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APA-Value / Montag 03.03.25
Foto: APA/Schlager Florian Schmidt, APA-Verification-Officer und Leiter des APA-Faktencheck-Teams

Zur Lage des Fact Checking – ein Kommentar von Florian Schmidt 

Seit Mai 2020 ist APA-Faktencheck über eine Kooperation mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) Teil des Third-Party Fact-Checking Programms (3PFC) von Meta Platforms. Bis zum heutigen Tag produzierte das Team des APA-Faktencheck über 1.300 Faktenchecks für den Social-Media-Riesen. In Österreich gab es in den vergangenen Jahren neben der APA nur noch die französische Nachrichtenagentur AFP, die sich als Partnerin um die unabhängige Entgegnung von Falschinformationen auf Facebook und Instagram gekümmert hat.

Es geht im Kern um genau jene Zusammenarbeit, deren Aufkündigung kürzlich durch eine Stellungnahme des Meta-Chefs Mark Zuckerberg per Video in den USA verkündet wurde. Zu Meta gehören neben Facebook unter anderem auch Instagram sowie WhatsApp und der Kurznachrichtendienst Threads. Es ist nicht auszuschließen, dass diese jüngste Maßnahme zukünftig auch in Europa umgesetzt und die Kooperation mit Faktencheck-Organisationen beendet wird.

Denn zu einer Zusammenarbeit sind die Tech-Giganten nicht verpflichtet. Zwar haben sie im Rahmen des Code of Practice on Disinformation eine Zusammenarbeit mit Faktenchecker:innen in der EU zugesagt, allerdings handelt es sich dabei um eine Selbstverpflichtung, die sie jederzeit stoppen können. Mehrere große Player wie Google, YouTube und LinkedIn erklärten in den letzten Wochen, sich zumindest teilweise aus den Vereinbarungen zurückzuziehen.


Digital Services Act der EU

In der EU verpflichtet der DSA (Digital Services Act) Online-Plattformen dazu, gegen Hassrede, Hetze und Falschinformationen vorzugehen. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Plattformen wie Facebook oder YouTube unterzeichneten zwar etwa laut EU-Kommission im Jänner eine Verpflichtungserklärung, der zufolge sie härter gegen Hassrede vorgehen werden. Gleichzeitig ermittelt die EU jedoch wegen möglicher Missachtung des DSA gegen einige der Unterzeichner dieser jüngsten Verpflichtungserklärung: Hierzu zählen unter anderem die Facebook-Mutter Meta, X und YouTube.

Und: Der DSA sieht zwar strikte Regeln für Very Large Online Platforms (VLOPs) beim Vorgehen gegen Desinformation vor, enthält aber weder eindeutige Definitionen des Begriffs noch konkrete Vorgaben zur Zusammenarbeit mit Faktenchecker:innen.

 

Aktuelle Rechtslage und das Modell der „Community Notes“

Falschinformationen sind in den meisten Fällen nicht strafbar. Und das ist gut so. Denn ein Gesetz gegen die Verbreitung von falschen Gerüchten, wie es in Österreich bis zum Jahr 2016 existierte, könnte im schlimmsten Fall von einzelnen Regierungen unterschiedlich ausgelegt werden und zur willkürlichen Verfolgung politischer Gegner:innen führen.

Dennoch ist es wichtig, dass Falschbehauptungen im Internet widersprochen wird und es Korrektive gibt, die User:innen in die Meinungsbildung miteinbeziehen. Das Modell der von Sozialen Netzwerk-Betreibern wie Zuckerberg neuerdings bevorzugten Community Notes wird dieser Anforderung zwar gerecht, folgt jedoch nicht den strengen Kriterien zu Transparenz und Qualität wie lizensierte Faktenchecks. Viele Hinweise werden aus Uneinigkeit der abstimmenden Userinnen und User nie veröffentlicht, das Abstimmungsverhalten der User:innen wird auf manchen Plattformen getrackt und über Fakten lässt sich oftmals nicht einfach abstimmen. Ein qualifizierter Faktencheck ist das Ergebnis tiefgehender, transparent dargelegter Recherchen und spezifischen Know-hows. Eine Kombination aus Community Notes und professionellen Faktenchecks wäre sinnvoll, würde aber bedeuten, dass die Plattformen dafür bezahlen müssten.

Dass das bisherige Meta-Programm zur Einbindung von professionellen Faktenchecks nicht für die Ewigkeit bestimmt ist, damit war zu rechnen. Dass der Meta-CEO seine langjährigen Partner, von denen einige unter extremem politischen Druck agieren, mit derart scharfen Vorwürfen in der Öffentlichkeit kritisierte, war hingegen überraschend. Zuckerberg erklärte, man habe in den vergangenen Jahren zu viele Einschränkungen gehabt, was zu Zensur geführt habe, und behauptete unter anderem, Faktenchecker:innen seien „politisch voreingenommen“.

 

Reale Folgen des neuen Meta-Kurses

Metas Neuausrichtung wird weitreichende Folgen haben, vor allem, wenn die Zusammenarbeit mit Faktenchecker:innen global reformiert und für Fact-Checking-Organisationen eine der wenigen Finanzierungsquellen geschlossen wird.

