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blog / Mittwoch 10.08.22

APA Check Avatar Keine Hinweise auf Manipulation von Ludwig-Video

APA/Archiv

Nachdem Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) Ende Juni auf einen angeblichen Videoanruf seines ukrainischen Amtskollegen in Kiew hereingefallen ist, der sich später als Fake herausstellte, tauchte nun das dazugehörige Video auf. Es wurde am Dienstag auf dem russischen Videoportal Rutube (1) veröffentlicht. Der verifizierte Kanal gehört dem prorussischen Prank-Duo Vovan und Lexus. Doch handelt es sich bei dem Video um authentisches Material?

Einschätzung: Abseits des Zusammenschnitts gibt es keine Hinweise auf eine Bildmanipulation wie etwa einen Deepfake.

Überprüfung: Am 22. Juni 2022 erklärte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf Twitter, mit dem Kiewer Bürgermeister, Vitali Klitschko, telefoniert zu haben. In einer Videokonferenz sei die Situation in der Ukraine besprochen worden. Klitschko gab ein paar Tage später bekannt (2), dass es kein Gespräch mit Ludwig gegeben habe. In einem Video (3) sprach er von einem „falschen Klitschko“ und riet, sich für offizielle Gespräche an offizielle Kanäle zu halten. Zudem stellte er klar, für Gespräche in Deutsch oder Englisch keinen Übersetzer zu brauchen.

Ludwig räumte ein, bei dem Video-Gespräch getäuscht worden zu sein. Der Tweet zum angeblichen Gespräch mit Klitschko wurde gelöscht, eine archivierte Fassung (4) findet sich noch im Internet.

Ludwigs Aussagen in dem jetzt aufgetauchten Video (5) decken sich mit dem von ihm in dem Tweet genannten Gesprächsinhalt. Teilweise wirkt er irritiert ob der skurrilen Fragen, antwortet aber stets in Bezug auf seine berufliche Rolle plausibel.

Für die Authentizität des Rutube-Materials spricht, dass einige Merkmale im Video auch in Ludwigs Twitter-Foto (4) erkennbar sind. Auf dem Bildschirm sieht man links oben den blauen Hintergrund mit den Stadt Wien-Logos, vor dem Ludwig sitzt. Außerdem sind die beiden Flaggen rechts neben dem Bürgermeister und das Stadt Wien-Wappen vor ihm klar ersichtlich. Im Twitter-Foto sieht man über dem Bildschirm die Computerkamera, dessen Winkel zum Videoausschnitt von Ludwig passt. Dass der falsche Klitschko Englisch redet, passt auch zum Hinweis des echten Klitschkos, für Deutsch keinen Übersetzer zu brauchen.

Darauf, dass das tatsächliche Videomaterial der Videokonferenz abseits des Zusammenschnitts manipuliert worden ist, gibt es keine Hinweise. Zwar ist dies bei der bestehenden Video- und Audioqualität sowie verzögerter Mikrofonaktivierung schwer einzuschätzen, allerdings fallen keinerlei Ungereimtheiten auf.

Die Mimik und Gestik des Bürgermeisters wirkt auch bei Seitenbewegungen authentisch. Im Mundraum sieht man bei Sprechbewegungen regelmäßig Zunge und Zähne – ein Detail, mit dem viele Deepfakes noch Probleme haben. Es fallen zudem keine grafischen oder akustischen Unregelmäßigkeiten auf. Dies trifft auch auf den glaubwürdigen Dialekt und die Stimmlage zu.

Auch aufgrund der für die Veröffentlichung gewählten Kanäle kann das Bildmaterial als authentisch angesehen werden. Das Ludwig-Video wurde am 9. August neben Rutube (1) auch auf Youtube (5) und Reddit (6) veröffentlicht. Auf all diesen Kanälen finden sich weitere Irreführungen namhafter Politiker und Prominenter. Neben dem Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski oder dem Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony wurden etwa auch die Schriftsteller Stephen King oder Joanne K. Rowling berühmte Ziele der prorussischen Komiker.

Obwohl die Videos der letzteren bereits vor mehreren Wochen (7) veröffentlicht worden sind, gab es von den Betroffenen bis jetzt keine Einwände, dass es sich um nicht authentisches Bildmaterial handeln würde. Die Personen (8, 9) haben in der Regel zugegeben, in die Irre geführt worden zu sein.

Im Jahr 2015 hatten Vovan und Lexus bereits den britischen Popstar Elton John (10) getäuscht, indem sie sich bei einem Telefonanruf als Wladimir Putin ausgegeben hatten, der angeblich über Rechte für Homosexuelle diskutieren wollte. Weitere Ziele waren der amerikanische Ex-Präsident George W. Bush, Prince Harry oder Justin Trudeau (11, 12).

Bei den ersten russischen Awards für Internetbeiträge wurde das prorussische Duo nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur TASS im Juni 2022 für seine Aktionen geehrt (13). Den Preis bekamen sie von Maria Sacharowa, der Sprecherin des russischen Außenministeriums, überreicht. Gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin oder ihr eigenes Land würde das Duo laut eigenen Angaben (14) nie eine ihrer Aktionen richten.

Ein Sprecher von Ludwig sagte am Dienstag der APA, dass es sich bei dem Video um einen „ganz klaren Zusammenschnitt“ handle. Das Gespräch habe länger gedauert als das rund zehnminütige Video. Darüber, ob die Aufzeichnung sonst manipuliert worden sei, lasse sich keine Aussage treffen. Das Material werde näher untersucht.

Quellen:

(1) Video auf Rutube: http://go.apa.at/7eyOlpFf (archiviert: https://perma.cc/2QBH-CRSX)

(2) Tweet von Paul Ronzheimer zu Klitschko-Fake: http://go.apa.at/Cdc3v9cH (archiviert: https://archive.ph/SWuUG)

(3) Videobotschaft von Klitschko: http://go.apa.at/tELIEhZq (archiviert: https://perma.cc/T2D4-FBHE)

(4) Archivierter Tweet von Bürgermeister Ludwig: http://go.apa.at/KAXOjxet

(5) Video auf Youtube: http://go.apa.at/a1b7drb1 (archiviert: http://go.apa.at/ffA6OjiN)

(6) Video auf Reddit: http://go.apa.at/s8B6fQFk (archiviert: https://perma.cc/XAU5-XGDE)

(7) Press Herald: http://go.apa.at/lNcBJThs (archiviert: https://archive.ph/pYtDI)

(8) Washington Post: http://go.apa.at/DWYvzDII (archiviert: https://archive.ph/MCiOC)

(9) Twitter Stephen King: http://go.apa.at/xY1qiPkt (archiviert: https://archive.ph/qyajk)

(10) BBC: http://go.apa.at/gbpO7Jq5 (archiviert: https://archive.ph/3iSZI)

(11) Daily Mail: http://go.apa.at/C8VUTiGc (archiviert: https://archive.ph/w6RrQ)

(12) FAZ: http://go.apa.at/oXTi5hb2 (archiviert: https://archive.ph/7aNX8)

(13) Russische Nachrichtenagentur TASS: http://go.apa.at/Xsgxtnop (archiviert: https://archive.ph/4VeF1)

(14) The Guardian: http://go.apa.at/qmK1MrGx (archiviert: https://archive.ph/F1Qc0)

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Florian Schmidt / Valerie Schmid