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blog / Donnerstag 02.07.20

APA Check Avatar Kinderzimmer in U-Bahn-Station war Kunstprojekt ohne kriminellen Hintergrund

Ist Kindesmissbrauch an einem Ort, der jeden Tag von Tausenden Leuten besucht wird, möglich? Genau dies legen derzeit einige Facebook-Postings nahe (Beispiel 1 – archiviertBeispiel 2 – archiviert), die Videomaterial eines Kinderzimmers verbreiten, das sich in einer U-Bahn-Station der Wiener Linien befinden soll. Teilweise wird behauptet, dass Pädophile dieses Zimmer für sexuellen Missbrauch von Kindern eingerichtet haben, teilweise wird dies als Möglichkeit gesehen. Das Video wurde bereits Zehntausende Male angesehen und von Hunderten Leuten geteilt. Wir wollen uns deshalb dem Thema widmen und checken, was hinter dem Zimmer steckt und ob es dort zu Verbrechen gekommen ist.

Zu überprüfende Information: In einer U-Bahn-Station der Wiener Linien existiert oder existierte ein als Kinderzimmer eingerichteter Raum, der für pädophile Verbrechen genutzt wurde.

Einschätzung: Für diese Behauptung gibt es keine Hinweise. Den Raum gab es in Wien wirklich, allerdings dürfte es sich um ein Kunstprojekt gehandelt haben. Das Kinderzimmer wurde nach dessen Bekanntwerden im Jahr 2014 von den Wiener Linien wieder in den Ursprungszustand als Betriebsraum zurückversetzt. Laut Wiener Linien und laut Polizei Wien gibt es keine Hinweise auf kriminelle Aktivitäten.

Überprüfung:

Das Originalvideo ist im Jahr 2014 publiziert worden. Es findet sich auch noch immer auf Youtube (archiviert).

Laut der Beschreibung soll es sich um ein Kunstprojekt aus dem Jahr 2012 handeln. In einem unterirdischen Raum der U-Bahn-Linie U3 soll ein Kinderzimmer eingerichtet worden sein. Da es im Anschluss versiegelt worden sein soll, sei es bis zur Veröffentlichung des Videos unklar geblieben, ob das Zimmer einfach nur nicht gefunden wurde oder Informationen über die Entdeckung zurückgehalten worden sind.

„Das Video lässt offen inwiefern es sich um eine vorgefundene Situation handelt, dieser Raum also tatsächlich von Menschen genutzt wird oder diese Szenerie künstlich hergestellt wurde“, heißt es auf YouTube. Die Existenz eines Kinderzimmers in einer U-Bahn-Station soll „die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum verwischen“.

Im Wiener Kulturmagazin „The Gap“ erschien im August 2014 ein Interview (Seite 1Seite 2) mit dem laut deren Angaben anonymen Künstler. Seinen Informationen zufolge wurde drei Monate lang ein passender Ort für das Kunstprojekt gesucht. Das Zimmer wurde nach der Gestaltung als Kinderzimmer versperrt und nicht mehr aufgesucht. Nach zwei Jahren entschied sich der Künstler laut dem Interview selbst zur Veröffentlichung, da er bis dahin keine Medienberichte über eine Entdeckung wahrgenommen hatte.

Dem Künstler zufolge soll das Zimmer Bezug nehmen „auf die Entdeckungen, die in Österreich vor einigen Jahren gemacht wurden“, womit wohl die Fälle Kampusch und Fritzl gemeint sind. Weitere Motive für die Einrichtung des Zimmers seien auch die Themen „prekäre Nutzung von Räumen“ und „Verschiebung der Grenzen des öffentlichen Raums“ gewesen. Das Zimmer könne laut Künstler auch „als Versteck in einem Endzeit- oder Fluchtszenario interpretiert werden“.

Auf eine gemeinsame Anfrage der Faktenchecker der APA und der dpa informierten die Wiener Linien, dass der Raum in dieser Form nicht mehr existiere. Nach dessen Bekanntwerden im Jahr 2014 sei er sofort geräumt worden. Der Raum sei in seinen „Ursprungszustand“ zurückgeführt worden. Es handle sich um einen Betriebsraum der Wiener Linien, zu dem nur Personal Zugang habe.

Die Wiener Linien bestätigten, dass es sich bei dem Kinderzimmer wohl um ein Kunstprojekt gehandelt habe. Sie hätten davon aber nichts gewusst.

Laut Wiener Linien gibt es „keinen Hinweis, dass der Raum in verbrecherischer Absicht genutzt wurde“. Auch die Polizei Wien bestätigte auf Anfrage, dass es keine Hinweise auf verbrecherische Geschehnisse gibt.

Im Video ist der Schriftzug „Steinbruchstraße“ für einen Ausgang aus der U-Bahn-Station zu erkennen, was auf die U3-Station Kendlerstraße verweist. Die Wiener Linien bestätigten diesen Standort.

Das Bildmaterial taucht auch bei anderen Falschnachrichten auf. So überführten die Faktenchecker von „Correctiv“ etwa ein Posting, das behauptete, dass in Deutschland ein verstecktes Kinderzimmer existiert, das in Verbindung mit Kinderhandel steht.

 

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Florian Schmidt/Valerie Schmid