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blog / Mittwoch 19.11.25

APA Check Avatar Kriegsführung in Ukraine findet auch digital statt

APA/AFP/Symbolbild

Während Russland zuletzt seine Angriffe auf die Ukraine wieder verstärkt hat und Experten vor einer neuen Eskalation in dem Krieg warnen, nimmt auch die Propaganda um die Erfolge von beiden Seiten zu. Aktuell kursiert in sozialen Medien in mehreren Ländern ein Bild (1), das die Kapitulation der Ukraine in Kupjansk belegen soll. Viral gingen außerdem zahlreiche KI-generierte, emotionale Videos ukrainischer Soldaten.

Einschätzung:
Das verwendete Foto zeigt keine aktuelle Entwicklung des Kriegs, sondern stammt aus dem Jahr 2022. Es wurde im Gebiet um die Hafenstadt Mariupol aufgenommen, die zu dieser Zeit monatelang belagert wurde. Die Videos vermeintlicher ukrainischer Soldaten wurden mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) generiert.

Überprüfung:
Eine Bilder-Rückwärtssuche (2) bestätigt, dass das Bild der Soldaten, die offenbar ihre Waffen niederlegen, nicht aktuell ist, sondern bereits 2022 veröffentlicht wurde. Am 15. April 2022 berichtete „t-online“ (3) über die Kapitulation ukrainischer Soldaten in Mariupol. Verwendet wurde dabei dasselbe Bild, das gerade im Netz kursiert.

Die Suchergebnisse offenbaren zudem, dass es sich bei dem Bild um eine Standaufnahme aus einem Video handelt. Mehrere Medien, beispielsweise die Nachrichtenagentur Reuters (Minute 0:24) und der Sender „France24“ (Minute 0:05) verwendeten den Clip im April 2022 im Zuge der Berichterstattung über die Kämpfe in Mariupol (4,5). Es handelt sich demnach um ein Video des russischen Staatsfernsehens. Russland hatte am 20. Mai 2022 nach einigen langwierigen Kämpfen vermeldet, die Kontrolle über Mariupol erlangt zu haben und erklärte, dass sich die letzten ukrainischen Soldaten ergeben hätten (6).

Virale KI-Videos von weinenden Soldaten
Viral sind derzeit auch zahlreiche Videos von vermeintlich weinenden ukrainischen Soldaten, die in emotionalen Statements um Hilfe bitten (7). Einige TikTok-Accounts verbreiteten gleich mehrere solcher Postings (8,9), die teilweise bis zu drei Millionen Userinnen und User erreichten. Sie sind jedoch allesamt mit Hilfe von KI erstellt worden. Einige Videos sind mit einem Wasserzeichen von Sora gekennzeichnet, welches auf deren Erstellung mittels einer App des US-amerikanischen Unternehmens Open AI hindeutet.

In einem der Videos (7) finden sich Hinweise für eine Manipulation im Schutzhelm des Soldaten, als etwa die runde Schraube auf seinem Helm binnen weniger Sekunden im Video die Form wechselt. Auch das angegebene Alter des Mannes – 23 Jahre – wirft zumindest Fragen auf, denn in der Ukraine werden erst Männer ab 25 Jahren in die Armee einberufen (10). Eine Gesichtserkennungssuche legt zudem nahe, dass auf dem Video und hinter dem TikTok-Account der russische Streamer Wladimir Jurjewitsch Ivanov aus St. Petersburg steht, der unter dem Pseudonym Kussia88 bekannt ist, wie ein Faktencheck der „Deutschen Welle“ zeigt (11).

Gerüchte um „Schlacht von Kiew“

Eine weitere Behauptung, die aktuell in sozialen Medien kursiert, dreht sich um die „Schlacht um Kiew“ zu Beginn des Ukraine-Kriegs im Jahr 2022. Die „Schlacht“ habe demnach nie stattgefunden. Der Beweis dafür sei, dass der russische Präsident Wladimir Putin bekanntgab, dass sich die russischen Truppen auf Grundlage eines in der Türkei vereinbarten Friedensabkommens zurückgezogen hätten, heißt es in einem X-Post (12), der auch auf Englisch große Verbreitung findet (13).

Doch das ist falsch: der Auftakt des Ukraine-Kriegs begann tatsächlich mit einem Überfall der ukrainischen Hauptstadt Kiew und dauerte laut dem US-amerikanischen Modern War Institute (MWI) bis zum 2. April 2022 (14). Der Rückzug russischer Truppen aus dem Gebiet war demnach mit 6. April abgeschlossen. Obwohl kurz zuvor Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul stattfanden, gab es zu diesem Zeitpunkt – und auch bis heute – kein Friedensabkommen. Der Kreml vermeldete nach den Gesprächen, dass es „keinen Durchbruch“ gegeben habe und „nichts Vielversprechendes“ zu vermelden sei (15).