Trotz des relativ jungen Berufsbildes ist es vielen Faktencheck-Teams gelungen, ihre Einnahmequellen zu diversifizieren und sich nicht ausschließlich auf Einkünfte von Meta zu verlassen. Dennoch ist für einen großen Teil der finanziellen Sicherheit noch das 3PFC-Programm von Meta die Basis. Während ein Wegfall der Kooperation auch europäischen Faktenchecker:innen spürbar weh tun könnte, hängt in anderen Ländern teilweise die komplette Existenz von Faktencheck-Teams davon ab.

In Reaktionen warnten Betroffene weltweit vor drastischen Konsequenzen. Beispiele dafür gibt es zur Genüge. Einige der mehr als 100 Länder, in denen Faktenchecks derzeit eingesetzt werden, sind laut Faktenchecknetzwerk IFCN in hohem Maße durch Desinformationskampagnen bedroht, was politische Instabilität, Wahlbeeinflussung oder Gewalt zur Folge haben könnte. Ein offener Brief der arabischsprachigen „IFCN Arabic Coalition“ an Zuckerberg macht dies deutlich und verweist unter anderem auf die aktuelle Lage in Syrien, bevorstehende Wahlen und Ereignisse im Irak und dem Libanon: „Each of these events presents a high risk of misinformation campaigns that could endanger public trust and stability.“

Aus Indien ist bekannt, dass – womöglich aus politischem Kalkül gezielt gestreute – Gerüchte und Falschnachrichten über soziale Netzwerke mehrfach zu Lynchmobs geführt haben, etwa, wenn konkrete Personen der Entführung von Kindern oder anderer Verbrechen beschuldigt wurden.

Es bleibt zu hoffen, dass Meta zumindest in Risiko- und Konfliktgebieten eine rote Linie zieht und sich für eine Weiterführung des Faktencheck-Programms in der Verantwortung sieht.

 

Strengste Standards für zertifizierte Faktenchecks

Dass im ersten Absatz dieses Textes die Fact-Checking-Tätigkeit als „unabhängige Entgegnung von Falschinformationen“ bezeichnet worden ist, ist kein Zufall.

„Unabhängig“ deswegen, weil jedes Faktencheck-Team im 3PFC-Programm von Meta Mitglied des International Fact Checking Networks (IFCN) sein muss, was nur durch die ständige Einhaltung zahlreicher sehr strenger Kriterien zu Transparenz, Unparteilichkeit und Methodik erreichbar ist: https://www.ifcncodeofprinciples.poynter.org/application-process. Ein Fehler kann den sofortigen Rauswurf nach sich ziehen.

„Entgegnung“ deswegen, weil im Gegensatz zu Zuckerbergs Behauptung Faktenchecker:innen niemals das Ziel verfolgen, Falschinhalte zu löschen oder zensurieren. Sie stellen selbst keine Behauptungen auf, sondern verweisen auf valide Quellen und sind damit ein Wegweiser im digitalen Labyrinth. Faktenchecks dienen dazu, Kontext zu ergänzen und damit den öffentlichen Diskurs mit Informationen aufzuwerten. In welcher Form Falschinformationen gekennzeichnet oder geahndet werden sollen, war und ist zu jedem Zeitpunkt die Entscheidung von Meta selbst. Faktenchecks sind Teil der Meinungsfreiheit und leisten einen erheblichen Beitrag dazu, dass Menschen die Wahl erhalten, zwischen Gerüchten, Verschwörungstheorien und Fakten zu unterscheiden.

 

APA-Faktencheck

Auch für den APA-Faktencheck haben die aktuellen Entwicklungen Folgen. Sollte Meta die bestehenden Kooperationen mit europäischen Faktencheck-Teams beenden, werden die Einnahmequellen für unsere Arbeit weiter sinken. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass der Bedarf an Fact-Checking sinkt. Mittlerweile ist aus dem APA-Faktencheck-Team ein Hort des Wissens um digitale Recherche entstanden und dieses Wissen hilft jeder Person, die digital unterwegs ist, ob privat oder beruflich.

 

Know-how-Sharing zum Aufdecken von Desinformation

Dass möglichst viele Menschen Falschinformationen erkennen, wird immer wichtiger. Neben den klassischen Faktenchecks geben die Teams ihre Expertise und ihre Methoden in zahlreichen Media-Literacy-Schulungen weiter. Und diese stoßen auf immer mehr Interesse. Die Teilnehmenden sind meist fasziniert, was über eine Foto-Rückwärtssuche, gezielten Einsatz von Suchoperatoren und Internetarchiven gefunden wird und wie einfach sich KI-Produkte erkennen lassen. Open-Source-Intelligence-Tools (OSINT) stehen hoch im Kurs, um sich besser zurechtzufinden und nicht auf Fakes hereinzufallen.

Eines wird durch die jüngsten Entscheidungen und Entwicklungen jedenfalls klar: Unabhängiges, professionelles Fact Checking und die Weitergabe des nötigen Know-hows sind kein Sprint, sondern ein – für die Demokratie unverzichtbarer – konsequenter Marathon.

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