apa.at
blog / Freitag 19.02.21

APA Check Avatar Lage in Südafrika trotz Mutation entspannt

APA/AFP/Archiv

In Österreich ist die sogenannte Südafrika-Variante des Coronavirus derzeit in aller Munde. B.1.351 ist unter anderem der Grund für die Lockdown-Verlängerung und Reisebeschränkungen. Gleichzeitig finden sich in sozialen Netzwerken Postings, die behaupten, dass in Südafrika selbst die Lage gar nicht so drastisch sei.

In einem Facebook-Eintrag (hier archiviert) behauptet ein User, dass die dortige Situation viel entspannter sei. In einem weiteren Eintrag (hier archiviert) schreibt angeblich ein in Kapstadt lebender Deutscher, dass das Virus kaum eine Rolle spiele. „Vor allem wenn man bedenkt das das Wort Corona bei uns nur mit dem Bier in Verbindung gebracht wird da wir rein gar kein Problem mit dem Virus haben.“ (sic!) Die Beiträge wurden Hunderte Male geteilt.

Zu überprüfende Information: In Südafrika ist die Lage hinsichtlich Corona-Infektionen derzeit entspannt.

Einschätzung: Tatsächlich verzeichnet Südafrika derzeit verhältnismäßig wenige Corona-Neuinfektionen und hat seine Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus gelockert. Vor einigen Wochen hatte das Land aber noch mit steigenden Infektionen zu kämpfen. Der Anteil der neuen „südafrikanischen“ Variante machte bei sequenzierten Fällen im Jänner 94 Prozent aus.

Überprüfung:

Das österreichische Außenministerium warnt derzeit vor Reisen nach Südafrika. Das Land ist hingegen seit 1. Oktober 2020 für internationale Reisen wieder geöffnet.

Den ersten Peak bei den täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus gab es in Südafrika im Juli und August, also in der kältesten Jahreszeit in Südafrika. Mit dem Anstieg der Temperaturen flachte auch diese Welle ab, wobei es dann im vergleichsweise wärmeren Dezember erneut zu einer drastisch ansteigenden Kurve kam. Mitte Dezember wurde von den südafrikanischen Behörden die Entdeckung einer Variante von SARS-CoV-2 verlautbart, die sich in einigen Gebieten rasant ausbreitete und ansteckender sein dürfte.

In mehreren Medien wie der Washington Post war im Jänner zu lesen, dass die neue „südafrikanische“ Variante laut Dr. Richard Lessells, einem Forscher an der südafrikanischen KwaZulu-Natal Research and Innovation Sequencing Platform (KRISP) bereits bei über 90 Prozent aller Sequenzierungen festzustellen gewesen ist. Auf Anfrage übermittelte Dr. Lessells der APA aktuelle Daten von der Wissenschaftsinitiative GISAID. Demnach hätte der Anteil der Variante 501Y.V2 im Oktober 12 Prozent (42 von 361 Sequenzierungen), im November 61 Prozent (289/472), im Dezember 91 Prozent (307/339) und im Jänner bereits 94 Prozent (105/112) ausgemacht.

Dr. Lessells wies darauf hin, dass diese Daten mit Vorsicht zu betrachten seien, da man weniger als ein Prozent aller Fälle sequenziere. Dennoch zeigten die Ergebnisse, dass die Variante 501Y.V2 in zahlreichen Regionen des Landes während der zweiten Welle dominant geworden sei.

Die täglichen Neuinfektionen in Südafrika erreichten Anfang des Jahres 2021 ihren höchsten je gemessenen Wert und brachen anschließend stark ein. Anfang Jänner steckten sich noch knapp 20.000 Menschen pro Tag mit dem Virus an. Mitte der Vorwoche lag der Sieben-Tages-Durchschnitt der täglichen Neuinfektionen nur noch unter 2.000.

Die sinkenden Infektionen und Hospitalisierungen veranlassten die politisch Verantwortlichen zu Lockerungen. Wie Präsident Cyril Ramaphosa in seiner Rede am 1. Februar ankündigte, gilt das nächtliche Ausgangsverbot fortan von 23 Uhr bis 4 Uhr. Öffentliche Orte wie zum Beispiel Strände, Parks und Schwimmbäder wurden wieder geöffnet. Sämtliche Einrichtungen müssen jedoch um 22 Uhr geschlossen werden, damit Besucher und Mitarbeiter rechtzeitig nach Hause zurückkehren können. Davor mussten die Bürger schon um 21 Uhr zu Hause sein.

