Nachrichtenagenturen als Trusted-AI-Provider
Maria Scholl: Technologie ist schon seit einiger Zeit ein wichtiger Teil unserer Mission. Das Tech-Unternehmen der APA beschäftigt fast so viele Mitarbeiter:innen wie die Nachrichtenagentur selbst. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Redaktion und IT-Entwicklung und gibt uns die Möglichkeit, Software quasi „vom Labor auf den Markt“ zu bringen. Wir nutzen für die Entwicklung nicht nur unser tägliches Know-how, sondern auch die Daten unserer stark datenorientierten Produktion und statten unsere Softwareprodukte mit dem gleichen Maß an Vertrauen und Zuverlässigkeit aus, das wir auch unserem Nachrichtenstrom zuschreiben. Zu dieser Zuverlässigkeit gehören die bewährte Benutzerfreundlichkeit in den Arbeitsabläufen von Redaktionen, die Datensicherheit und – vielleicht am wichtigsten – eine vertrauenswürdige KI.
Wir sind davon überzeugt, dass KI in den Händen von Nachrichtenorganisationen liegen sollte und dass wir als Nachrichtenagentur in einer privilegierten Position sind, um eine Vorreiterrolle bei der nachhaltigen Nutzung von KI zu übernehmen und die notwendigen Lösungen als Teil unseres Geschäftsmodells als Dienstleister anzubieten.
Vor zwei Jahren haben wir unser Trusted-AI-Portfolio gestartet, mit einem starken Fokus auf Governance, selbst entwickelten Modellen für spezifische redaktionelle Anwendungsfälle und einer hohen Flexibilität, um den unterschiedlichen Anforderungen unserer Kund:innen gerecht zu werden. Unser Portfolio reicht von Text über Audio bis hin zu visuellen Inhalten und von Datenjournalismus bis hin zu AI-Literacy und Schulungen. Es umfasst sowohl Lösungen, die wir unseren Kund:innen über eine API zur Verfügung stellen, damit sie ihre Tools selbst auswählen und in ihre bereits bestehende Architektur integrieren können, als auch komplette Software-Application-Suites zur niederschwelligen Nutzung über unsere Plattformen APA-NewsDesk und APA-PR-Desk. Beispiele sind: Korrekturlesen, Textkürzung, SEO, Text2Data, Zitate extrahieren, Lead-Generierung, Alternative Titel, Alt-Texte, Lokalisierungsgrafiken, Defalsif-ai (Faktencheck).
Dies ist allerdings nur ein Baustein der KI-Produktionsplattform, die wir aufbauen wollen. Derzeit entwickeln wir gemeinsam mit der Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA ein neues Redaktionssystem mit dem Namen First, das stark auf KI basieren wird. Clemens Prerovsky erläutert, was die Entwicklung antreibt, worauf der Fokus liegt, und gibt erste Einblicke, was sich User:innen von dem neuen Redaktionssystem erwarten dürfen.
First by APA: Was zählt, ist Qualität
Clemens Prerovsky: Die KI von heute ist – dank integriertem semantischen Textverständnis – in der Lage, Sinnzusammenhänge herzustellen, verwandte Nachrichten zu thematischen Gruppen zusammenzufassen, deren Priorität zu bewerten und die Berichterstattung entsprechend zu strukturieren. Bereits heute können wir mit APA-Tools Nachrichten-Webseiten monitoren, die Platzierung von Bildern oder die Gewichtung von Titeln und ganzer Storys analysieren, Informationen zusammenfassen und einen Echtzeit-Überblick über die gesamte Medienlandschaft geben.
Doch seien wir ehrlich: Nichts davon ist im eigentlichen Sinne produktive, inhaltliche, redaktionelle Arbeit. Es handelt sich um Prozesse, die keinen direkten Mehrwert für Leser:innen schaffen und die intellektuelle Qualität der Inhalte nicht erhöhen. Doch sie beschleunigen Workflows, minimieren die Anzahl der geöffneten Tabs, vor allem aber setzen sie Kapazitäten für das Wesentliche frei – nämlich die Erstellung exzellenter Inhalte.
Inhalte als zentrales Unterscheidungsmerkmal im Zeitalter der KI
In Zeiten von KI sind Inhalte nach wie vor unser wichtigstes Unterscheidungsmerkmal. Qualitätsvolle Inhalte und exakte Metadaten ermöglichen es uns, Sprachmodelle mit außergewöhnlicher Präzision zu optimieren und Tools zu entwickeln, die Redakteur:innen wirklich unterstützen. Unser derzeit in Entwicklung befindliches Redaktionssystem First geht exakt in diese Richtung. Es verbindet die redaktionelle Planung mit der Erstellung von Inhalten und wird je nach Bedarf folgende KI-gestützte Aufgaben übernehmen:
- Korrekturlesen: Kontextbezogene Bearbeitung, die weit über die Rechtschreibprüfung hinausgeht. Die KI-Technologie kann eine zeitliche und redaktionelle Konsistenz herstellen – so wird beispielsweise ein Artikel, der für heute vorgesehen ist, aber auf „morgen“ verweist, markiert.
- Textkürzung: Schnelle Bearbeitungen mithilfe von T-Shirt-Größen (S, M, L), wenn keine genaue Zeichenbeschränkung erforderlich ist.
- Zeichengenaue Titel: Kontextbezogene, präzise gekürzte Titelalternativen gemäß journalistischen Standards.
- Exakte Textkürzung: Für die Anpassung von Inhalten an strenge Formate wie feste Drucklayouts.
- Generierung von Einleitungsabsätzen: Erstellt automatisch Einleitungen mit der exakt gewünschten Zeichenanzahl.
- Social-Media-Versionen: Maßgeschneiderte Inhalte für X, Facebook oder LinkedIn – mit einem einzigen Klick.
- SEO: KI-generierte Meta-Beschreibungen, SEO-Titel und Keyword-Vorschläge.
Trustworthiness und Human-in-the-Loop
Gerade im Journalismus und insbesondere im Zusammenhang mit KI spielt Vertrauen eine große Rolle. Die Gefahr für Medienmarken, mit KI falsche oder ungenaue Inhalte zu publizieren, ist groß. Aktuelle Studien zeigen, dass KI-generierte Nachrichtenbeiträge teils gravierende Mängel aufweisen: Representation of BBC News content in AI assistants.
In der APA ist der Human-in-the-Loop-Ansatz in Zusammenhang mit der Inhalteerstellung daher obligatorisch. Beim Einsatz von KI in unseren Systemen geht es also sehr stark darum, jene Prozesse zu identifizieren, die wir risikofrei an eine KI auslagern können. So entwickeln wir für First beispielsweise einen semantischen KI-Assistenten, der Zitate direkt aus vertrauenswürdigen Beiträgen unserer standardisierten Datenbank bezieht. Damit können wir im Vergleich zu allgemeinen Systemen wie ChatGPT eine weitaus höhere Genauigkeit erzielen.