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blog / Mittwoch 21.05.25

APA Check Avatar Irreführende Angaben zu Finanzhilfen für Geflüchtete

APA/dpa

Migration ist in der Welt der Falsch- und Desinformation ein Dauerbrenner, wobei sich die aufgestellten Behauptungen oft ähneln und wiederholen. Regelmäßig tauchen dabei Berichte über vermeintlich ausgezahlte Geldbeträge für Asylsuchende auf. Teils fehlt dabei aber wichtiger Kontext oder Zahlen und Begrifflichkeiten werden bewusst irreführend verwendet und vermischt.

Gerade vor Wahlen wird das Thema Migration und Asyl von verschiedenen Parteien gerne für Stimmungsmache verwendet. Zuletzt sorgten Berechnungen in einem Artikel einer Tageszeitung (1) kurz vor der Wien-Wahl für Aufregung. Auch in einer TV-Sendung wurden durch die Verwendung unklarer Begriffe falsche Informationen verbreitet (2).

Einschätzung: Bei Aussagen über konkrete Geldsummen, die geflüchtete Menschen in Österreich erhalten, ist immer Vorsicht geboten. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Begrifflichkeiten – Asylsuchender, Asylberechtigter, subsidiär Schutzberechtigter – und davon abhängigen Sozialleistungen, die noch dazu in den Bundesländern unterschiedlich geregelt sind, kommt es immer wieder zu Unklarheiten, oft auch bewusst gestreuter Falschinformation. Es lohnt sich jedenfalls, genauer hinzusehen.

Überprüfung: Eine korrekte Einordnung von finanziellen Hilfen und deren Auszahlungsbeträgen bedarf einer Unterscheidung der anspruchsberechtigten Gruppen. In der Diskussion um finanzielle Hilfen von Ländern oder vom Bund sollte grundsätzlich in vier Gruppen unterschieden werden: Asylberechtigte, Asylwerbende, subsidiär Schutzberechtigte und aus der Ukraine kommende Vertriebene. Diese bekommen unterschiedliche Geldleistungen, allen voran Grundversorgung oder Sozialhilfe, die auch als Mindestsicherung bezeichnet wird.

Asylberechtigte

Asylberechtigte (3), also Personen, die das Asylverfahren durchlaufen haben und denen Asyl gewährt wurde, haben ab dem Zeitpunkt, ab dem ihnen der Schutzstatus als Flüchtling zuerkannt wird, Anspruch auf Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung (4). Für Alleinlebende und Alleinerziehende beträgt die Höhe der Sozialhilfe im Jahr 2025 maximal rund 1.209 Euro (zwölfmal jährlich). Für Paare liegt der Maximalbetrag bei rund 1.693 Euro (5).

Asylberechtigte sind damit österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Sie haben nicht nur vollen Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern auch Anspruch auf weitere Sozialleistungen wie Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld und Pflegegeld.

Asylwerbende

Ein Asylsuchender, also eine Person, die auf den rechtskräftigen Abschluss ihres Asylverfahrens wartet, hat in Österreich Anspruch auf Leistungen aus der sogenannten „Grundversorgung“ (6). Sie ist auf die Deckung der täglichen Grundbedürfnisse (Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung, Bekleidungshilfe, Schulbedarf und Information und Beratung) ausgerichtet und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich hoch bzw. auch von der Form der Unterbringung (privat oder organisiert) abhängig.

Erwachsene Asylwerbende, die in Wien in einer organisierten Unterkunft untergebracht sind, erhalten pro Monat rund 200 Euro Verpflegungsgeld, zusätzlich 40 Euro pro Monat Taschengeld und 10 Euro pro Monat Freizeitgeld (7). Pro Jahr wird zudem ein Betrag von 150 Euro für Bekleidung und für schulpflichtige Kinder 200 Euro (pro Schuljahr) für Schulbedarf ausbezahlt.

Subsidiär Schutzberechtigte

Menschen, deren Asylantrag zwar mangels Verfolgung abgewiesen wurde, die aber einen befristeten Schutz vor Abschiebung erhalten haben, werden als subsidiär Schutzberechtigte bezeichnet (8). Meist handelt es sich hier um syrische, afghanische oder russische Staatsangehörige (9). Sie haben im Gegensatz zu Asylwerbenden vollen Zugang zum Arbeitsmarkt und unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch auf die Mindestsicherung (10).