Es sind nur einige wenige Beispiele, die zeigen, wie aufgeheizt die Stimmung bezüglich des Kriegs ist und wie stetig Desinformation medial zu Propaganda-Zwecken eingesetzt wird. Bereits seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 häuften sich Falschmeldungen in sozialen Medien über die Entwicklungen der Kämpfe. Das beobachtet auch das APA-Faktencheck-Team, das im Laufe der vergangenen drei Jahre zahlreiche Faktenchecks zum Thema Ukraine-Krieg veröffentlicht hat (16). Eine Übersicht über die europaweite Entwicklung der Desinformation in diesem Feld liefert das European Digital Media Observatory (EDMO) (17).

Situation spitzt sich aktuell weiter zu
Aktuell spitzt sich die Situation in der Ukraine erneut zu. Die wichtige Stadt Pokrowsk ist bereits gefallen, wie der österreichische Militärexperte Markus Reisner gegenüber APA-Faktencheck erklärte. Nur ein massiver Gegenangriff könne die Stadt wieder befreien, dazu fehlten der Ukraine aber die Ressourcen. Auch die Stadt Kupjansk, die in dem Facebook-Posting angesprochen wird, bleibt im Visier Russlands. Laut Reisner versucht die russische Armee durch einen gleichzeitigen Stoß aus dem Norden sowie dem Süden die Region einzunehmen, die ukrainische Zivilbevölkerung wurde bereits evakuiert (18). Russland hatte zuletzt auch die Einnahme von drei weiteren Orten im Osten der Ukraine angekündigt.

Quellen:
(1) Facebook-Post: https://go.apa.at/SzreJfgG (archiviert: https://go.apa.at/WCOAB2jm)
(2) Infos zur Bilder-Rückwärtssuche: https://go.apa.at/5RruuXgl (archiviert: https://go.apa.at/CGvXEoYv)
(3) Artikel t-online: https://go.apa.at/x04cqOvw (archiviert: https://go.apa.at/EOQmrm1a)
(4) Reuters-Video: https://go.apa.at/pbyggHXI
(5) „France24“-Video: https://go.apa.at/V75CWPXc (Video archiviert: https://go.apa.at/7D2r5mn9)
(6) Artikel „Die Presse“: https://go.apa.at/GXkVU6f3 (archiviert: https://go.apa.at/AvObKe7l)
(7) Facebook-Post mit KI-Video: https://go.apa.at/y2NA6d94 (archiviert: https://go.apa.at/MMfq7her)
(8) TikTok-Account mit KI-Videos ukrainischer Soldaten 1: https://go.apa.at/QFOHxtYi (archiviert: https://go.apa.at/aXUsB43Z)
(9) TikTok-Account mit KI-Videos ukrainischer Soldaten 2 (inzwischen gelöscht), (archiviert: https://go.apa.at/w57xPnRU)
(10) Artikel „orf.at“ zu Mobilisierung von Soldaten in der Ukraine: https://go.apa.at/PCCZOb71 (archiviert: https://go.apa.at/cl1J95FC)
(11) Faktencheck „Deutsche Welle“: https://go.apa.at/oDCGGZ9y (archiviert: https://go.apa.at/eXRNaOMB)
(12) X-Post: https://go.apa.at/BBJEzrlr (archiviert: https://go.apa.at/8tZLOeEr)
(13) X-Post auf Englisch: https://go.apa.at/XvLfeKts (archiviert: https://go.apa.at/uK1aGX20)
(14) Modern War Institute zur Schlacht in Kiew: https://go.apa.at/bjZeCiRn (archiviert: https://go.apa.at/TlAKbEbE)
(15) Artikel „orf.at“ zu Verhandlungen in Istanbul: https://go.apa.at/JiioY4l7 (archiviert: https://go.apa.at/87bXFKEJ)
(16) Liste aller APA-Faktenchecks: https://go.apa.at/vlU6PvXK (archiviert: https://go.apa.at/6ybsc9hJ)
(17) EDMO zum Ukraine-Krieg: https://go.apa.at/1OZfYNIo (archiviert: https://go.apa.at/vLEIrg96)
(18) Video Österreichisches Bundesheer zur aktuellen Lage im Ukraine-Krieg: https://go.apa.at/MhF2gGjr (archiviert: https://go.apa.at/L0hccRnw)

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Christina Schwaha / Marietta Dümont