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blog / Montag 24.02.25

APA Check Avatar Immer dreistere Methoden bei Cyber-Trading-Betrug

APA/dpa

Fake-Newsartikel, die das große Geld versprechen, sind nicht neu. Meist plaudern dort Prominente aus, wie sie in kurzer Zeit ein Vermögen angehäuft haben. Das könne, so die Essenz, jeder und jede in Österreich ebenso, wenn sie nur die beworbene Tradingplattform nutzen und dort mindestens 250 Euro einzahlen. Mit einer neuen Masche wird nun einen Schritt weiter gegangen: Offizielle Stellen versprechen demnach, dass diese Investitionen risikolos und abgesichert seien (1,2,3).

Einschätzung: Sowohl die Werbung per angeblichem Nachrichten-Video bei Facebook als auch die verlinkte Webseite sind gefälscht. Sie dienen einzig dem Versuch, unbedarften Internetnutzern Geld abzunehmen.

Überprüfung: In der Optik des bekannten orf.at-Nachrichtenportals soll ein jüngst publizierter Artikel für Aufsehen sorgen. Darin wird von einer Investitions-Plattform namens „Token Tact“ berichtet, die jedem Internetnutzer offen steht. Mithilfe dieser Plattform soll Online-Trading ganz einfach sein. Als Startkapital braucht es demnach lediglich 250 Euro.

Diese Eckdaten sind von bisherigen Betrugsversuchen mit ähnlicher Masche bekannt (21). Was den vorliegenden Fall speziell macht, sind die vermeintlich abgegebenen offiziellen Garantien. So soll die Plattform eine staatliche Lizenz erhalten haben und alle Einlagen durch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) abgesichert sein. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) wache zudem darüber, dass alle Vorschriften eingehalten würden. Die Nutzung der Plattform sei also risikolos möglich.

Offizielle Stellen warnen

Mit diesen vollmundigen Versprechen konfrontiert, reagierten sowohl OeNB als auch FMA auf APA-Anfrage ähnlich: Die Behauptungen und Versprechungen seien unwahr. Die OeNB betonte, sie sei nicht im Privatkundengeschäft tätig und gebe auch niemals Investitionsempfehlungen ab.

Die FMA kündigte an, eine Warnmeldung herauszugeben und auch Strafanzeige zu erstatten. Gleichzeitig verwies sie auf ihre Informationsseiten dazu (4,5). Zudem sollten Verbraucher immer prüfen, ob Anbieter eine Konzession haben und die Unternehmensdatenbank durchsuchen (6).

Dass solche Betrugsversuche häufig und erfolgreich sind, belegen auch aktuelle Daten des Bundeskriminalamtes (BK). Cyber-Trading-Fraud (CTF) verursachte im Jahr 2024 einen Gesamtschaden von mindestens 111,7 Millionen Euro, um mehr als 30 Millionen mehr als im Jahr davor, hieß es gegenüber APA-Faktencheck. Auch die Fallzahlen stiegen deutlich an, CTF mache demnach bereits ein Drittel aller Betrugsdelikte in Österreich aus.

Mit einer im Juli 2023 eigens dafür eingerichteten Fachgruppe bekämpft das BK die „international agierende und sehr gut organisierte Callcenter-Kriminalität“. Diese Callcenter seien überwiegend in Osteuropa angesiedelt. Um diese ausheben zu können, brauche es enge internationale Zusammenarbeit.

Zahlreiche Ungereimtheiten auf der Webseite

Prüfende Blicke auf die Webseite offenbaren abgesehen vom Inhalt genug andere Indizien, die auf eine Fälschung mit Betrugsabsicht deuten. So fehlt neben Bildcredits auch ein für Medien verpflichtend anzugebendes Impressum (7). Alle Links auf der Webseite führen zu einer Eingabemaske, die Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer abfragt. Die am Ende der Webseite abgebildeten Nachrichten stammen alle vom 26. Juli 2023 (8,9,10).

orf.at verfügt weiters über keine Kommentarfunktion unter Nachrichtenartikeln. Und auch die angeblich bereits registrierten Nutzer sind allesamt erfunden. Alleine die ersten drei Nutzerfotos sind entweder KI-generiert (erkennbar etwa an den unterschiedlichen Reflexionen des Lichts in den Augen [11]), nicht aus Österreich (12) oder frei nutzbare Stock-Fotos (13). Auch weitere Nutzerfotos sind KI-generiert, über dem Foto einer angeblichen Nutzerin liegt zudem ein Wasserzeichen (14).

Fake-TV-Beitrag als Lockmittel

Auf die Webseite gelangt man mittels einer über soziale Netzwerke ausgespielten Werbung, die vorgibt, ein Beitrag in der ORF-Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ zu sein (15). Solche Anzeigen sind zwar als solche gekennzeichnet, werden aber trotzdem über offenbar eigens dafür kreierte Profile ausgespielt. Das soll suggerieren, dass die Inhalte von Privatpersonen geteilt wurden. Direkt aufrufen oder archivieren lassen sich diese Anzeigen nicht. Auch im Verzeichnis der bei Meta geschalteten Anzeigen tauchen keine entsprechenden Anzeigen auf (16).