Wohnen subsidiär Schutzberechtigte privat, wird deren Grundversorgung auf die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung aufgestockt. In diesem Fall müssen sie eng mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) kooperieren oder mindestens 20 Stunden pro Woche arbeiten gehen und an Integrationsmaßnahmen wie Deutschkursen teilnehmen.

Vertriebene aus der Ukraine

Geflüchtete aus der Ukraine sind von der Vertriebenen-Verordnung vom 11. März 2022 abgedeckt (11). Sie müssen deshalb keinen Asylantrag stellen und erhalten ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht sowie einen Ausweis für Vertriebene. Finanzielle Unterstützung wird nur im Rahmen der Grundversorgung und über einen eventuellen Bezug der Familienbeihilfe (siehe Paragraf 55, Absatz 57 FLAG 1967) ausbezahlt (12).

Weitere Anspruchsberechtigte

Personen mit rechtskräftig negativem Ausgang des Asylverfahrens und Personen ohne Aufenthaltsrecht, wenn sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind, fallen in keine dieser Gruppen. Sie haben aber ebenfalls Anspruch auf die Grundversorgung (13).

Zentrale Geldleistungen und Sonderregelungen

Die Grundversorgung ist der bundesweit geregelte Mindestbetrag, der offiziell in Österreich lebende Menschen zusteht. Die Kostenhöchstsätze sind in der Grundversorgungsvereinbarung geregelt (14) und in allen Bundesländern gleich hoch. Ausbezahlt wird die Grundversorgung von Hilfsorganisationen auf Länderebene.

Auch die Sozialhilfe – die die Mindestsicherung abgelöst hat, aber oft noch so bezeichnet wird – wird auf Länderebene ausbezahlt. Ihre Höchstsätze liegen 2025 bei 1.209,01 Euro für eine alleinstehende Person sowie 1.692,61 Euro für ein Paar im gemeinsamen Haushalt.

Höchstsätze für Kinder uneinheitlich

Die Höchstsätze für Kinder unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Vier Bundesländer zahlen gleich hohe Beträge für jedes Kind aus, alle anderen staffeln. Die höchsten Sätze für bis zu fünf Kinder zahlt Vorarlberg aus, erst ab sieben Kindern ist der Pro-Kopf-Betrag in Wien am höchsten, wie eine APA-Faktencheck vorliegende Tabelle der Stadt Wien zeigt.

Die höheren Sätze für Kinder in Vorarlberg ergeben sich laut Stadt Wien aus den dortigen höheren Kosten für die Kinderbetreuung. In drei weiteren Bundesländern (Salzburg, Tirol und Wien) ist ein Überschreiten der maximalen Sozialhilfe aufgrund höherer Wohnkosten um maximal 30 Prozent möglich.

Sozialhilfe wird selten voll ausbezahlt

Tatsächlich ausbezahlt wird die Sozialhilfe in voller Höhe kaum: Im Schnitt liegt der Auszahlungsbetrag pro Kopf (inklusive Kindern) laut Daten der Statistik Austria bei 802 Euro (15). Wien lag 2023 mit 805 Euro im bundesweiten Durchschnitt. In Wien bekommt nur rund ein Siebentel der Mindestsicherungsbeziehenden den vollen Betrag ausbezahlt (16).

62 Prozent der Beziehenden in Wien sind laut jüngsten Jahresdaten keine österreichischen Staatsbürger (17). 12,5 Prozent aller Nicht-Österreicher beziehen in Wien Mindestsicherung, gesamt lag dieser Wert in Wien bei sieben Prozent (18). Fast die Hälfte der Asylberechtigten in der Mindestsicherung sind Minderjährige. Subsidiär Schutzberechtigte machen nur einen kleinen Teil der Mindestsicherungsbeziehenden in Wien aus (19).

Kritik an uneinheitlichen Regelungen

Die uneinheitliche Handhabe auf Länderebene, sowie Ausnahmeregelungen und Spezialfälle sowohl in der Einordnung der Beziehenden als auch bei den Geldleistungen macht die Unterscheidung besonders schwierig. Das erleichtert die Instrumentalisierung dieses emotional geladenen Themas zusätzlich und führt immer wieder zu bewusst oder unbewusst gestreuter Falschinformation.

