) Moldpres-Artikel 3: https://go.apa.at/lkH4QYia (archiviert: https://perma.cc/AAP6-BMEQ)
(9) Newsguard-Artikel: https://go.apa.at/C7ssYtDS (archiviert: https://archive.ph/FZszF)
(10) Tagesschau-Artikel zu Kreml-Aussagen über Sandu: https://go.apa.at/tmu8KTQx (archiviert: https://perma.cc/L5RE-TUPE)
(11) Umfangreiche Auswertung zur „Operation Overload“: https://go.apa.at/UAHzNBsp (archiviert: https://perma.cc/WF7B-QATY)
(12) ISD-Analyse der „Operation Overload“: https://go.apa.at/W12Y2prG (archiviert: https://perma.cc/8T5T-FQJ4)
(13) Rechercheergebnisse zu Ukraine-Desinformation: https://go.apa.at/Va0hIBpT (archiviert: https://perma.cc/XAW3-XLLB)
(14) FIMI-Report 2025: https://go.apa.at/weKLYy50 (archiviert: https://perma.cc/KS5Z-K85F)
(15) Artikel „European Policy Centre“ (EPC): https://go.apa.at/aZADaccB (archiviert: https://perma.cc/B67L-5TAR)
(16) „derstandard.at“-Artikel über Telegram: https://go.apa.at/vgPRVboP (archiviert: https://perma.cc/5DBH-47KG)
(17) Aktuelle EDMO-Analyse: https://go.apa.at/upXnS7qj (archiviert: https://perma.cc/PQZ8-TJMT)
(18) TikTok-Presseaussendung zu Moldau: https://go.apa.at/a95x3Yjb (archiviert: https://perma.cc/JB6Q-HFHB)
(19) Moldauischer Artikel zur TikTok-Aktion: https://go.apa.at/7e0mhmj1 (archiviert: https://perma.cc/KZY2-T8YJ)
(20) dw.com zur russischen Einflussnahme in Moldau: https://go.apa.at/5k6zB4u9 (archiviert: https://perma.cc/4TR7-KMUW)

(21) „zdg.md“ zu Russlands Moldau-Plänen: https://go.apa.at/dWSa2uMo (archiviert: https://perma.cc/H7XZ-HR6P)

Wenn Sie zum Faktencheck-Team Kontakt aufnehmen oder Faktenchecks zu relevanten Themen anregen möchten, schreiben Sie bitte an faktencheck@apa.at. Die Texte vieler deutschsprachiger Faktencheck-Teams finden Sie auf der Seite des German-Austrian Digital Media Observatory (GADMO) unter: www.gadmo.eu

Christina Schwaha / Stefan Rathmanner