Der EU-Kommission wird oft vorgeworfen, das Leben der Bürger zu weit einschränken zu wollen. Aktuell kursiert die Behauptung, die EU wolle ein Rauchverbot im Freien durchsetzen. An einer Facebook-Umfrage (1) mit der Fragestellung „Die EU möchte ein generelles Rauchverbot im freien [sic] beschließen! Was denkt ihr darüber?“ nahmen 740 Personen teil. Auch mehrere Online-Medien zogen ihre Artikel zum Thema mit plakativen Formulierungen auf (2,3). Dieses Framing ist irreführend.
Einschätzung
Die Behauptung, die EU-Kommission wolle ein Rauchverbot im Freien durchsetzen, ist durch die offiziellen Informationen aus Brüssel nicht gedeckt. Die EU-Kommission hat kein Verbot geplant, sondern eine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (3) veröffentlicht. Deren Umsetzung obliegt den EU-Ländern. Zudem ist die Gestaltung der Gesundheitspolitik nationalstaatliche Kompetenz (4). Ein Großteil der Vorschläge ist in Österreich bereits umgesetzt.
Überprüfung
Die EU-Gesundheitsministerinnen und -minister haben sich am 30. November 2009 auf eine Empfehlung für rauchfreie Umgebungen (5) geeinigt. Diese zielt darauf ab, Menschen vor Tabakrauch in der Umgebungsluft zu schützen, da dieser von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als krebserregend eingeschätzt wird. Es gebe „kein unbedenkliches Niveau der Belastung durch Tabakrauch“, heißt es in der Empfehlung. Deshalb sollten EU-Mitgliedsstaaten einen wirksamen Schutz vor Tabakrauch in geschlossenen Räumen unter anderem an Arbeitsstätten, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Einrichtungen gewährleisten und Maßnahmen zur Verringerung der Belastung von Kindern und Jugendlichen durch Passivrauchen ausarbeiten oder verstärken.
In den letzten fünfzehn Jahren ist der Konsum von neuartigen Tabak- und Nikotinerzeugnissen immer populärer geworden. Erhitzte Tabakprodukte oder Erzeugnisse auf Nikotinbasis, also Dampfprodukte wie elektronische Zigaretten und Nikotinbeutel, sind laut dem zuständigen EU-Parlamentsausschuss die drei Haupttypen (6).
Ausdehnung der Empfehlung auf Außenbereiche
Mit ihrem Vorschlag zur Überarbeitung der Empfehlungen des Rates von 2009 (7) vom 17. September 2024 will die EU-Kommission diesen Entwicklungen Rechnung tragen und den Schutz vor der Belastung durch Passivrauchen und Aerosole verbessern. Die EU-Behörde empfiehlt den EU-Mitgliedstaaten, Nichtraucherzonen auf bestimmte Außenbereiche auszudehnen, wie zum Beispiel Spielplätze, Schwimmbäder, Spitäler, öffentliche Gebäude oder Bahnhöfe, und neuartige Tabak- und Nikotinerzeugnisse einzubeziehen (8). Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Umgebungsluft auch durch Emissionen aus diesen Produkten belastet (9). Der EU-Kommission zufolge können diese bei Umstehenden zu erheblichen Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Problemen führen (10).