„Die zehn unterschiedlichen Grundversorgungssysteme in Österreich ergeben mittlerweile ein lebensfremdes, kafkaeskes Wirrwarr“, kritisierte Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich gegenüber APA-Faktencheck. Kaum ein Bereich stehe so stark im Fokus öffentlicher Debatten und sei gleichzeitig so „intransparent und undurchschaubar“ für Betroffene und Behörden gleichermaßen wie die Grundversorgung von Schutzsuchenden.

Der Reformbedarf sei dringend, forderte Gahleitner-Gertz eine Vereinheitlichung und mehr Transparenz im Grundversorgungssystem. Sowohl bei Grundversorgung als auch Sozialhilfe gibt es aktuell tatsächlich Bestrebungen, die Regelungen auf dem gesamten Bundesgebiet zu vereinheitlichen. Diese sind auch im aktuellen Regierungsprogramm festgehalten (20).

Quellen:

(1) Artikel mit Berechnungen: https://go.apa.at/hp6WEf5C (archiviert: https://perma.cc/D8WC-FU4Z)

(2) Video bei Facebook: https://go.apa.at/Px0mICCl (archiviert: https://go.apa.at/nyvAUt6j) (Video archiviert: https://go.apa.at/R3rwBfTM)

(3) Definition Asylberechtigte: https://go.apa.at/ZRi9ORwR (archiviert: https://perma.cc/42TK-QKT4)

(4) Ausländische Staatsbürger: https://go.apa.at/eAe0al7O (archiviert: https://perma.cc/EQ5G-34YE)

(5) Allgemeines zur Sozialhilfe: https://go.apa.at/AFBznqJG (archiviert: https://perma.cc/NX2G-5D4P)

(6) Allgemeines zur Grundversorgung: https://go.apa.at/oAqIBitQ (archiviert: https://perma.cc/784F-A6QM)

(7) Tabelle der Asylkoordination: https://go.apa.at/XZmmkCzS (archiviert: https://perma.cc/G3KK-G9BZ)

(8) Definition „Subsidiär Schutzberechtigte“: https://go.apa.at/hhtKFaj0 (archiviert: https://perma.cc/LJ88-MA5U)

(9) Aktuelle Zahlen des ÖIF: https://go.apa.at/SfrSDECB (archiviert: https://perma.cc/8FHT-Y3XM)

(10) Infos für Geflüchtete: https://go.apa.at/O6GobpUU (archiviert: https://perma.cc/P66T-875U)

(11) Vertriebenen-Verordnung: https://go.apa.at/AZ3VscZk (archiviert: https://go.apa.at/YrltnOmO)

(12) FLAG 1967 in der aktuellen Fassung: https://go.apa.at/py6tDsc4 (archiviert: https://go.apa.at/Ak4nvrZb)

(13) Anspruchsberechtigte Grundversorgung: https://go.apa.at/C6S4W95S (archiviert: https://perma.cc/C8A7-EEA7)

(14) Grundversorgungsvereinbarung: https://go.apa.at/Bbfa6iE6 (archiviert: https://perma.cc/UXD2-GKDX)

(15) Downloadlink zur Tabelle: https://go.apa.at/k7W47SO0 (archiviert: https://go.apa.at/Smw76lBk)

(16) WMS-Beziehende nach Leistungsart: https://go.apa.at/hL9AJYUP (archiviert: https://go.apa.at/KXt4xuCe)

(17) Nichtösterreicher in der WMS: https://go.apa.at/twP7J2tt (archiviert: https://go.apa.at/to7zIcuE)

(18) Alle Wiener Beziehenden: https://go.apa.at/6EgNpDJ9 (archiviert: https://go.apa.at/1a5jfg6T)

(19) WMS-Beziehende nach Anspruchskreis: https://go.apa.at/nGOV9eWy (archiviert: https://go.apa.at/3wBCoifi)

(20) Regierungsprogramm 2025-2029: https://go.apa.at/563tN9Xk (archiviert: https://perma.cc/2M8B-HHVH)

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Christina Schwaha / Stefan Rathmanner