Außerdem wurden die Beschränkungen für alkoholische Getränke geändert. Lizenzierte Shops dürfen von Montag bis Donnerstag (10 bis 18 Uhr) Alkohol für den externen Verbrauch verkaufen. In Lokalen ist der Alkoholverkauf die ganze Woche von 10 bis 22 Uhr gestattet.

Ganz ohne Auflagen geht es aber auch in Südafrika nicht. Unter anderem sind gesellschaftliche Zusammenkünfte, politische Veranstaltungen, traditionelle Ratssitzungen und Versammlungen auf Sportplätzen nicht gestattet. Davon ausgenommen sind religiöse Zusammenkünfte und Beerdigungen. Zudem muss in der Öffentlichkeit weiterhin eine Maske getragen werden. Auch sollen Innenräume nach Möglichkeit gemieden und die Fenster geöffnet werden. Außerdem ist ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern obligatorisch. Ramaphosa plädierte in seiner Ansprache dafür, dass, wenn möglich, aus dem Home Office gearbeitet wird.

Im Kampf gegen die Ausbreitung von Covid-19 setzt Südafrika auf ein fünfstufiges Alarmsystem. Die höchste Stufe wurde im März 2020 ausgerufen, obwohl damals kaum Infektionen zu verzeichnen waren. Im Mai ging man fließend in Alarmstufe 4 über, im Juni schließlich in eine noch lockere Stufe 3. Auch seit Dezember galt wieder diese Stufe 3 und somit die oben erwähnten Maßnahmen. Diese Regelungen scheinen zum Rückgang der Zahlen im Jänner beigetragen zu haben, wobei auch die derzeit hohen Temperaturen eine Erklärung sein könnten.

Für Dr. Lessells ist das Schrumpfen der Infektionszahlen durch mehrere Faktoren zu erklären. Zum einen spielten hier natürliche epidemische Dynamiken eine Rolle, etwa eine langsamere Übertragung durch eine größere Anzahl Menschen mit bereits erfolgter Infektion und eine folglich größere Immunität in der Bevölkerung. Ein Grund sei auch das veränderte Verhalten der einzelnen Menschen, einerseits durch die eigenen Wahrnehmungen und Handlungsmotive, andererseits durch die politischen Maßnahmen. Auch geänderte Verhaltensweisen am Ende der Urlaubszeit seien ein Grund. Wie immer sei allerdings schwer festzustellen, welchen Anteil diese unterschiedlichen Faktoren hätten, sagte Lessells zur APA.

Auch der österreichische Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärmedizinischen Universität Wien sagte im Gespräch mit der APA, dass gestiegene Temperaturen alleine nicht ausreichen, um die Rückgänge der Infektionen in Südafrika zu erklären, da Coronaviren erst ab 60 Grad deaktiviert werden. Vielmehr spiele eine Rolle, dass sich bei schönerem Wetter die Menschen mehr im Freien aufhalten würden. „Mehr Platz und bessere Luft bedeuten weniger Ansteckungen.“ In Österreich finden laut Nowotny rund 90 Prozent der Ansteckungen in Innenräumen statt.

Hauptsächlich wird das Coronavirus seinen Angaben zufolge von Mensch zu Mensch über Tröpfchen und Aerosole (feinste Tröpfchen) übertragen, auf welche Sonneneinstrahlung und steigende Temperaturen durchaus Einfluss hätten, da diese dann ausgetrocknet werden würden. Außerdem werde das Virus mittels Schmierinfektion oder über „Staub-Virus-Aggregate“ weitergegeben. Dabei unterstrich Nowotny nochmals die Bedeutung der FFP2-Maske.

Die Situation in Südafrika ist derzeit also tatsächlich recht entspannt und wird von zahlreichen Lockerungen der Maßnahmen gegen eine Ausbreitung des Virus begleitet. Vor ein paar Wochen kämpfte man im Land allerdings noch mit drastisch steigenden Zahlen. Dass das Virus wie im Posting behauptet keine Rolle spiele, kann deswegen nicht wirklich behauptet werden.

 

Wenn Sie zum Faktencheck-Team Kontakt aufnehmen oder Faktenchecks zu relevanten Themen anregen möchten, schreiben Sie bitte an faktencheck@apa.at

Patrick Hosa/Florian Schmidt/Valerie Schmid