In dem Video spricht zuerst ZiB-Moderatorin Nadja Bernhard über eine Episode des einflussreichen Podcasts von Joe Rogan, ehe Tech-Milliardär Elon Musk dort über seinen Streit mit OeNB-Gouverneur Robert Holzmann berichtet, der danach noch selbst zu Wort kommt. Alle drei Stimmen sind mittels KI manipuliert worden, die Aussagen fielen so niemals.

Musk war tatsächlich bei Rogan zu Gast. Der Ausschnitt mit ihm stammt aus der Episode vom 4. November 2024, die auch bei Youtube abrufbar ist (17,18). In der mehr als zweieinhalb Stunden langen Folge spricht Musk nie über den behaupteten Zwist mit Holzmann. Ein Video dieser Länge ist allerdings ideal, um damit eine KI zu trainieren (19). Tatsächlich passen Musks Lippenbewegungen meist zum (nie) Gesagten. Auch deshalb veröffentlichte die OeNB unmittelbar nach der Anfrage von APA-Faktencheck eine entsprechende Warnung vor dem Video (20).

Alter Hut mit neuem Muster

Im Zuge einer Recherche fand APA-Faktencheck innerhalb weniger Minuten drei Links, über die der angebliche orf.at-Artikel abrufbar war – zumindest für einen gewissen Personenkreis mit Endgeräten mit eindeutig in Österreich zu verortender IP-Adresse. Bei einem der Links (2) reichte es, den Zusatz hinter der Domain zu ändern, um auf einem anderen Fake-Artikel zu landen, in dem Karl Nehammer im Rahmen der ORF-Sendung „Willkommen Österreich“ für dasselbe Produkt Werbung gemacht haben will (21). Diese Art der Fake-Werbungen ist schon länger bekannt, vor ihr wird seit Jahren gewarnt (22).

Quellen:
(1) Fake-Artikel Link 1: https://go.apa.at/kokMX01h (archiviert: https://perma.cc/X97X-HGXC)
(2) Link 2: https://go.apa.at/6bq4UtRI (archiviert: https://perma.cc/7V9U-MHHJ)
(3) Link 3: https://go.apa.at/ixpP3aKv (archiviert: https://perma.cc/2R62-HQ89)
(4) FMA – „Reden wir über Geld“: https://go.apa.at/GeVeTvJ1 (archiviert: https://archive.ph/H3IMW)
(5) FMA – „Finanzbetrüger erkennen“: https://go.apa.at/FfM272QB (archiviert: https://archive.ph/Hqva8)
(6) Unternehmensdatenbank-Suche: https://go.apa.at/DF8WLI1A (archiviert: https://archive.ph/dshsh)
(7) Impressumspflicht für Medien: https://go.apa.at/69o7TLCJ (archiviert: https://perma.cc/66EL-4TX7)
(8) Artikel über Strache: https://go.apa.at/Y4H6gBxP (archiviert: https://perma.cc/6SL5-BD4H)
(9) Artikel über Waldbrände: https://go.apa.at/w3H5OSva (archiviert: https://perma.cc/FZ48-KXRQ)
(10) Artikel über Speiseeis: https://go.apa.at/dj4asVrE (archiviert: https://perma.cc/EKV7-XLG5)
(11) KI-Bilder erkennen: https://go.apa.at/Ot4yo8c1 (archiviert: https://perma.cc/MKY2-EMUE)
(12) Suchergebnis bei Tineye: https://go.apa.at/HY4Mo7zd (archiviert: https://perma.cc/Q5MJ-KHHP)
(13) Datenbank-Treffer bei Freepik: https://go.apa.at/Ta92bTm8 (archiviert: https://archive.ph/oYJYf)
(14) Foto mit Wasserzeichen: https://go.apa.at/g8NaDDGB (archiviert: https://perma.cc/BY6F-BK26)
(15) Facebook-Werbevideo mit KI-Fakes: https://go.apa.at/H83PWxj4 (archiviert: https://go.apa.at/oFljDakj) (Video archiviert: https://go.apa.at/VS1HJNvd)
(16) Meta-Werbebibliothek-Suche: https://go.apa.at/0q5JkK5H (archiviert: https://go.apa.at/Xf5i5rpx)
(17) Rogans Podcast #2223: https://go.apa.at/UEMmbXcj (archiviert: https://perma.cc/NQX4-UZAE)
(18) Video zum Podcast bei Youtube: https://go.apa.at/C3hXMR8W (archiviert: https://go.apa.at/7aibfmQh)
(19) Infos zu KI-Stimmtraining: https://go.apa.at/Y6u0Hiss (archiviert: https://archive.ph/mUPR6)
(20) OeNB-Warnung vor Video mit Holzmann: https://go.apa.at/y6hDn5Nj (archiviert: https://perma.cc/YKR5-9ZE9)
(21) Fake-Artikel mit Nehammer: https://go.apa.at/PTWUt7kE (archiviert: https://perma.cc/4MH6-N37S)
(22) FMA-Warnung vor Finanzbetrug: https://go.apa.at/5iV5Xurj (archiviert: https://archive.ph/7zDL3)

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Stefan Rathmanner / Christina Schwaha