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blog / Freitag 21.07.23

APA Check Avatar Klimawandel schon lange im allgemeinen Bewusstsein

APA/dpa

Nach der Krise ist vor der Krise: Nach Ende der Coronavirus-Pandemie, die die Welt für über zwei Jahre fast zum Stillstand brachte, ist nun die Klimakrise in aller Munde. Auch wenn es dank medialer Aufmerksamkeit wie ein Modethema erscheint, begleitet uns der Klimawandel schon lange.

Während die internationale Gemeinschaft nach Lösungen sucht und Klimaschutzorganisationen gegen Konzerne und Regierungen kämpfen, behaupten aber immer wieder einige, dass die Krise erfunden sei (1). Dabei wird etwa auf einen alten Zeitungsartikel verwiesen, wonach es bereits im Jahr 1975 in Deutschland 40 Grad Celsius gehabt hätte.

Einschätzung: Die Behauptung in dem weitverbreiteten Facebook-Posting ist falsch. Der Klimawandel ist Wissenschaftlern schon seit Jahrhunderten ein Begriff, auch wenn die Gefahr, die er birgt, erst in der jüngeren Vergangenheit deutlich wurde. Auch die Behauptung, dass es am 8. August 1975 in Deutschland 40 Grad Celsius hatte, stimmt nicht. Bei der „Bild“-Schlagzeile handelt es sich lediglich um eine Prognose, die nachweislich nicht erfüllt wurde.

Überprüfung: Der Treibhausgaseffekt, der zentrale Treiber der Klimaerwärmung, ist seit rund 200 Jahren in der Wissenschaft bekannt. Laut dem französischen Physiker Joseph Fourier (2) in einem Essay in 1824 müsste ein Planet mit den Maßen der Erde und im selben Sonnenabstand eigentlich kühler sein. Er meinte sogar, dass Elemente in der Erdatmosphäre als „Isolierdecke“ funktionieren könnten.

Diese Decke wurde 1856 von der amerikanischen Wissenschaftlerin Eunice Foote (3) entdeckt. Sie machte auch die wichtige Entdeckung, dass CO2 und Wasserdampf die Infrarotstrahlung in der Erdatmosphäre absorbieren und somit einen wärmenden Effekt erzeugen.

In den 1860er Jahren entdeckte der irische Physiker John Tyndall (4) den Treibhausgaseffekt. Er stellte damit die Hypothese auf, dass schon kleine Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre Klimavariationen erzeugen könnten. Tyndall forschte genau zu dem Zeitpunkt, als das Industriezeitalter auf den britischen Inseln Fahrt aufnahm und die Erderwärmung maßgeblich beschleunigte.

Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte der schwedische Wissenschaftler Svante Arrhenius in einem zukunftsträchtigen Paper (5) erstmals den Verdacht, dass Änderungen der atmosphärischen CO2-Level auch dramatische Änderungen der Bodentemperaturen herbeiführen können. Knapp 40 Jahre später, in den 1930er Jahren, zeigte der britische Ingenieur Guy Steward Callendar (6) auf, dass die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre gestiegen ist – und zwar wesentlich mehr als in einem Klimawandel ohne Menschenhand. Allerdings hat Callendar diesen Anstieg nicht als Problem aufgefasst, sondern eher als positiv empfunden.

Anders sah es der deutsche Meteorologe Hermann Flohn (7) in den 1940er Jahren. Er forschte über die Wirkung von menschlichen Strukturen wie Städte oder Stauseen auf lokale Mikroklimata. Flohn warnte, dass die Zusammenwirkungen komplex waren und dass die Zukunft nicht klar vorhersehbar war, was das Klima betraf.

In den 1970er Jahren war das Wissen über die Klimasituation schon weiter verbreitet (8). Wissenschaftler, NGOs und Klimaschutzaktivisten kritisieren seither immer lauter und öffentlicher die stark zunehmende Menge an CO2 in der Luft, die Erderwärmung und den mangelnden politischen Willen, dagegen einzulenken.

Die Geschichte des Klimawandels wird in dieser Zeit besonders düster. Laut Studien (10), die um 2015 herum publiziert wurden, wusste der Öl- und Gasriese Exxon nachweislich seit den 1970er Jahren über den Klimawandel Bescheid. Die Firma hat deshalb viel Geld investiert, um die sich anbahnende Klimakrise zu leugnen. Laut „The Guardian“ (9) ist es sogar möglich, dass andere Ölkonzerne schon in den 1950ern von dem Risiko wussten.

