Vor wenigen Tagen kam es laut einigen Postings auf Facebook und Twitter zu einem „Riesen Korruptionsskandal“ in Bezug auf den Hersteller von Mund-Nasen-Schutzmasken, Hygiene Austria LP GmbH. Auch das Online-Magazin „Zack Zack„, das vom Ex-Politiker Peter Pilz (Grüne) herausgegeben wird, berichtete über die Causa unter dem Titel „Maskenconnection ins Kanzleramt“. Dabei wird behauptet, dass es über eine Mitarbeiterin von Sebastian Kurz enge Verbindungen von der Hygiene Austria ins Bundeskanzleramt gebe.
Zu überprüfende Behauptung: Es gibt Verbindungen von der Hygiene Austria LP GmbH in das Bundeskanzleramt.
Einschätzung: Richtig ist, dass der Ehemann der Kanzleramts-Büroleiterin Teilhaber der am 12. März 2020 gegründeten Firma ist. Der Bundeskanzler besuchte die Produktionsstätte auch am 19. Mai. Fakt ist, dass es keinerlei staatliche Aufträge an die Firma zur Maskenproduktion gibt. Die Hygiene Austria LP GmbH findet sich jedoch auf einer Liste von 51 potenziellen Lieferanten, die die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) veröffentlicht hat. Hygiene Austria bestreitet, jemals durch den Kontakt ins Bundeskanzleramt profitiert zu haben.
Überprüfung: Die Firma Hygiene Austria LP GmbH ist laut „Firmen ABC“ am 12. März 2020 gegründet worden. Am 13. März gab die Bundesregierung Maßnahmen wie die Schließung von Schulen bekannt, die allgemeine Maskenpflicht in u.a. Supermärkten wurde mit 6. April eingeführt.
Als Geschäftsführer der Hygiene Austria LP GmbH treten Tino Wieser und Florian Wirth auf. Als Gesellschafter fungieren die Lenzing Aktiengesellschaft (50,1 Prozent) und die Palmers Textil Aktiengesellschaft (49,9 Prozent). Tino Wieser wiederum ist laut WirtschaftsCompass Geschäftsführer der Palmers Vermögensverwaltungs und Beiteiligungs GmbH sowie Vorstand der Palmers Textil Aktiengesellschaft. Tino Wieser ist dort gemeinsam mit seinem Bruder Luca Wieser und Hutman Matvei als Vorstand gelistet. Dass es sich bei Luca und Tino Wieser um Brüder handelt, ist etwa in einem gemeinsamen Interview im Wirtschaftsmagazin „Gewinn“ dokumentiert.
Lisa Wieser ist Büroleiterin des Kabinetts von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Sie ist die Ehefrau von Luca Wieser, wie etwa aus Interviews im Frauenmagazin „Look“ oder mit der Bloggerin Hedi Grager hervorgeht.
Der Bundeskanzler besuchte die Produktionsstätte von Hygiene Austria am 19. Mai. Laut einer Aussendung des Unternehmens sagte er damals: „Ich freue mich sehr, dass wir in Österreich, durch die Gründung der Hygiene Austria, die Versorgung an Mund-Nasen Masken nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder gewährleisten können. Dies ist ein weiterer und wichtiger Beitrag zur Eindämmung von COVID-19 und zur Sicherheit aller Menschen in Österreich.“
Über die „Connection“ ins Kanzleramt äußerte sich übrigens die FPÖ als erste: Am 20. Juli vermutete FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz laut Aussendung wirtschaftliche Interessen im direkten Umfeld des Kanzlers hinter der offenbar von Kurz persönlich angestrebten Verschärfung“ (der Maskenpflicht, Anm.). „Die Büroleiterin von Kurz ist die Ehefrau eines der Palmers-Eigentümer. Palmers wiederum hat zusammen mit Lenzing eine Firma namens ‚Hygiene Austria‘ gegründet, die erst vor einer Woche bekanntgegeben hat, die Schutzmasken-Produktion auf 25 Millionen Stück pro Monat auszuweiten.“
Ein Sprecher des Bundeskanzleramts gab auf telefonische APA-Anfrage bekannt, dass seitens des BKA bisher keine Aufträge an die „Hygiene Austria“ erteilt wurden. Auch seitens des Wirtschaftsministeriums gab es laut telefonischer Auskunft einer Ministeriums-Sprecherin keine Aufträge oder Ankäufe.
Die Hygiene Austria selbst gab auf APA-Anfrage bekannt, an der Ausschreibung der BBG (Bundesbeschaffung GmbH) teilgenommen zu haben und „nach einem sehr gründlichen Überprüfungsverfahren“ als Lieferant gelistet zu sein. „Bisher sind keine Aufträge über die BBG eingegangen. Wir würden uns als ein rein österreichisches Unternehmen über Aufträge freuen.“ In der schriftlichen Stellungnahme betont Hygiene Austria, zu keinem Zeitpunkt durch den Kontakt zu Lisa Wieser eine Bevorzugung erfahren oder von Insider-Informationen profitiert zu haben, auch die Einladung des Bundeskanzlers zu einem Werksbesuch sei über die PR-Beratung des Unternehmens abgewickelt worden.
Die BBG übermittelte der APA eine Liste jener 51 Lieferanten, die im Zuge der Ausschreibung ermittelt wurden. Dabei wird betont: „Die in den vergangenen Tagen abgeschlossenen Verfahren sind, im Sinne des Krisen- und Vorsorgemanagements, als flexible Rahmenvereinbarungen für eine Laufzeit von vier Jahren aufgesetzt. Es besteht keine Abnahmeverpflichtung, im Falle der tatsächlichen Bestellung muss der Vertragspartner jedoch liefern.“