Obwohl eine Empfehlung für die EU-Staaten nicht bindend ist, schlug das Thema in Österreich nach Berichte in der „Kronen Zeitung“ (11) große Wellen. Christian Wigand, Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Österreich stellte daraufhin am 8. Oktober 2024 via Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) klar: „Es gibt kein EU-Rauchverbot. Darüber entscheidet jeder Mitgliedstaat selbst. Die @EU_Commission hat eine Empfehlung ausgegeben. Diese muss a) noch von den Mitgliedstaaten angenommen werden & räumt ihnen b) einen breiten Spielraum ein, um auf länderspezifische Gegebenheiten einzugehen.“ Im Fokus der Empfehlung stünde der Schutz von Kindern, so Wigand. „Derzeit müssen Kinder auch im Freien noch viel zu oft Zigarettenrauch einatmen, etwa auf Spielplätzen. Passiv-Rauchen erhöht das Krebsrisiko für Nichtraucher um bis zu 16 %.“ (12)
Großteil in Österreich schon umgesetzt
Ein Großteil der Empfehlungen ist in Österreich bereits umgesetzt, wie Medien am 8. Oktober 2024 berichteten (13). Auf Freiflächen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen gelte seit 2018 ein striktes Rauchverbot, seit 2019 gebe es Einschränkungen für überdachte Gastgärten, gewerbliche Verkehrsmittel wie Taxis und Reisebusse sowie private PKW. Werbung und Sponsoring für Tabak und verwandte Erzeugnisse seien verboten. Nachzulesen ist dies in der Rechtsvorschrift für Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz (14).
Österreich spricht sich derzeit nicht für ein generelles Rauchverbot im Freien aus. Aus Sicht des Gesundheitsministeriums sei die Regulierung von Nikotinbeutel und ähnlichen neuen Tabak- und Nikotinprodukten der nächste wichtige Schritt, da diese vor allem bei Jugendlichen weit verbreitet seien und denselben Regeln wie Zigaretten unterliegen sollten. Das Gesundheitsministerium hat den Entwurf einer Novelle des Nichtraucherschutzgesetzes vor über zwei Jahren vorgelegt (13,15).
Quellen
(1) Facebook-Umfrage: https://go.apa.at/1QigVxR7 (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/Ayaml)
(2) „Der Status“: https://go.apa.at/88zp6Cww (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/aJy8d)
(3) „Unzensuriert“: https://go.apa.at/dUXukZZQ (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/tHCF5)
(4) Österreichische Gesellschaft für Europapolitik: https://go.apa.at/dX8M2QrN (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/SPhd7)
(5) Empfehlung des Rates vom 30. November 2009 über rauchfreie Umgebungen: https://go.apa.at/UNCPR0CT (archiviert: https://perma.cc/B4HR-AC86)
(6) Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) des EU-Parlaments zu neuartigen Tabak- und Nikotinprodukten (Februar 2023): https://go.apa.at/NvVqx5dO (archiviert: https://perma.cc/A3M5-RNU6)
(7) Empfehlung des Rates vom 30. November 2009 über rauchfreie Umgebungen: https://go.apa.at/UNCPR0CT (archiviert: https://perma.cc/B4HR-AC86)
(8) Pressemitteilung der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland: https://go.apa.at/09AzNyLC (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/m40uJ)
(9) FAQs der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Thema E-Zigaretten: https://go.apa.at/j4pPa0yL (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/g9Esw)
(10) Presseaussendung der EU-Kommission vom 17. September 2024: https://go.apa.at/PEHYWSzj (archiviert: https://archive.ph/YMVLm)
(11) „Kronen Zeitung“ am 30.9.2024: https://go.apa.at/Ite8ctcI (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/9ekXS)
„Kronen Zeitung“ am 8.10.2024: https://go.apa.at/ZylsffFf (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/Wymst)
(12) Christian Wigand auf X: https://go.apa.at/n98BDscE (archiviert: https://ghostarchive.org/archive/0Guuo)
(13) Artikel in der Presse: https://go.apa.at/VOckYDNf (archiviert: https://perma.cc/4BVJ-CSLN)
(14) Rechtsvorschrift für Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz, Fassung vom 29.10.2024: https://go.apa.at/1XMdnU23 (archiviert: https://archive.ph/uOmuE)
Wenn Sie zum Faktencheck-Team Kontakt aufnehmen oder Faktenchecks zu relevanten Themen anregen möchten, schreiben Sie bitte an faktencheck@apa.at. Die Texte vieler deutschsprachiger Faktencheck-Teams finden Sie auf der Seite des German-Austrian Digital Media Observatory (GADMO) unter: www.gadmo.eu
Gisela Linschinger / Florian Schmidt / Jules Walker