Was aber vielleicht für Wissenschaftler und Experten schon lange ein Thema ist, muss nicht unbedingt medial verbreitet sein. Oft liegen Jahrzehnte zwischen Entdeckungen und deren öffentlicher Präsentation, besonders im prä-digitalen Zeitalter. Der Ausdruck „Klimawandel“ („climate change“) und vor allem das öffentliche Bewusstsein für das Thema wurden erst Ende der 80er Jahre (11) geschärft.

Dennoch wurde auch davor schon immer wieder öffentlich über das Thema diskutiert, zumindest in den USA. Artikel in der „New York Times“ von 1934, 1937, und 1962 (12) thematisierten klimabedingte Veränderungen und Verbesserungsvorschläge. Noch dazu wurde 1970 der „Earth Day“ (13) gegründet, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Folgen von 150 Jahren Industrialisierung zu lenken.

Während die Titelseite der „Bild“-Zeitung keine Fotomontage ist, wurden im Sommer 1975 an keiner Stelle in Deutschland 40 Grad Celsius gemessen. In dem Artikel zur Schlagzeile „40 Grad Hitze – Jetzt wird das Wetter lebensgefährlich“ wurde nur vor extremen Temperaturen gewarnt. Diese sind dann nachweislich (14) nicht eingetroffen. Die höchste je gemessene Temperatur in Deutschland datiert vom 25. Juli 2019, und lag bei 41,2 Grad in Duisburg und Tönisvorst bei Krefeld (15). Österreich steht dem nicht viel nach – am 8. August 2013 erreichte die Temperatur in Bad Deutsch-Altenburg 40,5 Grad Celsius (16).

Es ist nicht das erste Mal, dass alte Zeitungsartikel mit angeblichen Temperaturhöchstwerten verwendet werden, um die Klimakrise in Frage zu stellen. Die APA hat schon früher eine Faktencheck zu einem ähnlichen Fall gemacht (17).

 

Quellen:

(1) Facebook: https://go.apa.at/QDt9UyYD (archiviert: https://archive.ph/YVtDN)

(2) Joseph Fourier: https://go.apa.at/DUyEE1Af (archiviert: https://perma.cc/3VXN-AFE5)

(3) Eunice Foote: https://go.apa.at/TYnJT65w (archiviert: https://archive.ph/sQKWJ)

(4) NASA: https://go.apa.at/YcazygLR (archiviert: https://archive.ph/01obs)

(5) Svante Arrhenius: https://go.apa.at/NITDx84X (archiviert: https://archive.ph/X8Bhx)

(6) ARD Alpha: CO2 Emissionen: https://go.apa.at/y3XnHgd2 (archiviert: https://archive.ph/BZvUO)

(7) ARD Alpha: Geschichte der Klimaforschung: https://go.apa.at/ctOvqb80 (archiviert: https://archive.ph/KayJD)

(8) AIP: Climate Change in the 70s: https://go.apa.at/VDnSX2GD (archiviert: https://perma.cc/PAY6-AKM9)

(9) The Guardian: https://go.apa.at/a84b5SP9 (archiviert: https://archive.ph/JAwwa)

(10) Scientific American: https://go.apa.at/iJjH98CK (archiviert: https://archive.ph/sqXZZ)

(11) United Nations: https://go.apa.at/QXUOaejF (archiviert: https://archive.ph/sXthg)

(12) New York Times: https://go.apa.at/CoWmEUbO (archiviert: https://archive.ph/IpnHQ)

(13) Earth Day: https://go.apa.at/vmXJ6XEY (archiviert: https://archive.ph/7VZMF)

(14) Wetter am 8. August 1975: https://go.apa.at/ZqKesjET (archiviert: https://archive.ph/TYiMC)

(15) Süddeutsche Zeitung: https://go.apa.at/KhtWwIHJ (archiviert: https://archive.ph/KIPt0)

(16) ORF: https://go.apa.at/y5r1LebC (archiviert: https://archive.ph/Y9qFv)

(17) APA Faktencheck: https://go.apa.at/Sf3Gj0b1 (archiviert: https://archive.ph/CMy5R)

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Jules Walker / Stefan Rathmanner / Florian Schmidt