„Die EU“ ist in manchen Kreisen ein klassisches Feindbild. Um Gesetze, die in Brüssel beschlossen werden, entstehen oft besonders heiße Diskussionen – nicht selten werden dabei falsche Behauptungen aufgestellt. So verbreitete sich kürzlich via Blogs, Soziale Medien und einem Bericht einer Tageszeitung, dass die EU bis 2030 ein Verbot von Baumwolle plane (1,2,3). Es gibt allerdings weder bestehende Rechtsvorschriften, die Baumwolle verbieten noch Pläne, das in Zukunft zu tun.
Einschätzung:
Die aktuelle Gesetzeslage in der EU sieht kein Verbot von Baumwolle vor. Es gibt auch für die Zukunft keine derartigen Pläne, betonte eine Sprecherin der EU-Kommission auf APA-Anfrage.
Überprüfung:
Der Trend im Textilsektor gehe zwar in Richtung Kreislaufwirtschaft (4), die den effizienten Umgang mit Rohstoffen und Abfallminimierung durch Recycling zum Ziel hat. Ein EU-weites Baumwollverbot sei jedoch nicht in Sicht, die Zukunft der Baumwolle hänge nicht am seidenen Faden, stellte die österreichische Vertretung der EU-Kommission in einer Stellungnahme nach der Verbreitung der Falschbehauptung klar (5).
In dem Artikel einer reichweitenstarken Plattform (1), die das Thema zuerst aufgriff, werden zwei Direktiven als Grundlage für das angeblich geplante Baumwollverbot in der EU genannt: Die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen („Corporate Sustainability Due Diligence Directive“/CSDD) und die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen („Corporate Sustainability Reporting Directive“/CSRD) (6,7). Allerdings ist in keiner der beiden von einem geplanten Baumwollverbot zu lesen.
Die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht verpflichtet Unternehmen, bei ihren Aktivitäten Menschenrechts- und Umweltstandards einzuhalten und mögliche Verstöße zu verhindern bzw. zu mindern und einzustellen. Sie enthält aber weder Verbote bestimmter Produktkategorien noch spezifische Anforderungen an das Recycling oder die Kreislaufwirtschaft, betonte die EU-Kommission. Bei der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung geht es vor allem darum, dass große Unternehmen Auskunft über die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Mensch und Umwelt offenlegen müssen.
Sowohl der Bericht einer Tageszeitung, der Blog-Artikel als auch Postings in Sozialen Medien berufen sich auf einen Beitrag auf der Website „Fashion United“ (8). Darin wird allerdings lediglich über ein mögliches Verbot der nur schwer recycelbaren Baumwolle spekuliert, weshalb auch die Überschrift „Baumwollverbot in Europa bis 2030?“ mit einem Fragezeichen versehen ist. Die Zukunft von Baumwolle erscheine ungewiss, weil Baumwolle die EU-Vorgaben für 2030 – 50 Prozent der Textilien müssen recycelbar und 25 Prozent „vollständig kreislauffähig“ sein – nicht erfülle, heißt es in dem Bericht der Fashion-Website, hinter der der niederländische Kleiderhersteller „Fashion Power“ steht (9).
Diese Vorgaben würden aber gar nicht existieren, betonte eine Kommissionssprecherin auf APA-Anfrage. Sie verwies auf die seit 1. Jänner 2025 geltende Abfallrichtlinie (10), die die getrennte Sammlung von Textilabfällen vorschreibt. Zwar strebe die Kommission eine Überarbeitung der Richtlinie an, die die Textilhersteller noch mehr in die Verantwortung nehme. Der Kommissionsvorschlag enthalte jedoch „keine Ziele für die Sammlung, Wiederverwertung oder das Recycling“, erklärte sie. Auch die im EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (11) festgelegten Ziele (etwa die Verwendung von Kreislaufmaterialien bis 2030 zu verdoppeln) seien keine rechtlich verbindenden Vorgaben, sondern nur Richtwerte.
Die Plattform „Fashion United“ reagierte mittlerweile selbst in einem Kommentar (12) auf die Falschbehauptungen, die nach Veröffentlichung ihres Artikels entstanden waren. Das kolportierte Baumwollverbot in der EU sei „weder durchführbar noch ratsam“, heißt es darin nun. Die im ursprünglichen Artikel angeführten vermeintlichen EU-Vorgaben bis 2030, die Grundlage der Spekulationen und späteren Desinformation waren, werden so nicht mehr erwähnt. Es wird lediglich auf die Ökodesignverordnung der EU (13) hingewiesen, gleichzeitig aber betont, dass es noch keine konkreten Angaben zum künftigen Recyclinganteil von Textilien gebe.
Das Portal „Report24“, das zuerst über ein angeblich geplantes Baumwollverbot berichtet hatte, reagierte auf eine Anfrage von APA-Faktencheck und die Frage, warum der betreffende Artikel trotz Richtigstellung der EU-Kommission nicht adaptiert wurde, nicht.
Quellen:
(1) Bericht auf „Report24“: https://go.apa.at/kzBjvpPC (archiviert: https://go.apa.at/a6ZzXWYF)
(2) Behauptung auf Facebook: https://go.apa.at/6bOyfBHA (archiviert: https://go.apa.at/1QC2CCU2)
(3) Bericht „Heute“: https://go.apa.at/Qc85DnB7 (archiviert: https://go.apa.at/USSl3MXv)
(4) Informationen zur Kreislaufwirtschaft: https://go.apa.at/mtE1x0ND (archiviert: https://go.apa.at/kJm17k4A)
(5) Stellungnahme der Vertretung der EU-Kommission in Österreich: https://go.apa.at/Cil5h6ZH (archiviert: https://go.apa.at/U679Dn9A)
(6) Richtlinie über Sorgfaltspflichten von Unternehmen/CSDD: https://go.apa.at/hqfsFtZb (archiviert: https://go.apa.at/EdL0vSnq)
(7) Richtlinie über Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen/CSRD: https://go.apa.at/nIddYsV7 (archiviert: https://go.apa.at/fcucqNRi)
(8) Artikel auf „Fashion United“: https://go.apa.at/sDkn2ERY (archiviert: https://go.apa.at/2RViYKC0)
(9) Informationen zu „Fashion Power“: https://go.apa.at/WMnHEdNG (archiviert: https://go.apa.at/faj67enK)
(10) Abfallrichtlinie: https://go.apa.at/HX8EDVIs (archiviert: https://go.apa.at/YGu4GCMd)
(11) Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft: https://go.apa.at/oNtFPQKg (archiviert: https://go.apa.at/cN2dvVMM)
(12) Kommentar auf „Fashion United“: https://go.apa.at/gY9zeq8j (archiviert: https://go.apa.at/LxnmrWyA)
(13) Ökodesign-Verordnung: https://go.apa.at/zXOrpxvd (archiviert: https://go.apa.at/9Qel9b0c)
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Christina Schwaha / Florian Schmidt / Stefan Rathmanner